Mülheim/Tours. Die Radsportler des R.C. Sturmvogel sind vier Mal in die Mülheimer Partnerstadt geradelt. Dort startet die sechste Etappe der Tour de France.

Über 3000 Kilometer werden die Radprofis in den Beinen haben, wenn sie das Ziel der Tour de France in Paris erreichen. Die „große Schleife“ ist das Event im Kalender der Rennfahrer. Ihre ganz persönliche Tour de France haben in der Vergangenheit auch gleich vier Mal die Pedaleure des R.C. Sturmvogel absolviert.

Ziel war jeweils Stadt Tours – die seit 1962 Mülheimer Partnerstadt ist. Insgesamt rund 1100 Kilometer legten die Sturmvogel-Mitglieder auf elf Etappen zurück. Am Donnerstag (1. Juli) werden sie beim Start der sechsten Etappe der Tour ganz genau hinschauen. Das Teilstück, das nach 160 Kilometern in Châteauroux endet, startet nämlich in Tours.

Mülheimer sitzt mit 82 Jahren täglich auf dem Ergometer

Herbert Schindler ist 82 Jahre alt. Täglich sitzt er auf seinem Ergometer auf dem Balkon und trampelt. Das Gefühl, auf einem Rad zu sitzen, lässt ihn einfach nicht los. „Am liebsten würde ich so eine Tour wie damals noch einmal machen“, sagt er.

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Vier Mal hat er sich zwischen 1963 und 1985 mit seinen Mitstreitern vom R.C. Sturmvogel auf den Weg gemacht, um über die Niederlande und Belgien den Weg in die französische Stadt an der Loire zu finden. „Zum Glück sind wir alle immer gesund angekommen. Ab und an hatte mal jemand einen Platten. Sonst ist nie etwas passiert“, blickt Schindler zurück. Und auch das Wetter hat immer mitgespielt. „Es kommt dabei ja auch darauf an, wer auf dem Rad sitzt“, sagt Schindler mit einem Schmunzeln.

Mit Radkarten einen Platz zum Übernachten gesucht

Es waren andere Zeiten, als sich der Tross Mitte der 1960er Jahre erstmals auf den Weg gemacht hat. Von Navigationsapps, wie sie heute üblich sind, war damals natürlich längst nicht die Rede. Fahrradkarten hatten die Sportler auf ihren Rädern montiert, abwechselnd übernahmen sie die Routenführung. Auch die Räder, die damals noch aus Stahl, später aus Alu waren, sind mit den hochmodernen Rennmaschinen der heutigen Profis nicht zu vergleichen. „Wir haben unsere Räder zu Tourenrädern umgebaut. Sie mit Schutzblechen und Klingeln ausgerüstet“, sagt Schindler.

Bereit für die große Schleife: Die Radfahrer des R.C. Sturmvogel vor dem Start ihrer „Tour de France“.
Bereit für die große Schleife: Die Radfahrer des R.C. Sturmvogel vor dem Start ihrer „Tour de France“. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Wo abends übernachtet wurde, war oft morgens noch nicht klar. „Wir haben uns immer einen Platz zum Zelten gesucht“, sagt Herbert Schindler. Das war gar nicht immer so einfach. „Einmal haben wir nichts gefunden, da haben wir dann auf einem Friedhof übernachtet“, erinnert er sich.

Zwei Mülheimer Vereine – eine Idee

Die Idee zu den Touren hatten der damalige Vorsitzende des R.C. Sturmvogel, Fritz Gehring, und sein Amtskollege beim Fußballverein PSV Mülheim, Fritz Bröckermann.

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Und während die Radsportler in die Pedale traten, machten sich die Fußballer mit VW Bussen auf den Weg nach Frankreich. So konnten sie die Verpflegung der Sturmvogel-Kollegen ebenso übernehmen wie eine Rückfahrt auf vier Rädern garantieren. „Wir haben jeden Tag dafür gesorgt, dass sie genügen Brötchen und Getränke hatten“, sagt Klaus Külschbach, heutiger Vorsitzender des R.C. Sturmvogel, der damals mit den Fußballern auf Tour ging.

In Belgien war es besonders schwer

Die Etappen – zwischen 70 und 130 Kilometer lang – hatten so einige Herausforderungen zu bieten. „Gerade in Belgien war es immer sehr anspruchsvoll. Dort ist es sehr hügelig, dazu kommt der Wind. Aber wir waren alle durchtrainiert und sehr zäh“, beschreibt Herbert Schindler.

Von Mülheim ging es durch die Niederlande und Belgien bis ins französische Tours.
Von Mülheim ging es durch die Niederlande und Belgien bis ins französische Tours. © Pia Mählitz

Für einen in der Gruppe, waren aber auch die Anstiege im Mekka des Radsports leicht zu bewältigen. „Wir mussten alle im kleinsten Gang treten, gingen aus dem Sattel. Und da kam uns Günter Engel schon wieder entgegen und ist den Berg zum zweiten Mal hochgefahren“, erinnert sich Schindler an seinen Vereinskollegen, der damals auch Rennen gefahren ist.

Franzosen radeln mit den Mülheimern ins Ziel

Der Lohn für die elftägigen Strapazen war immer die Ankunft in Tours. „Auf den letzten Kilometern haben uns unsere Freunde aus Frankreich begleitet“, schwelgt Herbert Schindler in Erinnerungen. Die Sportsfreunde des Union Cyclotouriste de Touraine radelten gemeinsam mit den Mülheimern in die Stadt.

Pausen kamen bei den Mülheimer Radfahrern auf den Etappen nie zu kurz.
Pausen kamen bei den Mülheimer Radfahrern auf den Etappen nie zu kurz. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

„Die Empfänge auf dem Rathausplatz waren immer etwas besonderes“, sagt Schindler. Und: „In den Hotels gab es endlich wieder fließendes Wasser. Da haben wir uns schon in den Tagen zuvor drauf gefreut und die Kilometer heruntergezählt.“

Zum Vereinsjubiläum zurück in die Partnerstadt

Es sind Erinnerungen, die hängen geblieben sind. Heute finden die Touren nicht mehr statt, auch wenn Klaus Külschbach sagt: „Die Stadt ist wunderschön. Die vielen Schlösser, die Loire. Da möchte ich auf jeden Fall wieder einmal hin.“ Vielleicht in zwei Jahren, wenn der R.C. Sturmvogel 125 Jahre alt wird. „Dann machen wir vielleicht eine kleine Familientour nach Tours. Aber nicht mit dem Rad“, sagt er.

Heute werden sie aber erst einmal in Erinnerungen schwelgen und die TV-Bilder aus Tours genießen. Anderen beim Radeln zuzusehen, hat ja auch etwas für sich.