Mülheim. Bei einem Training mit Blindenfußballern des FC Schalke 04 müssen die Mülheimer Talente auf einen ihrer Sinne verzichten – das macht Probleme.
Auf dem Sportplatz des TSV Heimaterde am Mülheimer Finkenkamp spielen sich merkwürdige Szenen ab. Zwei kleine Gruppen an Nachwuchsfußballern fassen sich an die Schultern und bilden eine Polonaise. Statt kontrolliert über das kleine Soccercourt zu laufen, rennen sie aber wahlweise gegen die Bande oder geradewegs in die andere Gruppe hinein. Das Problem: Die Jungs sind blind – zumindest für einen Nachmittag.
Natürlich können die Kicker des TSV Heimaterde im wahren Leben sehen. Doch in einer besonderen Trainingseinheit lernten sie kennen, was sich an ihrem liebsten Hobby verändert, wenn einer der wichtigsten Sinne fehlt.
Nationalspieler zu Gast am Mülheimer Finkenkamp
Für Hasan Koparan vom FC Schalke 04 und Daniel Hoß vom PSV Köln ist das Alltag. Beide spielen in der Bundesliga, Koparan ist sogar Nationalspieler – aber eben im Blindenfußball. Bis zu 40-mal im Jahr stellen sie gemeinsam bei Vereinen ihre Sportart vor. Das Alter reicht ungefähr von U11 bis U19-Mannschaften.
„Das funktioniert meistens sehr gut, denn die Spieler haben ja Bock darauf“, sagt Koparan. Daniel Hoß hat sogar schon Einheiten erlebt, „wo es wie ein richtiges Spiel aussah.“
An ein echtes Spiel ist am Anfang noch gar nicht zu denken
Doch daran ist zunächst gar nicht zu denken. Zu allererst geht es um die Orientierung und das Vertrauen untereinander. Alle Spieler bekommen blickdichte Brillen auf und sind fortan „blind“. In den beiden Polonaise-Reihen sieht nur der jeweils letzte Mann. Er soll sein Team mit stummen Kommandos führen. Ein Tippen auf die linke Schulter des Vordermanns heißt „nach links laufen“ und umgekehrt. Dass die Heimaterde-Jungs schon mit dieser Einstiegsaufgabe heillos überfordert sind, nehmen die beiden Coaches nur mit einem Schmunzeln zur Kenntnis. Sie haben nichts anderes erwartet.
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Kurz danach darf sich der Mülheimer Nachwuchs auch am Ball versuchen. „Mal sehen, ob ich beim Blindenfußball auch so ein guter Stürmer bin“, sagt TSV-Spieler Can. Er hat zumindest schon einmal gehört, dass ein rasselnder Ball den Spielern als Orientierung dient. Hinter dem gegnerischen Tor sagt ein sogenannter „Guide“ die Schussrichtung an.
Kopfschutz aktuell nicht möglich
Damit die Gegner nicht laufend ineinander rennen, rufen sie sich auf dem Feld „voy“ zu. Das ist Spanisch und heißt so viel wie „ich komme“. Normalerweise tragen die Spieler zusätzlich einen Kopfschutz, was wegen der Corona-Maßnahmen aktuell aber nicht möglich ist.
Doch Can hat die Aufgabe unterschätzt. Bei den Dribblings verlieren die TSV-Kicker laufend den Ball, bei Schussversuchen werden reihenweise Luftlöcher geschlagen, weil der Ball gar nicht mehr dort lag, wo ihn der Schütze vermutete.
Berührungsängste sollen abgebaut werden
Spaß an der besonderen Einheit haben die jungen Fußballer dennoch. Sie konnten erkennen, welchen großen Vorteil sie doch mit zwei gesunden Augen haben. Genau darum ging es auch Trainer Marc Böttcher: „Es werden Berührungsängste gegenüber Menschen mit Einschränkungen abgebaut.“
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