Wanne-Eickel. Karl-Heinz Klaskalla und Eduard Piotrowicz haben eine große Zeit der SpVgg. Röhlinghausen miterlebt. Ein Gespräch über Fußballverrücktheiten.
Der Kreter am Markt ist von einem Gerüst umgeben. „Das Haus ist doch schon lange verkauft. Weißt du was da reinkommt?“, fragt Karl-Heinz Klaskalla. „Keine Ahnung, vielleicht Wohnungen. Ein Restaurant auf keinen Fall“, antwortet Eduard Piotrowicz. Beide kennen noch andere Zeiten.
- Kommentar: Rote Karte für den Mannschaftssport
- Fußball: Westfalia Herne wartet noch – erster Gegner trainiert schon
- Leichtathletik: Marius Probst mit DM-Power unterwegs
Da war das Haus Kreter noch das Haus vor dem Platz. Die Vereinskneipe, Umkleide und Anlaufstelle der Spielvereinigung Röhlinghausen. Doch das ist schon etwas länger her.
SpVgg. Röhlinghausen: Am Trikot ziehen gab es nicht
Klaskalla und Piotrowicz. Beide Jahrgang ´36. Beide Röhlinghausener durch und durch. Seit 1948 sind sie Mitglieder bei der SpVgg. Röhlinghausen und haben somit die zweite Hälfte der Hochphase des Vereins am Stratmannshof miterleben und prägen können. Klaskalla hinten links, Piotrowicz ganz vorne in der Mitte.
„Ich war ein harter Verteidiger, aber nie unfair“, beschreibt Klaskalla seinen Spielstil. „Am Trikot ziehen gab’s bei uns nicht. Wenn er schneller war, hast du ihn einfach laufen lassen. Außerdem hätte er dann für das nächste Spiel kein Leibchen mehr gehabt“, lacht er.
Eduard Piotrowicz machte die Buden
Und Piotrowicz? Der machte die Buden. Zusammengezählt hat er sie nie. Aber wenn er die alten Zeitungsberichte vorzeigt und kurz und knapp aufzählt: „Da habe ich drei gemacht, da zwei, und gegen die sogar vier“, da dürfte eine nette dreistellige Summe zusammengekommen sein. Doch von Zahlenspielen wollen die beiden nichts wissen. „So was war uns immer egal. Wir wollten einfach nur spielen“, betont Kaskalla. „Wir waren fußballverrückt.“ Die 15 D-Mark für den ersten Ball hatte er sich beim „Sockeln“ auf dem Schulhof zusammengespielt.
„Ich bin dann nach Bochum und hab das ganze Geld für den Ball ausgegeben. Das Problem: Jetzt hatten wir kein Geld für die Rückfahrt mehr. Was haben wir gemacht? Sind gelaufen. Aber wir hatten ja den Ball“, erinnert er sich.
Arschleder in seine Einzelteile zerlegt
Und als der Ball irgendwann kaputt ging („Wir konnten ja nur auf der Straße spielen, da war der irgendwann hin“), musste das alte Arschleder des Vaters herhalten, das in seine Einzelteile zerlegt und zum Ball zusammengeflickt wurde. Fußballverrückt.
Deshalb auch ein Leben lang Spielvereinigung. Beide hätten wechseln können, wollten aber nicht. „Wir sind eingefleischte Röhlinghausener.“ Deshalb war die Wahl auch alles andere als schwer, als sich der Spielvereinigung anzuschließen. Klaskalla blickt auf den Platz, wo er einen guten Teil seiner über tausend Spiele absolviert hat. „Hier habe ich meine Knochen gelassen“, sagt er mit einer Mischung aus Wehmut und einer Spur Stolz. Obwohl er noch bis in die 80er-Jahre bei den Alten Herren spielte, war die aktive Karriere nach einem Innenbandriss in den 1950er-Jahren eigentlich schon vorbei.
Härter traf es da Piotrowicz. Nach einem Kreuzband- und Meniskusriss im Weltmeisterjahr ´54, die er sich in der DDR zuzog, wo er auch den Titelgewinn der BRD miterlebte, ging es für ihn nicht mehr lange weiter. Bitter für den talentierten Stürmer. „Ein bisschen Fußball spielen konnte ich wohl. Ich bin schließlich überall hin eingeladen worden.“ Ein Highlight für ihn war der England-Aufenthalt als 17-Jähriger mit einer Auswahlmannschaft.
Großes Erlebnis in Düsseldorf-Flingern
„Mir hat ein Trainer Jahre später mal gesagt: Du wusstest gar nicht, wie gut du warst. Meine Antwort: Natürlich nicht, es hat mir ja keiner gesagt“, erinnert sich Piotrowicz.
Das wohl größte Erfolgserlebnis der späteren Vereinsgeschichte fand allerdings nicht auf dem Sportplatz Am Alten Hof statt. 13. November 1955. Düsseldorf-Flingern. DFB-Pokalspiel mit 9000 Zuschauern, ein Großteil davon waren die mit „elf Omnibussen, zahllosen Kraftwagen und Motorrädern gekommenen Wanne-Eickeler Schlachtenbummler“, wie es in einem Nachbericht zu lesen war. Gegner für den damaligen Landesligisten: der Tabellenführer der Oberliga Fortuna Düsseldorf, unter anderem mit Jupp Derwall und Erich Juskowiak.
Mit drei Langen und drei Kurzen warm gemacht
„Eigentlich eine Schweinerei, dass das Spiel nicht bei uns ausgetragen worden ist“, so die einhellige Meinung der beiden. „Das war trotzdem mein absoluter sportlicher Höhepunkt“, bekräftigt Klaskalla. Mit ihm stand aber nur eine Hälfte des Duos auf dem Platz. Piotrowicz konnte aufgrund eines Platzverweises nicht mithelfen, die 4:7-Niederlage zu verhindern. Daran konnten auch die Tore des späteren Schalkers Heinz Kördell halfen nichts.
Viele gute Fußballer haben Piotrowicz und Klaskalla an ihrer Seite gehabt. Nicht nur Kördell, sondern auch Karl-Heinz Prill. „Der Prill hatte Schuhgröße 36 und hat sich vor dem Spiel öfter mit drei Langen und drei Kurzen warm gemacht. Aber Freistöße konnte der schießen. Wie für die Bundesliga“, lautet die launige Erinnerung an den ehemaligen Mitspieler.
Weitere Stadiongeschichte(n)
- Wiescherstraße: 90 Jahre Emotionen
- Wanne-Eickel: Großer Fußball auch mit König Otto
Nachdem die Fußballschuhe am Nagel hingen, blieben die beiden dem Verein treu. Klaskalla mehr als einmal in offizieller Funktion, Piotrowicz als gute Seele und Stamm-Zuschauer. Das hat sich Klaskalla in der jüngeren Vergangenheit nicht mehr angetan. Kreisliga B, oder in seinen Worten: „Ich kann doch nicht jeden Montag zum Augenarzt gehen.“
Aber egal ob nun jeden Sonntag am Platz (ein Ausblick mit Aufbruchstimmung hier) oder nicht, Klaskalla und Piotrowicz waren und bleiben Röhlinghausener, bleiben der Spielvereinigung treu. Seit 1948. Jeder auf seine Weise.
Damit Sie keine Nachrichten aus Herne und Wanne-Eickel verpassen: Abonnieren Sie unseren WAZ-Newsletter hier
Zu „Sport in Herne und Wanne-Eickel: Die WAZ-Gruppe“ auf Facebook geht es hier
Zu unseren Artikeln aus dem Herner und Wanne-Eickeler Sport geht es hier