Ruhrgebiet. Eine Umfrage zeigt, wie wichtig Schmerzmittel im Amateurfußball sind. Kaum ein Fußballer streitet die Zahlen ab. Ein Experte spricht von Doping.
Einerseits der Schmerz im Knie oder Knöchel, andererseits das wichtige Derby oder das Topspiel vor der Brust, das man auf keinen Fall verpassen will: Mit Schmerzmitteln können Fußballer unter Umständen trotzdem spielen – und sehr viele greifen darauf zurück. In manchen Kabinen heißt es regelmäßig: „Brauchst du Ibu?“
„Im Fußball hat wohl jeder schon mal Kontakt mit dem Thema gehabt“, sagt zum Beispiel Bruno Staudt. Der 22-Jährige hat in der Jugend beim VfL Bochum gespielt, später bei Westfalenligist Concordia Wiemelhausen. Gerade ist der Torhüter von der TSG Sprockhövel zur SG Wattenscheid 09 gewechselt.
„Schmerzmittel werden oft gegessen wie Smarties“, sagt Oliver Röder, der frühere Trainer des VfB Speldorf. „Das ist selbstverständlich geworden und geht von der Kreis- bis zur Oberliga.“
Schmerzmittel bei den Amateuren: Was viele ahnten, wird nun durch Zahlen gestützt
Nun gibt es Zahlen dazu. M ehr als 1000 Teilnehmende hatte die Befragung von „Correctiv“ und der ARD-Dopingredaktion. Vier von fünf Amateurfußballern haben demnach schon einmal Schmerzmittel beim Fußball genommen.
Aktive Fußballer, Ärzte und Physiotherapeuten aus dem Ruhrgebiet bestätigen die Präsenz von Schmerzmitteln im Amateurfußball:
- Bochum: Wattenscheid-Torwart Bruno Staudt und Ehrenfeld-Spielertrainer Ingo Freitag über Schmerzmittelkonsum – und die Probleme damit.
- Herne: „Ich habe mich einfach daran gewöhnt und es geht mir damit besser“ – auch in Kreisliga-Kabinen sind Schmerzmittel natürlich Thema
- Mülheim: Magenprobleme durch Tabletten, Schmerzmittel wie Smarties und Erinnerungen an härteres Zeug – Fußballer und Trainer erzählen
- Gelsenkirchen: Eine Tablette, um die 90 Minuten zu überstehen – und ein Physiotherapeut, der das Problem bei den Amateuren stärker sieht als bei den Profis
Ergebnisse der Befragung von „Correctiv“ und der ARD-Dopingredaktion:
- Von den 1142 Teilnehmenden waren knapp 95 Prozent männlich. 96 Prozent spielten auf Amateurniveau unterhalb der Regionalliga. Ebenso viele sind älter als 18 Jahre – die Ergebnisse betreffen also vor allem die Amateurligen der Männer.
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Ein Experte erklärt: Was Schmerzmittel mit Doping zu tun haben
Die Umfrage wurde vor allem über Social Media verbreitet, oft in Fußball-Gruppen auf Facebook. Auch wenn die Stichprobe nicht repräsentativ ist, zeigen die Zahlen in eine klare Richtung.
Der Sportwissenschaftler Prof. Dr. Gerd Glaeseke von der Uni Bremen kommentiert die Ergebnisse der Umfrage: „Insgesamt zeigt sich an den Aussagen, dass die Anwendung von Schmerzmitteln keine Ausnahme ist, sondern zum Alltag vieler Fußballspieler dazu zu gehören scheint. Schmerzen werden weggeschluckt, um trainieren und spielen zu können.“
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Teilweise würden Schmerzmittel sogar vorbeugend eingenommen – die möglichen unerwünschten Wirkungen würden aber ausgeblendet: „Niemand sollte vergessen, dass Arzneimittel, die wirksam sind, auch immer unerwünschte Nebenwirkungen auslösen können“
Schmerzmittel sollen laut Glaeseke dazu beitragen, immer die bestmögliche Leistung zu bringen: „Dies ist letztlich Doping im Sport“ Das sein eine „ausgesprochen problematische und ungesunde Entwicklung im Amateursport.“ Er stellt klar: „Schmerzmittel sind keine Smarties!“
Über diese Recherche
Diese Recherche ist Teil einer Kooperation von CORRECTIV und der ARD-Dopingredaktion. Die Redaktionen haben über Monate zum Schmerzmittelmissbrauch im Amateur- und Profifußball recherchiert. Alle Ergebnisse finden Sie auf pillenkick.de unter anderem mit einer ARD-Dokumentation, die am 9. Juni 22:45 Uhr ausgestrahlt wird, sowie eine interaktive Übersicht mit Hinweisen zu Ibuprofen, Aspirin und anderen Schmerzmitteln. Das unabhängige Recherchezentrum CORRECTIV arbeitet gemeinnützig und finanziert sich über Spenden.
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