Herne. Das Insolvenzverfahren will der SC Westfalia Herne in Ruhe abschließen. Welche Ziele gibt es darüber hinaus? Ein Ortstermin mit Ingo Brüggemann.

Im Tilkowski, dem Vereinsheim des SC Westfalia Herne, sind in Corona-Zeiten selbstverständlich die Fenster weit geöffnet und es wird vorbildlich gelüftet.

Aber so ein Gespräch draußen hat auch was, auf der Haupttribüne des Stadions am Schloss. Ingo Brüggemann, kommissarischer 1. Vorsitzender des Fußball-Oberligisten, möchte dort lieber in der Sonne als im Schatten sitzen.

Auf der Tribüne sind das an diesem Mittwochmorgen nur ein paar Stufen hinunter. Als Verein hat der SC Westfalia Herne dorthin noch einen etwas längeren Weg vor sich.

Plan für das Insolvenzverfahren ist fertig

Aber der Klub ist unterwegs. Im März hat der Verein bekannt gegeben: Ingo Brüggemann als Vorsitzender sowie Holger Stoye und Jörg Tottmann als seine Stellvertreter sollen, nach dem Rücktritt von Uwe Heinecke, als kommissarischer Vorstand eingesetzt werden. Das ist mittlerweile mit etwas Corona-bedingter Verzögerung durch das Amtsgericht Bochum erfolgt.

Ingo Brüggemann, kommissarischer 1. Vorsitzender des SC Westfalia Herne
Ingo Brüggemann, kommissarischer 1. Vorsitzender des SC Westfalia Herne © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Insolvenzverwalter Ulrich Zerrath sollte demnächst weitere Unterlagen nach Bochum schicken: „Für das Insolvenzverfahren ist der Plan fertig gestellt, in ein paar Tagen senden wir ihn zum Amtsgericht“, sagt Ingo Brüggemann.

Ehemaligentreffen mit ungewöhnlichem Begleitumstand

Das Insolvenzverfahren ist ein ungewöhnlicher Begleitumstand einer Art von Ehemaligentreffen, unter anderem mit der Rückkehr von Brüggemann und Tottmann, die bereits zusammen in der Jugendabteilung der Westfalia tätig waren. Aber es gibt weitere, die in die Vereinsarbeit zurückkehren, nicht nur wie zuletzt gemeldet im Trainerteam um Christian Knappmann.

Brüggemann, Tottmann und Stoye sind kommissarisch als Notvorstand tätig, zu tun haben sie aber in einem hauptamtlichen Umfang. Das Ziel, bestätigt Brüggemann die ersten Eindrücke der vergangenen Wochen, sei es, aus der Westfalia wieder einen funktionierenden, lebendigen Verein zu machen.

„Holger ist ein toller Analytiker mit einer Riesenerfahrung“

Dass sich Holger Stoye, Chef der Herner Wirtschaftsförderung, privat bei der Westfalia engagiert und sich, wenn alles läuft wie geplant, im Juli oder August mit Brüggemann und Tottmann zur Wahl stellen will, ist nicht nur im Wanne-Eickeler Stadtgebiet aufmerksam verfolgt worden.

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Darauf angesprochen, erklärt Brüggemann Stoyes Rolle so: „Holger ist ein toller Analytiker mit einer Riesenerfahrung. Er soll aber nicht Herne und Wanne-Eickel auf der Suche nach Sponsoren für Westfalia abgrasen. Außerdem kommen die meisten unserer Sponsoren nicht aus Herne. Auf der Brust tragen unsere Spieler zum Beispiel den Namen eines Unternehmens aus Wuppertal.“

Geschlossen ist die Tür bei der Westfalia zwar auch nicht für Unterstützung aus der hiesigen Geschäftswelt – das Stadion wird allerdings demnächst den Namen eines Unternehmens mit Sitz in Gelsenkirchen tragen.

Senioren- und Jugendbereich sollen zusammenwachsen

Zur anderen Vereinsarbeit gehört es, die Jugendabteilung weiter aufzubauen, die ein Sprungbrett zu den Senioren sein soll. Beide Abteilungen sollen auch insgesamt weiter zusammen wachsen.

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Unter anderem sollen Spieler der ersten Mannschaft jeweils Pate für eine Jugendmannschaft sein. Auf den Fußball schaut Brüggemann auch ohne Vereinsbrille und erklärt: „Dazu gehört auch, dass es ist, wie ich das vom DSC Wanne-Eickel kenne: dass man sich innerhalb des Vereins auch über die Erfolge der anderen freut.“

Das Thema Insolvenz in Ruhe abschließen

Für den Verein Westfalia Herne insgesamt gelte: „Wir wollen das Thema Insolvenz in Ruhe abschließen, auf uns wartet genug Arbeit. Vor allem an den maroden Gebäuden im Stadion. Wir müssen uns ja um jede Schraube, jedes Fenster und jedes Abflussrohr selbst kümmern“, sagt der 47-Jährige.

Fünf Jahre lang war Brüggemann jetzt in der Jugendabteilung des DSC Wanne-Eickel aktiv – warum jetzt die Rückkehr? Ingo Brüggemann spricht, noch im Tilkowski unter dem Westfalia-Schal, vom „Vereinsherz“ und knüpft später noch auf der Tribüne sachlich an: „Die Insolvenz ist eine Chance für die Westfalia. Sie war lange überfällig.“

Bis vor fünf Jahren sei er Teil einer „verschworenen Gemeinschaft“ am Schloss gewesen, sagt der kommissarische 1. Vorsitzende. Die habe sich aber damals aufgelöst. Ironisch gesagt: „Es gab Leute, die konnten’s besser als wir“, so Brüggemann.

Ausblicke bleiben betont bescheiden

So gerne Brüggemann an diesem Mittwochmorgen auch in der Sonne sitzt: die Ausblicke bleiben betont bescheiden.

Für die kommende Saison wie auch in den Spielzeiten zuvor unter Trainer Christian Knappmann setze man auf Spieler, die aus den Jugendabteilungen der Profivereine kommen. Und dort noch nicht den Sprung in den Berufsfußball geschafft haben, sich aber dorthin empfehlen wollen.

Budgetplanung „im kleinst möglichen Bereich für die Oberliga“

Bei der Budgetplanung, so Brüggemann, liege die Westfalia „im kleinstmöglichen Bereich für die Oberliga. Das ist eher ein guter Landesliga-Etat.“

Dabei solle es auch bleiben. Ob die Regionalliga ein sportliches Ziel sei? „Natürlich treten auch wir an, um jedes Spiel zu gewinnen. Und sollten wir durch Zufall mal aufsteigen, dann werden wir nicht unser Budget erhöhen. Wir wollen bestimmt nicht in die nächste Insolvenz.“

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