Herne. Herne zeigt eine erschreckende Leistung im ersten Spiel nach der Insolvenz. Knappmann nimmt kein Blatt vor den Mund, stellt sich aber vors Team.

Mehrere große Polizeiwagen mit zugehörigem Personal vor dem Stadiontor, ein Kamerateam des Westdeutschen Rundfunks am Spielfeldrand – dass das kein normaler Fußballnachmittag war, war schon vor Anpfiff am Schloss Strünkede klar: Die Partie gegen die Sportfreunde Siegen war das erste Spiel, nachdem der SC Westfalia Herne am Donnerstag Insolvenz angemeldet hatte. Und das hinterließ offensichtlich Spuren.

Für den Auflauf drumherum blieb es dann aber unspektakulär. Die Polizei (aufgrund der Vorfälle rund ums Ahlen-Spiel vor Ort) meldete einen „störungsfreien“ Einsatz. Und wenn das WDR-Team auf sportliche Highlights des SC Westfalia gehofft hatte – dann muss es auf Archivmaterial zurückgreifen.

„Ein Spiel auf unterstem Oberliga-Niveau“

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0:3 unterlagen blutleere Herner den Sportfreunden Siegen. „Das war ein Spiel auf unterstem Oberliga-Niveau“, meinte SCW-Trainer Knappmann nachher. „Not gegen Elend trifft es ganz gut. Und Siegen gewinnt dabei total verdient, denn sie haben es wenigstens geschafft, ihr Tor komplett zu schützen – egal, ob es an ihrer Stärke oder unserem Unvermögen lag.“

Knappmann war schon in der ersten Halbzeit nicht zufrieden, stellte seine Formation um, in der Pause dann nochmal. Temme in der Innenverteidigung, Temme nach vorne, Temme nach rechts. Stawski mit Hatano im Sturm, Stawski alleine vorne, Stawski Rechtsaußen. Hatano links, rechts, Mitte – Knappmann schob seine Spieler umher, aber es änderte nichts daran, dass über 90 Minuten nichts dabei herumkam.

Duyars Eigentor kurz vor der Pause bringt die entscheidende Wendung

Siegen genügte ein halbwegs engagierter, vor allem aber effizienter Auftritt, um aus einer halben Torchance und zwei Kontern einen deutlichen Sieg zu machen. Etwas mehr als 300 Zuschauer froren auf den Rängen und sahen passenderweise, wie ein Eigentor dem Spiel die entscheidende Wendung gab.

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Es lief die 39. Minute, als Siegens Till Hilchenbach nach innen brachte, Erhan Duyar hielt am ersten Pfosten das Bein rein, fälschte den Ball unglücklich und unhaltbar gegen die Laufrichtung von Torwart Seifried ins eigene Tor ab.

Seifried hatte mit seinen Fingerspitzen drei Minuten zuvor den einzigen nennenswerten Abschluss der ersten Hälfte entschärft, lenkte einen 20-Meter-Schuss von Jost über die Latte.

„Ein Spiel auf unterstem Oberliga-Niveau“

0:1 zur Pause – in einem Spiel, das Herne aufgrund der Tabellensituation (Punktabzug eingerechnet) eigentlich gewinnen musste. Knappmann brachte Mittelstürmer Smykacz zur Pause für Verteidiger Haferkorn.

Die Einwechslung verpuffte genau wie der Schachzug, Maurice Haar als Zielspieler für lange Bälle zu bringen. Das Langholz schickten die Gäste ohne große Mühe zurück Richtung Herner Hälfte. Bezeichnend war, was bei Hernes bester Schusschance passierte.

Knappmann und die Zuschauer: „Da klatschen die auch noch!“

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Nach einem abgewehrten Eckstoß fiel Pakowski der Ball genau auf den linken Fuß – von der Strafraumgrenze verzog der seinen Volleyschuss aber ins Seitenaus (60.).

Als Hatanos Versuch eines Seitfallziehers als Kullerball bei Siegen-Keeper Thies ankam und es von der Tribüne Szenenapplaus gab, meinte Knappmann Richtung Tribüne mit einem Kopfschütteln: „Da klatschen die auch noch!“ Antwort eines Zuschauers in den vorderen Reihen: „Sonst gibt es ja nichts zu klatschen.“ Den Punkt hatte er.

Zwei Treffer in den Schlussminuten entscheiden das Spiel

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Bevor Herne alles nach vorne werfen konnte, konterte Siegen einmal gefährlich, Pistor legte auf Jost, der Seifried noch nach der Ecke fragen konnte, bevor er ihn unten links einschob.

Jost traf von der Strafraumkante noch zum 0:3, Herne ließ es über sich ergehen.

Christian Knappmann verteidigt seine Mannschaft

Knappmann aber stellte sich vors Team: „Im ersten Moment war ich auch enttäuscht. Aber Kritik an den Jungs kann ich absolut nicht akzeptieren. Wir sind im fünften Monat ohne Geld – da will ich einen auf der Tribüne sehen, der dann immer noch genau so Bock auf seinen Arbeitgeber hat wie am ersten Tag. Das ist nur menschlich.“

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Die Insolvenz sei eine Chance, das war bei Westfalia Herne in den vergangenen Tagen die Stoßrichtung der Kommunikation nach außen. Das Jetzt-erst-Recht-Gefühl der vergangenen Wochen allerdings wirkt verflogen. „Ich habe der Mannschaft so einen Auftritt nicht zugetraut“, sagt Knappmann. „Wir haben gespielt, als hätten wir Bleiwesten an.“

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