Sprockhövel. Die TSG und Yakup Göksu trennen sich. Auf den neuen Coach kommt viel Arbeit zu, um in der Liga zu bleiben. Eine kommentierende Analyse.
Alle vier bisherigen Spiele im Jahr 2024 verloren, insgesamt fünf in Serie in der Oberliga Westfalen. Victoria Clarholz ist als Vorletzter nur drei Punkte entfernt, hat aber noch ein Spiel weniger absolviert. Die SG Wattenscheid hat bei vier Zählern Rückstand sogar noch zwei Partien in der Hinterhand.
Rein aus sportlicher Sicht ist die am Montagabend beschlossene Trennung der TSG Sprockhövel vom Trainer und Sportlichen Leiter Yakup Göksu nachvollziehbar. Zu handzahm präsentierte sich das Team in den vergangenen Wochen beim 1:2 gegen den 1. FC Gievenbeck, beim 0:1 gegen Westfalia Rhynern und beim 1:6 gegen Türkspor Dortmund. Die Abstiegsgefahr ist groß, sehr groß sogar. Dabei wollte man nach den Turbulenzen in der Vorsaison mit der Rettung in der Schlussphase des letzten Spieles doch eigentlich eine ruhige Saison spielen, nichts mit der bedrohlichen Zone zu tun haben, möglicherweise sogar in die obere Tabellenhälfte vorstoßen.
Doch daraus wurde nichts. Mittlerweile ist die sportliche Krise auch in den Köpfen angekommen. Das Selbstvertrauen fehlt. Ob der Trainerwechsel hin zu Andrius Balaika, von dem sich der Verein erst 2022 nach zuvor zehn gemeinsamen Jahren in offiziell beidseitigem Einvernehmen trennte, nun aber den gewünschten schnellen Aufschwung herbeiführt, dahinter stehen große Fragezeichen. Denn die Gründe für die sportliche Krise, waren nicht allein an der Seitenlinie zu finden, sie liegen tiefer.
1. Der TSG Sprockhövel fehlt der Knipser
Ein Blick auf das Torverhältnis von 29:45 lässt vermuten, dass die TSG Sprockhövel Probleme in der Defensive hat. Doch nicht die Abwehr, sondern die Offensive trieb den Zuschauern zuletzt die Sorgenfalten auf die Stirn. Keine Frage, die elf Saisontore von Mittelfeldspieler Kiyan Gilani können sich trotz der nicht unerheblichen Anzahl von Treffern nach Standards sehen lassen, und auch der 30-jährige Emre Yesilova hat mit seiner Schnelligkeit und Technik trotz bisher nur drei Toren immer noch das Zeug, in der Oberliga den Unterschied zu machen. Aber – und hier wird ein Problem der Kaderzusammenstellung deutlich, bei der sich Göksu auch einen Vorwurf gefallen lassen muss – Yesilova ist dann am stärksten, wenn er von der Außenbahn ins Zentrum ziehen kann und einen Mitspieler hat, der die Bälle hält und verteilt. Ein Typ wie Brünninghausens Florian Gondrum beispielsweise. Die TSG kann aufgrund des fehlenden Spielerprofils aber so schlicht nicht agieren und ist abhängig von Yesilova. Schon in der vergangenen Saison gab es dieses Problem, weshalb zwischenzeitlich sogar Außenverteidiger Agon Arifi im Sturm auflief.
Joshua Perea Torres hatte in dieser Saison immer wieder mit Verletzungsproblemen zu kämpfen und ist auch eher der technisch versierte Spieler, der gerne als hängende Spitze agiert. Das Gleiche gilt für den jungen Aleksandar Gudalovic, der sich für sein erstes Seniorenjahr gut schlägt, aber sicher nicht der Mann ist, der die Mannschaft tragen kann. Bei Deniz Duran hat man immer das Gefühl, dass mehr drin ist als die sieben Tore in eineinhalb Spielzeiten. Auch der 24-jährige Mittelfeldspieler hat den Durchbruch noch nicht geschafft. Dominik Wasilewski ist nicht der größte, wäre aber so ein gesuchter Spielertyp. Nach seinem starken Start in Sprockhövel ist er mittlerweile aber nur noch ein Schatten seiner selbst und kam fast immer von der Bank. Und dann gibt es noch Denizhan Yazici, der vor der Saison mit der Empfehlung von neun Treffern in der Westfalenliga kam, bisher aber den Beweis für die Oberliga-Qualität schuldig geblieben ist. Lediglich zweimal lief er für die TSG auf.
2. Die Führungsspieler sind dauernd verletzt
Jasper Stojan, Max Michels, Marcel Weiß, Ishak Dogan, Berkant Canbulut, Emre Yesilova. Eigentlich hat die TSG Sprockhövel mehr als genügend Spieler im Kader, die auf dem Platz verbal oder durch ihre Spielweise vorweggehen können. Das Problem ist aber, dass kaum einer von diesen Akteuren wirklich dauerhaft fit und somit selbst oft auf der Suche nach dem eigenen Rhythmus ist. Kapitän Stojan konnte nach seinem Achillessehnenriss noch kein einziges Spiel gestalten.
Marcel Weiß, der im Mittelfeld mit seiner Wucht und Dynamik ein ganz wichtiger Faktor sein könnte, bringt es nur auf zehn Einsätze. Krankheiten werfen ihn immer wieder zurück. Yunus-Emre Cakir hat den Verein inzwischen verlassen. Max Michels kam verletzungs- und urlaubsbedingt nur auf elf Einsätze, zuletzt spielte er Ende Oktober. So bleibt die Führung der Mannschaft an Ishak Dogan und den Neuzugängen Yesilova und Berkant Canbulut hängen, deren Körpersprache nach misslungenen Aktionen aber nicht immer zu dieser Rolle passt.
3. Die Wetten auf das Potenzial gingen bisher zu selten auf
Dass die TSG im Umfeld finanzkräftigerer Vereine eher auf junge Spieler setzt, ist völlig in Ordnung. Auch die Konzentration auf ein offensives System und weniger auf Defensivstärke ist angesichts des vorhandenen Spielermaterials logisch. Allerdings muss man auch sagen, dass einige Wetten - Stand heute - nicht aufgegangen sind. Von Perea Torres, Wasilewski und Deniz Duran hatte man sich mehr erhofft.
Aber auch Linksverteidiger Levin Müller, dessen Talent sicherlich auch für die Regionalliga reichen würde, konnte nicht an seine Leistungen aus der Vorsaison oder zu Beginn der Saison 2023/2024 anknüpfen. Felix Sauer, der in der Vorbereitung gut spielte, hat trotz guter Ansätze den Durchbruch noch nicht geschafft. Lediglich Kiyan Gilani, Denis Milic, der nach seinem Wechsel sofort zum unumstrittenen Stammspieler und Leistungsträger in der Innenverteidigung avancierte, und Mohammed Mousa, der im Mittelfeld viel fleißige Arbeit gegen den Ball leistete, nun aber wieder verletzt ist, machten den so wichtigen Schritt nach vorne. Hätte Gilani nicht plötzlich seine Torjägerqualitäten entdeckt, wäre die TSG in noch größere Schwierigkeiten geraten.
Man darf gespannt sein, wie die Mannschaft auf den Trainerwechsel reagiert. Immerhin sind einige Spieler auch wegen Yakup Göksu zur TSG gewechselt, der gute Verbindungen zu den Nachwuchsleistungszentren der Ruhrgebietsvereine hat. Klar ist: Auf Andrius Balaika wartet viel Arbeit. Sportlich wie mental.
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