Gladbeck. Im Interview spricht der Gladbecker Fußballspieler und Fitnesstrainer Marcel Lowitsch, der in den USA lebt, über Covid 19, Waldbrände und Trump.
Vor einem knappen dreiviertel Jahr ist Marcel Lowitsch in die USA ausgewandert. Seither erlebt der ehemalige Fußballspieler des SV Zweckel und Fitnesstrainer (u. a. des Gladbecker Profiboxers Salahadin Simmou) eine Krise nach der anderen hautnah mit. WAZ-Redakteur Thomas Dieckhoff sprach mit Lowitsch, der in Los Angeles als Sportdirektor einer Fußballschule seine Brötchen verdient, über die Corona-Pandemie, Black Lives Matter, Waldbrände, aber auch über die bevorstehende Präsidentschaftswahl in den Staaten.
Hallo Herr Lowitsch, als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben, gab es in Kalifornien wegen der Corona-Pandemie strikte Beschränkungen, Sie selbst mussten von ihrem Ersparten leben. Dürfen Sie inzwischen wieder für Eurosoccer USA L.L.C. arbeiten?
Ja, unsere Fußballakademie bietet für junge Talente Fußballcamps an. Wir halten alle vorgegebenen Covid-Richtlinien ein, sodass die Kinder und Jugendlichen sicher und geschützt trainieren können. Ich finde es wichtig, dass wir zurück auf dem Platz sind und ein Zeichen setzen, dass dieses Virus uns nicht unterkriegen lässt. Auch für die Kinder und Jugendlichen ist es enorm wichtig, dass diese wieder zusammen sportlich interagieren. Wir arbeiten eng mit LA Galaxy zusammen. Leider sind die Schulen und Universitäten in den USA immer noch geschlossen. Virtuelles Lernen wird nach wie vor angewandt. Das ist beispielsweise einer der vielen Unterschiede zwischen Deutschland und den USA während dieser Pandemie.
Wie ist denn die aktuelle Corona-Lage in den USA?
Die Covid-Pandemie hat die Vereinigten Staaten nach wie vor fest im Griff. Das sieht man daran, dass die Grenzen zu Kanada, Mexiko oder auch Übersee nach wie vor zu sind. In Kalifornien entschloss man sich im Juni, nachdem alles wieder geöffnet wurde, einen zweiten Lockdown vorzunehmen. Es wurden religiöse Einrichtungen, Kinos, Friseure oder auch Fitnessstudios wieder geschlossen. Das ist derzeit leider immer noch der Fall und sehr frustrierend. Die Amerikaner sind ja bekanntlich ein sehr optimistisches Volk und schwierig klein zu kriegen. Man lebt hier mit den Limitierungen und macht das Beste daraus. Garagen verwandeln sich in Gyms, Banken bieten Drive-In-Schalter an, wo man sozusagen Banking aus dem Auto tätigen kann, Friseure schneiden Haare im Freien. Für mich besonders interessant ist die Handhabung der einzelnen Staaten. Auf dem Weg zum weltbekannten Yellowstone Nationalpark im Norden der USA und den Rocky Mountains an der Grenze zu Kanada habe ich große Unterschiede gesehen. In Kalifornien ist man sehr streng bezüglich der Covid-Auflagen. In Nevada, besonders in Las Vegas, habe ich so meine Bedenken. Auf dem weltberühmten Strip in Las Vegas sah ich vor drei Wochen hunderte Menschen ohne eine Gesichtsmaske. In Utah oder Wyoming habe ich das Gefühl, dass Covid auf dem Lande kein Thema ist. Die Menschen leben das alltägliche Leben wie zuvor, als ob nichts geschehen ist.
Seit Sie in die Staaten übergesiedelt sind, hat sich dort viel getan.
Wenn Sie in einer Stadt wie Los Angeles leben, fühlen sich Monate wie Jahre an. Frank Sinatra sagte ja bekanntlich mal über New York: „If you make it here, you can make it anywhere“, also: Wenn Du es hier schaffst, schaffst Du es überall. Ich würde das mal auf Los Angeles ebenso übertragen. Eine Stadt, die aus allen Nähten platzt, jeder will hier leben, Teil eines Erfolges sein, Hollywood, Beverly Hills, Malibu… Das Leben ist sehr schnell. Das sehen die Menschen nicht, die hier einfach nur Urlaub machen oder zu Besuch kommen. Da muss man sich dran gewöhnen und sich anpassen oder man verliert sich und scheitert. Ich kenne sehr viele, die Kalifornien dafür eben nicht mögen. Schaue ich zurück, so waren das verrückte Monate. Stellen Sie sich mal vor, man wandert aus während einer Pandemie. Wieviel Unsicherheit, Limitierungen und Herausforderungen, die zum allgemeinen Auswandern noch dazu kommen. Dann die schweren Ausschreitungen in den USA nach den Mord eines Polizisten an George Floyd, Erdbeben, Waldbrände, Wirtschaftskrise. Jedoch hat mich all dieses nie zweifeln lassen. Ich wusste in dieser Hinsicht, worauf ich mich einlasse und versuche, mich auf meine Ziele zu konzentrieren.
Apropos Waldbrände in Kalifornien: Bekommen Sie davon hautnah etwas mit?
Die Waldbrände sind ein sehr ernstzunehmendes und bedrohliches Thema. Es zeigt sich erneut, dass der Klimawandel ein reales und nicht zu leugnendes, schnell voranschreitendes Problem ist. Die Brände ziehen sich durch die komplette Westhälfte des Landes. Der Staat Washington, Oregon und auch Kalifornien, wo ich lebe, sind von mehreren großen Bränden durchzogen. Ganze Nationalparks fackeln einfach ab. Menschen müssen evakuiert werden und verlieren ihre Heimat. Ich persönlich erlebe die Brände in Los Angeles dadurch, dass die Luftqualität sich enorm verschlechtert hat. Es gibt Tage, an denen Aktivitäten draußen sehr schwer fallen. Was mich jedoch viel mehr beschäftigt und über was in Deutschland weniger berichtet wird, ist das Leben in einer der Erdbeben reichsten Regionen der Welt. Das unterschätzt man manchmal. Es gab bisher zwei Nächte, in denen ich aus dem Schlaf gerissen worden bin und alles um mich herum wackelte. Das habe ich so vorher noch nie erlebt.
Was die Politik-Interessierten in Deutschland und Europa derzeit natürlich sehr beschäftigt, ist der Wahlkampf in den USA. Wie erleben Sie die heftigen Auseinandersetzungen zwischen Republikanern und Demokraten?
Als ich mich letztes Jahr entschloss, in die USA auszuwandern, habe ich mir, das muss ich gestehen, über Themen wie Rassismus, Kriminalität oder Diskriminierungen keine Gedanken gemacht. Natürlich kenne ich die amerikanische Geschichte sehr gut, ich denke, dass man aber viel mehr sieht, wenn man tatsächlich hier lebt. Ich erlebe gerade während der Wahlen sehr viel Rassismus. Sei es Hautfarben-bedingt oder einfach nur wegen der unterschiedlichen politischen Einstellung. Ich erlebe, wie das republikanische Lager Demokraten hasst und andersherum ebenso. Sie müssen wissen, es ist in den Staaten ein sehr sensibles Thema. Man sollte hier nicht mit Arbeitskollegen oder Bekannten über Politik reden. Das wird einem in Amerika sehr schnell übel genommen. Es ist nicht so tolerant wie in Deutschland, wo es die SPD, CDU, FDP oder die Linke gibt und auch eine andere Meinung respektiert wird, ohne dass man sich beleidigt fühlt. Hier gibt es Donald Trump oder Joe Biden. Das sind zwei komplett verschiedene Richtungen und das heizt vieles auf.
Bei uns in Deutschland herrscht oft Fassungslosigkeit, wenn der US-Präsident twittert oder Pressekonferenzen gibt. Wie nehmen Sie das wahr?
Ich nehme den derzeitigen US-Präsidenten als ein Amtsoberhaupt wahr, der versucht, das amerikanische Volk zu schützen und die Wirtschaft zu stabilisieren. Sicherlich manchmal für uns Deutsche auf eine etwas ungewöhnliche Art und Weise und in erster Linie aus nur amerikanischem Interesse.
Meine abschließende Frage: Stehen Sie weiterhin mit Profiboxer Salahadin Simmou in Kontakt? Könnten Sie sich vorstellen, ihn für den nächsten großen Kampf – wann immer der stattfinden wird – wieder fit zu machen?
Salahadin ist ein Athlet, mit dem es immer Spaß macht zu arbeiten. Die Familie um ihn herum und das gesamte Umfeld arbeitet sehr eng zusammen für den Erfolg, den wir beispielsweise hatten (Gewinn des EM-Titels im vergangenen Februar, d. Red.). Ein Teil dessen zu sein, wird immer ein Thema sein. Wenn die Grenzen wieder auf sind, sehe ich da nie ein Problem. Im Gegenteil, ich glaube, dass die Ambitionen da sehr hoch sind. Es geht schließlich um einen Europameister, der seinen Titel verteidigen muss und auch mal um die WM boxen sollte.
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