Jessica Steiger überwindet in Kopenhagen einige Schwierigkeiten. Und setzt dann einen Karrierehöhepunkt.
Am Montagnachmittag ist Kopenhagen für Jessica Steiger schon wieder weit weg. Sie ist gerade in Berlin gelandet, 350 Kilometer Luftlinie von der dänischen Hauptstadt entfernt. Doch wenn sie redet, ist sie wieder in der Royal Arena in Kopenhagen: Steiger auf Bahn eins, neben ihr die Dänin Rikke Möller Pedersen, Weltrekordhalterin auf der Langbahn. Es ist das 200-Meter-Brust-Finale der Kurzbahn-EM.
„Ich habe gar nicht über eine Zeit nachgedacht. Ich war einfach froh im Finale zu sein, weil ich morgens nicht richtig aus dem Quark gekommen bin.“ Immerhin als Siebte zog sie in den Endkampf ein, wo sie neben der Dänin schwamm. „Ich dachte mir: Einfach nur genießen.“
Im Vorlauf tat noch jeder Zug weh
Wenn Steiger sich an die Minuten im Wasser erinnert, überschlägt sich ihre Stimme leicht. „Ich habe teilweise zeitgleich mit der Dänin geatmet. Ich habe richtig gehört, wie die Halle bei jedem Zug mitgegangen ist, die Halle hat gebebt. Ich habe im Wasser fast Gänsehaut bekommen. Und auf der Welle bin ich dann mitgeschwommen.“
Im Vorlauf habe jeder Zug wehgetan, das Finale lief wie von selbst – als sie dann als Fünte anschlug, war Steiger „einfach nur noch happy“. Und Trainer Harry Schulz natürlich auch.
Vorbereitung lief nicht optimal
2:20,84 Minuten – die 2:20 hatte Schulz angepeilt, die 84 waren am Ende 0,4 Sekunden zu viel für den Deutschen Rekord. Trotzdem ein großer Erfolg. „2:20 waren ja das Ziel, dazu vielleicht den Rekord – aber ehrlich gesagt hatte ich nicht richtig damit gerechnet. Die Vorbereitung nach dem Höhentraining war nicht optimal.“
Steiger wurde krank, konnte im Training nicht die eigentlich nötige Belastung erfüllen. Und das war nicht das einzige Hindernis.
Fehler in der Staffel hielt Steiger lange wach
Mit der gemischten 4x50-Meter-Lagenstaffel hatte Steiger am Donnerstag noch Platz vier belegt. Und damit zwar einen Deutschen Rekord aufgestellt und die persönlichen Erwartungen an sie selbst übertroffen. Doch eine Wende verpatzte Steiger als Schlussschwimmerin – das kostete ihrer Mannschaft wohl eine Medaille, womöglich sogar Gold.
„0,08 Sekunden, das ist eine Fingerkuppe“, sagt Steiger. „Ehrlich gesagt, ich habe es gar nicht verarbeitet. Als Letzte fühlt man sich immer verantwortlich – aber wir hatten einen tollen Zusammenhalt im Team, keiner hat mir Schuld gegeben“, sagt Steiger. „Ich lag abends aber lange wach. Man muss das abhaken: Hätte, hätte, Fahrradkette – das hilft nichts.“ Sie hakte es ab und besorgte sich ihr persönliches Highlight am Sonntagabend über 200 Meter.
„Das bisher geilste Erlebnis meiner Karriere!“
„Ich kann es gar nicht beschreiben – eigentlich muss man dabei gewesen sein“, sagt Steiger. „Wirklich verstanden habe ich das noch nicht. Ich war zwar schon bei der EM in London und in Taipeh – aber das war hiermit nicht zu vergleichen.“ Auf Facebook schrieb sie nachher: „Das bisher geilste Erlebnis meiner Schwimmkarriere!“
Sie brauche ein paar Tage, um das zu verarbeiten, sagt Steiger. Heiligabend sei immerhin trainingsfrei. Dann kann sie im Rückblick staunen und genießen – in Gladbeck, 600 Kilometer entfernt von Kopenhagen.