Gelsenkirchen. Der Multi-Kulti-Klub schaffte es bis in die Bezirksliga und lebte vom großen Zusammenhalt. Irgendwann bröckelte die Kameradschaft.

Es wäre eine interessante Preisfrage: Wie hieß der erste Gelsenkirchener Verein mit ausländischen Wurzeln, der den Sprung in eine überkreisliche Fußball-Liga geschafft hat?

FC Istanbul: Intermezzo in der Bezirksliga

So mancher wird jetzt sofort an YEG Hassel denken. Völlig falsch. Und auch Firtinaspor und Gençlerbirliği Resse sind nicht die gesuchten Antworten.

Richtig ist: 1. FC Istanbul Gelsenkirchen.

In der Saison 1994/95 durfte der inzwischen von der Landkarte verschwundene Klub ein kurzes Intermezzo in der Bezirksliga geben.

Es war der Höhepunkt in der Geschichte eines Vereins, der sich gerade einmal ein knappes Vierteljahrhundert als eine sportliche und kulturelle Heimat nicht nur für türkische Fußballfreunde verstand.

Hus lobt die tolle Kameradschaft

„Es war eine sehr schöne Zeit“, erinnert sich Naim Hus, der lange Jahre die Fußballschuhe für den 1. FC Istanbul geschnürt hat. „Es herrschte eine tolle Kameradschaft innerhalb der Mannschaft.“

Eine Mannschaft, die hauptsächlich aus gebürtigen Türken, aber auch aus Iranern, Marokkanern, Jugoslawen und Deutschen bestand.

„Mensch ist Mensch“, hatte Cetin Yüce, ein Spieler, schon vor fast drei Jahrzehnten betont: „Uns ist egal, welche Nationalität jemand hat.“ Diese Einstellung lebte der Klub auch außerhalb des Platzes vor.

Verschiedene Kulturen begegneten sich

Einmal jährlich veranstaltete er ein deutsch-türkisches Fest, bei dem sich verschiedene Kulturen auf folkloristische und kulinarische Weise begegneten.

Nach der Gründung im Jahre 1978 spielten die Istanbuler zunächst im ASV-Verband. Aber schon im folgenden Jahrzehnt folgte die Aufnahme im Deutschen Fußball-Bund.

Anfangs spielte der 1. FC Istanbul auf der Sportanlage an der Albert-Schweitzer-Straße in Beckhausen, später wechselte er zum Schürenkamp nach Schalke-Süd.

Jeder war beim FC Istanbul willkommen

Zu dieser Zeit hatte sich längst herumgesprochen, dass beim 1. FC Istanbul jeder willkommen ist. Auch der ehemalige Nationaltorhüter Norbert Nigbur, der 1972 mit dem FC Schalke 04 den DFB-Pokal gewann, hinterließ seine Fußstapfen bei dem seinerzeit aufstrebenden Klub.

Er stellte sich unentgeltlich als Trainer zur Verfügung. Naim Hus erinnert sich sehr gerne an den prominenten Vereinskollegen.

Nigbur machte beim FC Istanbul mit

„Er hat uns nicht nur fußballerisch einiges beigebracht, er hat uns auch finanziell unterstützt“, sagt der ehemalige Bergmann rückblickend. Sportlich hatte der 1. FC Istanbul seine beste Zeit in der ersten Hälfte der 1990er Jahre.

Bis zum Ende der Saison 1989/90 spielte der Klub in der Kreisliga C, und bereits vier Jahre später durfte er über den Meistertitel in der Kreisliga A und den damals noch verbundenen Direktaufstieg in die Bezirksliga jubeln.

FC Istanbul: Eine starke Saison

Die Saison 1993/94 war eine einzige Erfolgsstory. Mit 50:10 Punkten und 53:28 Toren lag der 1. FC Istanbul in der Abschlusstabelle mit nur einer Niederlage zehn Zähler vor Fortuna Gelsenkirchen.

Auf den weiteren Rängen folgten der VfB Gelsenkirchen und die Sportfreunde Haverkamp. Diese Namen machen deutlich, wie sehr sich das Bild im Oberhaus des Fußball-Kreises inzwischen verändert hat.

Auch in der Bezirksliga konnte der 1. FC Istanbul, der mit Bernd Esper als Trainer in die Saison startete, an sich recht gut mithalten. Am Ende stand trotzdem der sofortige Wiederabstieg.

Zwei Zähler fehlten zur Rettung

Es fehlten zwei Zähler zum Klassenerhalt. 23:37 Punkte und 31:37 Tore reichten nur zum vorletzten Platz.

Daran konnte auch Klaus Schmidtchen nichts ändern. Der spätere Trainer des SV Horst 08 hütete damals das Tor des 1. FC Istanbul.

Anschließend hielt sich der Klub mit den türkischen Wurzeln mit wechselndem Erfolg noch acht Jahre lang im Kreis-Oberhaus.

Kameradschaft bröckelte

In der Saison 2002/03 langte es aber auch dort nicht mehr zum Liga-Verbleib. In der Kreisliga B trat der 1. FC Istanbul nicht mehr an, er verschwand von der Bildfläche.

Nachdem Ali Akbas, ein Geschäftsmann, der den Verein als Vorsitzender jahrelang finanziell unterstützt hatte, in die Türkei zurückkehrt war, bröckelte die Kameradschaft.

„Zum Schluss stand nur noch das Geld im Vordergrund“, weiß Naim Hus aus Erzählungen, „deshalb ist der Verein kaputt gegangen.“

Er selbst hatte sich damals längst zu Vartanspor Mülheim verabschiedet. Zurück bleibt die Erinnerung an einen Klub, der dank seiner kurzzeitigen sportlichen Erfolge für sich in Anspruch nehmen darf, eine Art Vorreiterrolle für ebenfalls türkischstämmigen Vereine YEG Hassel, Firtinaspor und Gençlerbirliği Resse gespielt zu haben.

„Wir waren damals wie eine Familie“, sagt Hus etwas wehmütig. Eine Familie, die nach knapp 25 Jahren leider auseinanderbrach.