Gelsenkirchen. Hanna Stahl spielte nie im Verein Fußball. Doch dann nahm sie am Sichtungstraining für die Schalker Damen teil – und überzeugte.
Hanna Stahl war nur einmal überfordert: beim Aufwärmen. Als es beim Sichtungstraining für die neu gegründeten Damenmannschaften des FC Schalke 04 darum ging, möglichst schnell mit dem Fußball um Hütchen zu dribbeln, stieß sie an ihre Grenzen.
„Das war schon eine Herausforderung für mich. Solche Übungen hatte ich vorher noch nie gemacht“, erinnert sich die 17-Jährige an diesen Tag im Juli 2020. Kein Wunder, schließlich war das Sichtungstraining auf Schalke das erste richtige Fußballtraining, das Stahl überhaupt mitmachte.
Im Verein hatte sie zuvor nie gespielt. Inzwischen kann sie aber über die Aufwärm-Szene lachen, denn in den Kader der Königsblauen hat sie es trotz der fehlenden Erfahrung geschafft.
Und nicht nur das. Stahl ist sogar Stammspielerin im Team „Weiß“; der Mannschaft, die auf junge, talentierte Spielerinnen ausgerichtet ist. Natürlich handelt es sich hier erstmal „nur“ um ein Kreisliga-A-Team, denn in dieser Spielklasse sind die Schalker im vergangenen Sommer mit dem Projekt Frauenfußball gestartet. Stahls Aufstieg ist aber selbst für Kreisliga-Verhältnisse ungewöhnlich.
Nicht getraut, in Verein zu gehen
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Statt im Verein zu spielen, kickte die gebürtige Hernerin in den vielen Jahren vor dem Sichtungstraining nur auf dem Bolzplatz. „Ich wollte schon als Kind im Verein spielen. Ich habe mich aber nicht getraut, weil ich zu schüchtern war“, erzählt Stahl und fügt hinzu: „Stattdessen war ich oft mit Freunden auf dem Sportplatz. Da habe ich vor allem mit Jungs gespielt. Und als ich dann älter wurde, dachte ich, dass es zu spät ist, in einen Verein zu gehen.“
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Zu schüchtern für den Schritt in den Verein? Wer heute mit Hanna Stahl spricht, kann sich das gar nicht vorstellen. Die 17-Jährige wirkt souverän und selbstbewusst, gibt klare Antworten. So auch auf die Frage, warum sie im Juli 2020 dann doch plötzlich auf dem Trainingsgelände des FC Schalke 04 vorspielte?
„Mein Vater“, verrät Stahl, „hat mir erzählt, dass Schalke eine Damenmannschaft gründen möchte. Ich konnte mir zwar nicht vorstellen, dass die jemanden wie mich mit so wenig Erfahrung nehmen. Aber ich habe es trotzdem probiert, ich hatte ja nichts zu verlieren.“
Zu ihrer eigenen Überraschung war das Aufwärmen die größte Herausforderung während der Einheit: „Sonst lief das Training sehr gut. Auch wenn ich nicht wusste, wie die Trainer genau bewerten, war ich sehr optimistisch“, erinnert sich Stahl.
Trainer ist von Stahl beeindruckt
Die Zusage erhielt sie beim zweiten Sichtungstraining – und zwar von Trainer Boris Liebing persönlich. „Ich habe mich natürlich sehr gefreut. Ich hatte nicht wirklich erwartet, dass ich mit so wenig Erfahrung dabei bin“, beschreibt Stahl ihre Reaktion. Coach Liebing war auf Anhieb von ihren Qualitäten überzeugt: „Hanna ist sehr ehrgeizig“, lobt er.
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„Vom ersten Training an hat man gesehen, dass sie Lust hat, sich zu verbessern. Natürlich gibt es noch Dinge, an denen sie arbeiten kann. Aber sie hat jede Menge Talent.“ Dass Stahl vorher noch nie im Verein gespielt hatte, überraschte auch Liebing: „So etwas passiert in dieser Form selten. Aber Hanna hat sich gegen Spielerinnen durchgesetzt, die schon lange im Verein sind. Sie spielt ihre Position so gut, dass ich sie bedenkenlos aufs Feld schicken kann.“
Ihre Position? Das ist bei Stahl die linke Verteidigung. „Hanna ist sehr zweikampfstark und lässt sich nicht so einfach abschütteln. Ich sehe sie deshalb in der Innenverteidigung oder auf den defensiven Außenbahnen“, meint Trainer Liebing. Dass die linke Verteidigung ihr bevorzugter Aufenthaltsort auf dem Platz werden könnte, ahnte Stahl vor dem Sichtungstraining aber noch nicht. „Auf dem Sportplatz habe ich selten in der Verteidigung gespielt“, erzählt sie und stellt fest: „Aber ich merke, dass ich mich da wohl fühle. Das ist die richtige Position.“
Nächste Herausforderung: Der Aufstieg
Auch abseits des Platzes gefällt es der 17-Jährigen gut: „Alle sind sehr sympathisch. Ich kann mir keine bessere Mannschaft wünschen.“ Für die Zeit nach dem Corona-Lockdown hat Stahl bereits ein Ziel: „Wir möchten da weitermachen, wo wir aufgehört haben und Spiele gewinnen. Wenn am Ende der Aufstieg steht, nehmen wir ihn gern mit“, sagt sie.
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Angesichts einer Bilanz von vier Siegen aus vier Spielen ist der Sprung in die Bezirksliga auf jeden Fall möglich. Der Aufstieg ist also die nächste Herausforderung für Hanna Stahl. Nach den vielen Trainingseinheiten in den Monaten vor dem Lockdown ist das Aufwärmen schließlich kein Problem mehr.
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