Gelsenkirchen. Für Tim Hoogland ist der Keller-Krimi zwischen Mainz und Schalke gleich doppelt nervenaufreibend, denn er hat beiden Vereinen viel zu verdanken.
Er ist in Marl auf Kohle geboren, als Junge mit blau-weißem Schal ins Parkstadion gepilgert und später in der Knappenschmiede zum Profi gereift: Aktuell ist Tim Hoogland, der bis Juni bei Melbourne Victory in Australien unter Vertrag stand, zurück auf Schalke, wo er sich auf eine künftige Trainerkarriere vorbereitet. Doch am Samstag (15.30 Uhr/Sky), wenn Königsblau zum Keller-Krimi beim Schlusslicht FSV Mainz 05 gastiert, ist Hoogi vor allem eines: leidenschaftlicher S04-Fan.
Tim Hoogland, Sie haben sowohl für Mainz als auch für Schalke in der Bundesliga gespielt – für wen schlägt Ihr Herz bei diesem Duell?
Tim Hoogland Ganz klar für Schalke. Ich hatte drei wahnsinnig tolle Jahre in Mainz und war dort zuletzt sogar Kapitän in der Bundesliga. Aber ich bin im Herzen nun mal Schalker, und ich hoffe, dass nun endlich mal wieder ein Sieg rausspringt. Auch wenn das für die bislang noch punktlosen Mainzer natürlich mehr als bitter wäre.
Der 18. empfängt den 17., beide Mannschaften sind noch sieglos, beide haben ein desolates Torverhältnis – wer hat heute die besseren Karten?
Ich will hier keinem die Favoritenrolle zuschieben. Beide Vereine haben vor diesem Spiel wahnsinnig viel Druck und Stress. Ich sehe die Ausgangsposition für beide Teams ziemlich gleich, zumal auch der Mainzer Heimvorteil ohne Fans keiner ist. Es wird ein Spiel, das einerseits über den Willen und die Einstellung entscheiden wird. Andererseits brauchst du jetzt auch mal Glück, diesen einen kleinen Moment, der dich in so einem Schlüsselspiel entscheidend nach vorne bringt: irgend so ein blödes – Verzeihung – Kack-Tor im richtigen Augenblick.
Warum kann Schalke sich nicht einfach mal schütteln, da rausgehen und ein richtig gutes Spiel abliefern? Nach dem Motto: Jetzt zeigen wir’s allen!
Das ist nicht so einfach in der Situation, in der die Mannschaft gerade steckt: Die Zahl 22 steckt viel zu weit drin im Kopf. Nach so vielen Bundesliga-Spielen ohne Sieg wirkt das gesamte Teamgerüst derzeit einfach sehr, sehr wackelig. Man muss nur das vergangene Spiel gegen den VfB Stuttgart betrachten: Ich fand, von der Einstellung her war die erste Halbzeit durchaus ein Schritt nach vorn, und dann gelang Schalke sogar die Führung. Normalerweise ist das eine gute Ausgangsposition. Aber in der momentanen Situation? Wenn der Gegner nur ein Tor erzielt, wird’s schon wieder sehr, sehr schwierig, weil du diese schwarze Serie einfach immer im Hinterkopf hast.
Kevin Kuranyi äußerte zuletzt an dieser Stelle Zweifel an der Qualität im Schalker Kader.
Ich glaube, jeder Bundesliga-Profi hat auch die Qualität für diese Liga. Zudem habe ich noch immer die Hinrunde der vergangenen Saison im Kopf. Da war fast dieselbe Mannschaft Bundesliga-Fünfter! Die Qualität ist also da, die Frage ist nur: Wie kriegst du die jetzt möglichst schnell auf den Platz?
Gute Frage, wie denn?
Mal abgesehen von taktischen Feinheiten, musst du einfach mal ein Spiel gewinnen. Ich bin sicher: Wenn diese schwarze Serie einmal überwunden ist, dann fällt eine ganz, ganz große Last von der Mannschaft ab. Aber dahin gelangst du nur über den absoluten Willen. Dazu gehört auch, dass man den unbedingten Weg zum Tor sucht, notfalls einfach mal aus der zweiten Reihe abzieht und nicht versucht, den Ball ins Tor zu tragen.
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Schalkes mit Abstand bester Distanzschütze ist der ehemalige Mainzer Suat Serdar. Aber der fällt nach wie vor verletzt aus.
So ein wichtiger Mann fehlt der Mannschaft natürlich enorm in dieser Situation. Er ist ja nicht umsonst Nationalspieler geworden.
Dafür sorgte zuletzt die Fraktion der 19-Jährigen für Lichtblicke beim FC Schalke 04: Jungs wie Can Bozdogan oder Malick Thiaw, der gegen den VfB Stuttgart das 1:0 erzielte.
Für einen jungen Spieler gibt es nichts Schöneres, als bei den Profis ins Team zu kommen – vor allem, wenn es in der Mannschaft gut läuft. Dann wirst du als 19-Jähriger quasi mitgetragen. In solch einer Phastorsten fröhlinge, die Schalke gerade durchmacht, ist das schon wesentlich schwieriger. Doch der Verein ist ein Stück weit auf den Nachwuchs angewiesen, und eines ist klar: Die Jungs, die jetzt den Sprung schaffen und aus dieser Situation gestärkt hervorgehen, werden auch in Zukunft ihren Mann stehen. Auf die kannst du dich verlassen.
Andererseits machen junge Spieler auch mal Fehler.
Klar, aber du musst doch im Hinterkopf haben, wofür Schalke eigentlich steht und was die Fans sehen wollen: Wenn solche Jungs immer Gas geben, dann verzeiht man ihnen auch den einen oder anderen Fehler.
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Klingt ein Stück weit nach Neuaufbau – auch mit Blick auf einen möglichen Abstieg?
Nein, nein, so darf man das nicht sehen. Wenn man sieht, wie der Hamburger SV jetzt schon im dritten Jahr in der 2. Liga rumkrebst, das ist schon hart. So was kann und will ich mir für Schalke nicht vorstellen. Das wäre der falsche Denkansatz. Du musst jetzt in der Hinrunde noch so viele Punkte sammeln wie irgend möglich, um dir eine halbwegs gute Ausgangsbasis für die Rückrunde zu verschaffen. Und dann geht’s weiter.
Und wie geht’s für Tim Hoogland weiter? Sie haben im Juni ihr Australien-Abenteuer in Melbourne beendet, sind seither als Profi vereinslos.
Das stimmt, und so ganz offiziell hab ich meine Spielerkarriere noch nicht beendet. Dennoch: Ich bin mittlerweile 35, hatte eine tolle Zeit, aber ich muss jetzt schauen, wie meine Zukunft aussieht. Für mich endet gerade eine siebenwöchige Hospitation beim FC Schalke 04, in dieser Woche habe ich mir den Bereich Nachwuchs-Scouting angeschaut. Zuvor durfte ich auch bei zahlreichen Teams der Knappenschmiede reinschnuppern, unter anderem bei der U 17 und der U 23. Als nächstes werde ich wohl meine Trainerausbildung beginnen.
Bleibt noch eine Frage: Wer gewinnt im Keller-Krimi zwischen Mainz und Schalke?
Ich tippe auf ein 2:0 für Schalke. Aber es wird ein ganz enges Ding, die Entscheidung fällt erst in der allerletzten Minute.
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