Dülmen. 60 Jahre ist es her, dass ein damals 13-jähriger Gelsenkirchener Olympia-Gold als Steuermann im Rudern gewann. Das Feiermotto: Brause statt Bier.
Es ist Party: Heinz Renneberg und Bernhard Knubel feiern am 3. September 1960 im Olympischen Dorf von Rom ausgelassen ihren Gold-Triumph. „Die sind rundgegangen“, sagt Klaus Zerta, der Steuermann des Zweiers, und schmunzelt auch 60 Jahre später noch. Für den jüngsten deutschen Olympiasieger – 13 Jahre und 283 Tage – gibt es an diesem Tag nur Brause. Und? „Einer von den beiden hat mich in die Unterkunft gebracht und gesagt: Dann bis später!“
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An jenes Später im Dreibett-Zimmer kann sich Klaus Zerta noch ausgezeichnet erinnern. „Die haben mir Bälle auf den Kopf gehauen, und da war ich wieder wach“, sagt der 73-Jährige. „Die hatten ganz schön was getrunken, aber das kann ich verstehen“, erzählt er. „Sie haben gezeigt, wie viel Bier auch mal ein Gelsenkirchener trinken kann.“ Es ist der Tag, an dem sich Heinz Renneberg, Bernhard Knubel und Klaus Zerta im Geschichtsbuch der Stadt einen Platz für die Ewigkeit sichern und für den größten Erfolg in der Historie des Rudervereins Gelsenkirchen sorgen.
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Etwa anderthalb Jahre vor jenem 3. September 1960 beginnt die Erfolgsgeschichte, die so eigentlich gar nicht geplant gewesen ist. „Das kam für mich ganz plötzlich, das hat mich unerwartet getroffen“, sagt Klaus Zerta. Eigentlich hat dieses Boot nämlich Heinz Rennebergs Sohn gesteuert. „Der war aber zu klein“, erinnert er sich. „Es hatte sich herumgesprochen, dass ich auch andere Boote gesteuert habe, Vierer und Achter.“ Und so ist die Entscheidung der späteren Gold-Ruderer an der Uferstraße auf Klaus Zerta gefallen. „Sie haben mich“, sagt er, „zu ihrem Hauptsteuermann ernannt.“
Das Trio des RV Gelsenkirchen: Zwei Männer und ihr Findelkind
Eine weise Entscheidung. Zumal Klaus Zerta in diesem Moment nicht nur zwei erwachsene Männer kennengelernt hat, sondern offensichtlich auch zwei Kumpel. „Die beiden waren ein Herz und eine Seele und haben sich 100-prozentig verstanden“, sagt er. „Sie haben mich als Findelkind angenommen, auf mich aufgepasst und auf Händen getragen. Das war so, als hätte ich zwei Väter gehabt.“ Die beide schon tot sind. Heinz Renneberg, der Ältere des Ruder-Duos, ist 1999 vier Tage vor seinem 72. Geburtstag gestorben und Bernhard Knubel bereits 1973 an Krebs. Gerade mal 34 Jahre alt. „Schade!“, sagt Klaus Zerta und wirkt für einen Moment sehr, sehr traurig.
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Aufregend sind die Olympischen Spiele 1960 für Klaus Zerta schon, bevor sie beginnen. Einkleiden, alle deutschen Athleten in der gleichen Uniform. „Ich musste aufpassen, dass mir der Hut nicht in die Augen rutscht“, sagt er und zeigt ein Bild in seinem Olympia-Fotoalbum. Und dann die Reise, die einer Weltreise gleichgekommen ist, weil die Regatten das Trio zuvor kaum weiter als nach Essen oder in andere Städte des Ruhrgebietes geführt haben. „Ich glaube nicht, dass die beiden schon mal in einem Flugzeug gesessen hatten“, sagt Klaus Zerta. „Ich sowieso nicht.“
Kontakt zu den Steuermann-Kollegen, die ebenfalls Gold gewonnen haben
Die Ruderer reisen frühzeitig in Italien an, um sich an die Regattastrecke auf dem Albaner See zu gewöhnen. Das gelingt dem Trio des RVG, wie sich später herausstellt, mit ihrem Boot ausgezeichnet. Es ist das einzige mit liegendem Steuermann, in dem Klaus Zerta hinter Heinz Renneberg und Bernhard Knubel in Fahrtrichtung blickt. „Ich weiß gar nicht mehr, wer uns das geliehen hatte. Wir hatten kein eigenes“, sagt er.
Und dann der Tag des Rennens: 2000 Meter bis zum Olympiasieg. „Wir sind früh aufgestanden“, erinnert sich Klaus Zerta. „Mit meinen damals 13 Jahren wusste ich gar nicht, was nervös ist. Da habe ich es gemerkt. Ich musste aufpassen, dass ich keinen Fehler mache. Wenn ich mich versteuere, ist das ganze Rennen im Eimer.“
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Dazu kommt es nicht. „Ich war davon überzeugt, dass wir gut durchkommen“, sagt Klaus Zerta, der übrigens auch heute noch Kontakt zu seinen 76-jährigen Olympiasieger-Steuermannkollegen Willi Padge (Achter) und Michael Obst (Vierer) hat. Es geht darum, die Spur zu halten. Das gelingt dem deutschen Boot, auch wenn Klaus Zerta in der Schlussphase mal schreien und um etwas mehr Tempo bitten muss, weil der Vorsprung auf das Silber-Boot der Sowjetunion und das Bronze-Boot der USA schrumpft. Trotz der brütenden Mittagshitze. „Das war schon schwer“, erinnert er sich. „Aber wenn du weißt, dass du etwas Großes gewinnen kannst, interessiert dich die Sonne nicht. Durch den Fahrtwind hatten wir auf dem großen Kratersee, auf dem ein guter Luftzug rüberkam, auch Frischluft.“
Steuermann Klaua Zerta muss mit dem Sandsack zum Nachwiegen
Und was ist das für ein Gefühl, als Olympiasieger über die Ziellinie zu fahren? „Im ersten Moment fühlst du gar nichts“, antwortet Klaus Zerta. „Als wir dann aber ausgestiegen sind, habe ich es doch bemerkt.“ Er hat es nach dem Nachwiegen mit seinem Sandsack – „ich hatte ja keine 50 Kilo“, erzählt er – auch gespürt. „Die haben mich an zwei Armen und zwei Beinen gepackt“, erzählt er, „und rein ins Wasser.“ In den Lago Albano. „Das war schon schön“, sagt Klaus Zerta. „Ein Ereignis, an das sich ein Sportler immer gerne erinnert.“
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Und dann wollen alle deutschen Ruderer schnell nach Hause. „Was interessierte die Rom?“, fragt der Steuermann der Olympiasieger-Zweiers von 1960 und schmunzelt. Erst einmal sind der 32-jährige Heinz Renneberg und der 22-jährige Bernhard Knubel aber noch rundgegangen – ohne den 13-jährigen Klaus Zerta.