Essen. Essener Tenniscrack gehört in seinem Alter zu einem elitären Kreis der „fantastischen Vier“. Nach der DM in Essen geht es weiter zur Masters-WM.

Spiel, Satz, Sieg – das ging flott. Die ersten Glückwünsche, reine Routine. Niemand, auch Herbert Althaus (Harburger TuHC) hatte nichts anderes als den Sieg erwartet. Als hoher Favorit schnappte er sich bei den deutschen Seniorenmeisterschaften in Tennis-Zentrum des Verbandes Niederrhein entsprechend souverän den Titel mit einem 6:3 und 6:1 gegen Werner Marx (ASV Dachau). Etwas Besonderes hat dieser Erfolg dann dennoch, denn der ehemalige Essener ist Meister in der neu geschaffenen Ü90-Altersklasse.

Beim nationalen Wettstreit an der Hafenstraße, der noch bis Sonntag dauert, geht es allgemein eher beschaulich zu. Auf den Plätzen spulen erstaunlich rüstige Oldies ihr Pensum ab. Da ist noch richtig Zug drin, auch wenn man über einen Trolley schmunzeln kann, der auf dem Weg in die Kabine die schwere Schlägertasche ersetzt.

Man kennt sich im Tennis-Zirkus der Altersklassen

Auf den Bänken am Rand sitzen ein paar ältere Herrschaften und schauen zu. Hier ein nettes Wort, da ein Lob. Man kennt sich im Tennis-Zirkus der Altersklassen. Und Herbert Althaus kennen sie sowieso. Er ist schon so lange dabei. Im Oktober wird er 90, und man kann nur ungläubig staunen über diesen drahtigen Senior, den man locker 20 Jahre jünger schätzt. „Es sind die Gene“, antwortet Althaus dann immer, nicht etwa ein besonders gesunder oder gar asketischer Lebensstil.

Über eine gelungene Premiere des Ü90-Wettbewerbs freuen sich mit Turnierleiterin Sabine Gerke-Hochdörffer (Mitte) die Teilnehmer (von links) Franz Schlüter, Herbert Allthaus, Werner Marx und Gerhard Walkerling.
Über eine gelungene Premiere des Ü90-Wettbewerbs freuen sich mit Turnierleiterin Sabine Gerke-Hochdörffer (Mitte) die Teilnehmer (von links) Franz Schlüter, Herbert Allthaus, Werner Marx und Gerhard Walkerling. © Hantel | Hantel, Rolf

Indizien dafür gibt’s genug: Der verstorbene Vater Alfred war Olympia-Teilnehmer 1928 in Amsterdam über 800 Meter, startete erst als Rentner mit dem Langstreckenlauf und hält den Weltrekord über 10.000 Meter bei den über 90-Jährigen. Mit 94 Jahren wurde er in Südafrika sogar Weltmeister über diese Distanz. Althaus Bruder Günter lebt in Essen und ist mit 75 noch ebenso fidel.

In der AK 90 spielen die fantastischen Vier

In der AK 90 gab es bei der DM in Bergeborbeck allerdings nur noch drei Konkurrenten für Herbert Althaus, man spricht da wohl vom demoskopischen Faktor. Aber im Prinzip sind diese fantastischen Vier keine verbissenen Gegner, sondern eher ein befreundeter Ältestenrat, der sich auch in der Gaststätte des Tennis-Zentrums zusammensetzte. Der Wirt hatte extra für das muntere Quartett ein „Ü90“-Schild auf dem Tisch platziert – ein kleiner Stammtisch.

Es sind die Gene
Tennis-Senior Herbert Althaus, der im Oktober seinen 90. Geburtstag feiert.

Geselligkeit und Harmonie waren und sind für Herbert Althaus noch immer ein steter Antrieb, dabei zu bleiben. Ja, der Freundeskreis scheint bei allem Ehrgeiz manchmal sogar wichtiger zu sein als Schläger und Filzball.

„Ich muss noch eben duschen, und dann will ich möglichst schnell zurück nach Hamburg“, drängt Althaus, der eine schwarz-rot-goldene Trainingsjacke mit dem Emblem des Deutschen Tennisbundes trägt. Der Tag ist eng getaktet. Unmittelbar nach dem Turnier in Essen steht ab 10. März die Masters-WM in der Türkei an, auch dort zählt Althaus zu den Favoriten, der gleich noch ein Paradebeispiel für seine prächtige Kondition liefert: „Ich bin am Mittwochabend um 21 Uhr im Hotel und am nächsten Tag um 10 ist schon das erste Spiel.“

Sein Alter macht ihn zum spannenden Interview-Partner

Es sei doch schon so viel über ihn geschrieben worden, sagt er. Was solle er da noch erzählen? Allein sein hohes Alter hat ihn zum spannenden Interviewpartner gemacht, sein Aussehen verblüfft und schließlich ist er ja auch Weltranglisten-Zweiter bei der Ü90. Nein, die Zahl seiner Turniersiege wisse er nicht. Wie viele Titel er gewonnen habe? „Keine Ahnung“, winkt Althaus ab. Dann kommt er aber doch noch ins Plaudern, das Leben hat ihm schließlich genug Anekdoten spendiert.

In Duisburg geboren, zogen seine Eltern früh mit ihm nach Essen. An Tennis war da noch nicht zu denken, nach dem Krieg wurde allenfalls in den Trümmern Fußball gebolzt. Mit 16 Jahren fand Althaus den Weg zum elitären Etuf. Mit Wonne erzählt er noch heute von einem harschen Anschiss dort: „Nur weil ich beim Schuhe-Binden den Fuß auf die Sitzbank gestellt hatte.“ Claus Stauder, der spätere DTB-Präsident, war es, der ihn damals im Auto mitnahm zum Schliersee, wo Althaus sein erstes Turnier spielte. 19 oder 20 sei er damals gewesen.

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Dem Großhandelskaufmann blieb zunächst wenig Spielraum für den Sport. Er bestritt Meden-Spiele in der Regionalliga, die große Zeit der Turniere begann erst mit dem Ruhestand 1999. Althaus arbeitete im Export für Mercedes und bereiste die Welt. 1976 landete er schließlich in Hamburg, wo er heute lebt. Und dort lief es für ihn wie im Märchen.

Er lernte einen vermögenden Tennis-Enthusiasten kennen, der zur Verstärkung seines Teams Topspieler aus der ganzen Welt engagierte. Jedes Jahr flog Althaus fortan zur Saisonvorbereitung nach Florida, um unter der Leitung des ehemaligen australischen Wimbledon-Siegers Fred Stolle zu trainieren. Es sollte sich auszahlen. Althaus wurde unter anderem Weltmeister mit der AK75-Nationalmannschaft, krönte 2021 auf Mallorca seine Laufbahn mit dem Gewinn der Einzel-WM bei den Herren 85. Zuvor hatte er schon mit dem DTB-Team Gold geholt. Herbert Althaus ist inzwischen einer der erfolgreichsten deutschen Senioren-Spieler aller Zeiten - und fit wie ein Turnschuh.