Essen. Top-Schwimmer Marius Kusch, der in den USA trainiert, besuchte Sportinternat in Essen, wo er vier Jahre wohnte. Mit Olympia-Start Traum erfüllt.

Das war ja mal eine Überraschung. Plötzlich stand Marius Kusch in der Eingangstür des Sportinternats in Rüttenscheid und grüßte freundlich mit einem vertrauten „Hallo Horst“. „Mit der Maske und dem Zopf habe ich den Kerl erst gar nicht erkannt“, musste Horst Melzer, der Geschäftsführer der Talentschmiede, eingestehen. Nun ja, ist ja auch schon ein paar Jährchen her, als der junge Mann noch bei ihm im „Heim“ wohnte.

Und man hat sich lange nicht mehr gesehen. Etwa vier Jahre lang, bis zum Abitur 2016, lebte Marius Kusch in Essen und trainierte im benachbarten Leistungszentrum.. Dann ging’s ab über den Großen Teich nach Amerika, wo das Ass der Startgemeinschaft Essen zunächst mit einem Stipendium in North Carolina studierte. Dort konnte er Ausbildung und Hochleistungssport am besten unter einen Hut bringen und nur in den USA, davon war Kusch schon damals fest überzeugt, würde er sich seinen Lebenstraum von der Olympia-Teilnahme erfüllen können.

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Eine selbstständige und gereifte Persönlichkeit

Seit zwei Jahren hat er seinen Bachelor-Abschluss in Finanzwesen in der Tasche, lebt im sonnigen San Diego und trainiert dort in einem Elite-Profiteam. Der Erfolg gibt ihm recht: Marius Kusch ist die unangefochten deutsche Nummer eins über die 100 Meter Schmetterling. In den USA hatte er sich schon vergangenes Jahr für die Olympischen Spiele in Tokio qualifiziert, als einer der ersten im Deutschen Schwimmverband.

„Er ist gereift und sehr selbstständig geworden“, findet Melzer. „Der Aufenthalt im Ausland hat ihn als Persönlichkeit geprägt.“ Ein paar Tipps konnte der „alte Hase“ Melzer, der als Trainer viermal bei Olympia am Beckenrand stand, dem ehemaligen Zögling aber schon noch geben.

In den USA ist der 27-Jährige richtig schnell geworden. Das zeigt schon Ende 2019 die Kurzbahn-EM in Glasgow, wo er über 100 Meter Schmetterling Europameister wurde und den zehn Jahre alten deutschen Rekord verbesserte, der in den inzwischen wieder abgeschafften Hightech-Anzügen aufgestellt worden war.

Sein bishr größter Triumph: Marius Kusch gewinnt bei der Kurzbahn-EM in Glasgow über 100 Meter Schmetterling den Titel.
Sein bishr größter Triumph: Marius Kusch gewinnt bei der Kurzbahn-EM in Glasgow über 100 Meter Schmetterling den Titel. © /dpa | Ian Rutherford

Nach zwei Monaten in Europa Rückkehr in die USA

Und seine Klasse demonstrierte Kusch auch auch vor knapp zwei Wochen bei der Olympia-Qualifikation in Berlin. Neben seiner Spezialdisziplin sicherte er sich dort drei Staffelplätze für Tokio: über 4x100m Freistil, 4x100m Lagen und 4x100m Lagen-Mixed.

„Jetzt wird es aber auch Zeit, dass ich endlich zurückfliege“, sagte Marius Kusch am Tag vor seinem Abflug. Seit zwei Monaten ist der Schwimmer nun schon in Europa unterwegs. War knapp vier Wochen im Trainingslager auf Teneriffa, startete bei einem Meeting in Stockholm und schließlich in Berlin. „Mein ganzes Zeug musste ich bei Freunden waschen, aber auch mal im Hotel in der Badewanne.“

Kusch muss lange warten auf das Einreisevisum

Einfach ist es nicht in diesen Zeiten, in die USA zurückzukehren. Eine Woche lang wartete der Schwimmer in einem Berliner Hotel auf sein Einreisevisum. Er musste sich Bescheinigungen vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) besorgen und vom Auswärtigen Amt. Schwierig, wenn man keinen Wohnort in Deutschland und keinen Beruf vorweisen kann. Doch die Papiere kamen einfach nicht. Also buchte Kusch den Abflug nach Düsseldorf um und reiste erst einmal nach Essen, um ein paar Freunde zu treffen.

Geholfen hat ihm bei der ganzen Organisation der Reise niemand und bezahlen muss er solche Trips auch noch selbst. Da reicht die Sporthilfe hinten und vorn nicht, Sponsoren hat er auch keine. „Ich muss Miete zahlen, Lebensmittel, das Auto, den Trainer, den Krafttrainer, den Physio - da kommt eine ordentliche Summe zusammen.“

Mit Wettkampf-Prämien die Kosten decken

Natürlich helfen die Eltern hier und da mal aus. „Aber das meiste Geld verdiene ich durch Prämien aus der internationalen Profi-Liga ISL. Da geht ganz gut, wenn man sich einigermaßen anstellt. Und dort werde ich auch noch in der nächsten Saison schwimmen.“ Mit seinem Team „London Roar“ schaffte es Kusch im Vorjahr immerhin bis ins Finale.

In Kalifornien hat sich der Schwimmer bestens eingelebt und fühlt sich dort sauwohl. Es gibt Fotos, die zeigen ihn am Strand unter Palmen: ein Sonnyboy, barfuß, nur in Shorts, Spiegelbrille. „San Diego ist unschlagbar“, schwärmt er. „Und ich liebe das Meer.“ Er wohnt dort in einem Apartment gemeinsam mit dem deutschen Lagen-Spezialisten Jacob Heidtmann und Dylan Carter, einem Schwimmer aus Trinidad Tobago. „Er sorgt bei uns für die Gelassenheit“, schmunzelt Kusch. Und die können die Olympia-Teilnehmer immer gut gebrauchen.

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