Essen. Jubilar begeisterte einst mit seinen Toren und Showeinlagen die Fans an der Hafenstraße. Heute ist Lippens RWE-Ehrenmitglied und Tribünengast.

Der Preis schien günstig. Man schrieb die Saison 1965/66, als ein unbekanntes Stürmertalent aus Kleve an der Hafenstraße anheuerte für eine Ablösesumme von gerade einmal 4000 DM. Nachbar ETB Schwarz-Weiß hatte den jungen Mann nach einem Probetraining für nicht tauglich befunden, weil der einfach so komisch lief. Niemand konnte ahnen, dass Willi Lippens, der in seinem ersten Jahr für 30 Mark unter dem Dach der Haupttribüne des Georg-Melches Stadion wohnte, unbezahlbar werden würde für Rot-Weiss Essen. Er wurde zur Ikone und ist noch immer ein Aushängeschild des Traditionsklubs. An diesem Dienstag wird Willi Lippens 75 Jahre alt.

Der Jubilar ist auch heute noch gefragt, wenn es um die Belange der Rot-Weissen geht. Ihn kennt man in Fußball-Deutschland, diesen Vollblutstürmer mit dem unnachahmlichen Watschelgang, der ihm den Spitznamen „Ente“ einbrachte. Lippens ist ein dankbarer Interviewpartner, weil er nie um einen flotten Spruch verlegen ist. Und sein Grinsen ist ebenso unnachahmlich wie dessen Ballfertigkeit. Als Lippens Anfang des Jahres nach möglichen RWE-Transfers gefragt wurde, flachste er gleich los: „Ich bin nicht mehr zu haben, obwohl ich bei Rot-Weiss noch einen gültigen Spielerpass herumliegen habe.“

Auch Boss Helmut Rahngehörte zu den Vorbildern

Willi Lippens’ Fußballkarriere begann in seiner Geburtsstadt beim VfB Lohengrin 03 Kleve. Für Rot-Weiss Essen schoss der Ausnahmestürmer zwischen 1965 und 1976 in 155 Regionalliga-Spielen 107 Tore und traf in 172 Bundesliga-Spielen 79 mal. Hinzu kamen weitere 13 Treffer (70 Bundesligaspiele) für Borussia Dortmund (1976-79). Insgesamt trug Lippens in 447 Pflichtspielen das RWE-Trikot und erzielte dabei 238 Tore.

„Ich hatte Vorbilder wie Helmut Rahn und ich habe mir gewünscht, mal berühmt zu werden. Und mit ein bisschen Glück habe ich es auch geschafft“, bekannte Willi Lippens nach seiner Karriere. Und immerhin sah damals RWE-Trainer Ivica Horvath in ihm den besten Linksaußen Europas.

Ein famoser Fußballer und einer Menge Show

Aus dem jungen Mann wurde ein famoser Fußballer, den die RWE-Fans bis heute verehren, 2014 wurde er nur folgerichtig zum Ehrenmitglied ernannt. Er ist Kult, nicht nur wegen der vielen Tore und der filigranen Ballführung, mit der er einst unter dem Gejohle der Fans seinen Gegenspielern einen Knoten in die Beine dribbeln konnte. Getreu dem Motto: „Wenn du den Ball haben willst, musst du dir einen von zu Hause mitbringen.“

„Ente“ Lippens war ein Vollblutstürmer, ein Showman auf dem Rasen, und ein veritabler Entertainer ist er stets geblieben. „Ich war ein wenig extravagant. Und wenn man so lange dabei war, dann gibt’s halt auch viel zu erzählen“, sagte er dieser Zeitung zu seinem 70. Geburtstag. „Wenn du dich aus der Masse hervorhebst, dann bleibst du den Leuten in Erinnerung.“

Im Angriff: „Ente“ Lippens und Manfred Burgsmüller (im Hintergrund) Mitte der 70er Jahre.
Im Angriff: „Ente“ Lippens und Manfred Burgsmüller (im Hintergrund) Mitte der 70er Jahre. © Fs

Vor 43 Jahren zuletzt Bundesliga

43 Jahre ist es her, dass RWE, der heutige Regionalligist, zuletzt im Fußball-Oberhaus kickte. „43 Jahre? Das ist unfassbar. Mir war das gar nicht bewusst, dass es schon so lange her ist“, sagte Lippens in einem Gespräch mit dem Reviersport. Und wie sieht’s aus mit Rot-Weiss in der Bundesliga? „Nein, das werde ich nicht mehr erleben. Vielleicht die 3. Liga. Da habe ich noch Hoffnung.“ Wenn RWE dann wieder gegen Rostock oder Kaiserslautern um Punkte spielen würde, „dann wäre das mal wieder schön“.

In Bottrop, nur ein paar Kilometer von der Hafenstraße entfernt, besitzt Willi Lippens ein Restaurant namens „Ich danke Sie“. Eine Reminiszenz an die wohl bekannteste Anekdote. In einem Spiel gegen Westfalia Herne soll ihm der Schiedsrichter gesagt haben: „Ich verwarne Ihnen.“ Der Essener habe prompt geantwortet: „Ich danke Sie.“ Und schon flog die „Ente“ vom Platz. Auch wenn es nur eine Legende ist, die sich verselbstständigte, Hauptsache die Leute haben ihren Spaß. Tassen und T-Shirts am Eingang seines Lokals sind mit diesem Spruch versehen, sogar in einem Buchtitel ist er verewigt.

Zu einem Zeitpunkt, als bei RWE nichts mehr ging

Auch wenn Lippens später für Borussia Dortmund spielte, Rot-Weiss Essen lag ihm immer am Herzen. In all den Jahren gab’s allerdings hin und wieder auch mal Rhythmusstörungen. 1997/98 beispielsweise war RWE unter Trainer Dieter Brei ein Kellerkind der Regionalliga - und Lippens Sportlicher Leiter. Er löste Brei sogar auf der Trainerbank ab, konnte aber den Absturz in die Oberliga nicht verhindern. Das sei sehr deprimierend gewesen. „Ich wurde damals zu einem Zeitpunkt gerufen, wo wirklich gar nichts mehr ging. Es war kein Pfennig Geld da. Als ich nach einem Jahr gehen musste , war das eine der schwärzesten Stunden, die ich erlebt habe.“

Rot-Weiss hat ihm zwar danach noch eine Dauerkarte spendiert, doch eine Zeit lang war ziemliche Funkstille zwischen ihm und seinem Verein. Inzwischen taucht Lippens aber wieder regelmäßig auf, an der Hafenstraße. Und als dort das DFB-Pokalspiel gegen den Erstligisten Arminia Bielefeld stattfand, musste er natürlich ans Mikro. Und wer weiß, wenn es gut läuft, ist ja für seinen Herzensklub die 3. Liga nicht mehr weit entfernt. Wie Lippens schon sagt: „Dann wäre das mal wieder schön.“