Essen. Tusem Essen weiß wegen der Corona-Auflagen nicht, wie es finanziell weitergehen wird. Geisterspiele sind möglich, machen es aber nicht einfacher.
Bei den Handballern des Tusem Essen schlägt das Pendel zwischen Euphorie und Sorgen hin und her. Auf der einen Seite ist die Vorfreude auf die kommende Saison in der 1. Bundesliga und die Duelle mit den Top-Klubs der Welt enorm, auf der anderen Seite ist die Corona-Pandemie mit allen Folgen und Konsequenzen sehr belastend.
„Das wird eine ganz schwierige Saison“, ahnt daher auch Geschäftsführer Niels Ellwanger. Am 1. Oktober beginnt die Spielzeit im Handball-Oberhaus. Und je näher der Tusem diesem Termin kommt, desto größer wird die Herausforderung. Auch ohne die coronabedingten Einschränkungen war schon klar: Die Essener sind als Aufsteiger krasser Außenseiter, verfügen über den mit Abstand geringsten Etat der Liga und werden sich im Abstiegskampf gegen vier Konkurrenten durchsetzen müssen.
Lage hat sich noch einmal verschärft
Nun aber hat sich die Lage noch einmal verschärft. Denn auch wirtschaftlich kommt eine große Herausforderung auf den Traditionsklub zu. Man fahre auf Sicht, sagt Niels Ellwanger, und könne entsprechend gefühlt jeden zweiten Tag wieder umplanen.
Stand jetzt dürfen nicht mehr als 300 Menschen bei Heimspielen in der Halle sein – insgesamt. Neben den Mannschaften, Schiedsrichtern, Ordnern und Pressevertretern wären so maximal 150 Zuschauer „Am Hallo“ realistisch. Gewiss ein netter Gedanke, überhaupt mal wieder Fans begrüßen zu dürfen. Aber der zweite Gedanke verwirft diese Idee fast schon wieder. Denn Ellwanger und Co. stellen sich auch die Frage: Lohnt sich der Aufwand? Um Zuschauer in die Halle zu lassen, bedarf es nicht nur eines umfangreichen Hygienekonzeptes, sondern auch eine angemessene Zahl an Kontrolleuren und Ordnern, um die Corona-Maßnahmen auch durchzusetzen.
Finanzielle Aufwand größer als der Ertrag
„Als Verein würden wir davon nicht viel haben, da muss man ehrlich sein“, sagt der Tusem-Chef. „Wenn es schlecht läuft, ist der finanzielle Aufwand größer als der Ertrag. Natürlich wäre es toll, wieder Fans in der Halle zu haben. Aber aktuell schließen wir Geisterspiele nicht aus.“ Da ergeht es den Handballern genauso wie den Regionalliga-Fußballern von Rot-Weiss Essen.
Konzept in Grundzügen fertig
Ein fertiges Konzept für den Spielbetrieb konnte die Handball-Bundesliga in der vergangenen Woche noch nicht vorlegen. Das Papier, das unter anderem regelmäßige Corona-Tests aller Wettkampfbeteiligten vorsieht, sei aber fertig bis auf Detailfragen, die abgestimmt werden müssen.
Anfang August sagte Geschäftsführer Frank Bohmann: „Stand jetzt bin ich mir sehr sicher, dass wir Anfang Oktober wie geplant mit Zuschauern loslegen können.“ Damals hielt er sogar Hallen-Auslastungen „von 20 bis 50 Prozent für realistisch“.
Die mögliche Zuschauerkapazität an den Standorten hänge aber von den unterschiedlichen Gegebenheiten in den Hallen und den Zu- und Abwegen ab. Stehplätze hielt Bohmann für nicht machbar.
Der Tusem trägt in Düsseldorf im Rahmen eines Pilotprojektes Testspiele aus gegen den Bergischen HC (12. September) und VfL Gummersbach (19. September), bei denen Zuschauer dabei sein sollen.
So lange in Nordrhein-Westfalen nicht mehr als 300 Zuschauer bei sportlichen Veranstaltungen erlaubt sind, werden die Essener nicht auf große Einnahmen hoffen können. Klar ist, dass gerade ein Verein wie der Tusem auch von Eintrittsgeldern lebt. Die Corona-Krise kann somit auch bedrohend für die Existenz sein. „Wenn es so weitergeht, dann werden wir in eine Phase kommen, in der es für alle Vereine und auch die Liga an sich kritisch wird“, glaubt Ellwanger, der selbst im Präsidium der Handball-Bundesliga aktiv ist.
An Spiele in Grugahalle ist nicht zu denken
An Heimspiele in der Grugahalle, wie angedacht, ist aktuell gar nicht zu denken. Der Tusem hatte schon Kurzarbeiter-Geld beantragt und ist für jede Hilfe dankbar, doch das reiche bei Weitem nicht. „Es kann knüppeldick kommen“, befürchtet Niels Ellwanger, aber „wir wollen nicht zu viel jammern.“
Denn Vorfreude und Optimismus bleiben bestehen. „Ich bin begeistert von der Mannschaft. Die Jungs machen einen guten Eindruck und arbeiten hart. Wir haben sehr viel Potenzial“, sagt der 54-Jährige. Und zwischen diesen zwei Welten, dem Corona-Stress und der sportlichen Euphorie, hat Niels Ellwanger eine tolle Aufgabe hinzubekommen: Großvater zu sein. Sohn und Tusem-Kapitän Jonas Ellwanger hat eine Tochter zur Welt gebracht, die so manche Sorgen für einen Moment vergessen lässt.