Essen. Eine Fuhlenbrockerin führt die Reserve des Bundesligisten SG Schönebeck an. Die 19-jährige Jule Schnieder ist Kapitänin des Regionalliga-Teams.
Das Lob des Trainers für die junge Fußballspielerin kann größer kaum sein. „Als Persönlichkeit auf und neben dem Platz hält sie das soziale Gefüge zusammen,“ sagt Jonas Kaltenmaier über Jule Schnieder, die Kapitänin des U20-Teams der SGS Essen. Die Bottroperin kickt seit acht Jahren in Essen-Schönebeck und ist wohl Bottrops Fußballerin in der der höchsten Liga.
Die U20 der SGS Essen gehört nämlich in der Regionalliga West an, der dritthöchsten Klasse hinter der Bundesliga, der ja das erste Frauenteam des Klubs seit 2004 angehört, und der zweiten Liga. Priorität hat für die 19 Jahre alte Defensivspielerin aber nicht die Klassenzugehörigkeit. Jule Schnieder sagt: „Als Spielerin ist mir wichtig Spaß zu haben. Ich mag mit den Menschen spielen, die ich mag und die mir nahestehen.“
Im Abwehrzentrum dirigiert sie ihre Kolleginnen, ist für die Spieleröffnung ein wichtiger Faktor und tritt die meisten Freistöße und Ecken. Sie ist die größte, mit 19 auch eine der Älteren in ihrem Team, das an diesem regnerischen Sonntag schon rein körperlich auf verlorenem Posten steht. „Wir haben ja jedes Jahr eine neue Mannschaft mit vielen 17-Jährigen,“ erklärt Jule Schnieder. Es dauert, bis man sich an den Erwachsenenfußball gewöhnt – das weiß ich von mir selbst.“
Oft schauen nur die Eltern bei den Spielen zu
Zu Gast in Essen sind die Spitzenreiterinnen des VfL Bochum, im Schnitt vier, fünf Jahre älter und wesentlich robuster. Sie werden über neunzig Minuten angefeuert von einem Dutzend Fans in Trikots und mit Fahnen, die sich wie Ultras aufführen. Die Bezirkssportanlage, oben auf der Schönebecker Anhöhe, wird von mehrstöckigen Wohnhäusern eingerahmt, erinnert ein wenig an das Stadion von 1860 München auf Giesings Höhen.
Nur stehen im Essener Westen keine Menschen an den Fenstern wie oft in München und um den Platz verteilen sich auch nur übersichtlich viele Zuschauerinnen und Zuschauer, diesmal etwa 120. Hinter den Ständen für Getränke, Waffeln und Kuchen sowie der Klubkneipe Laola gibt es auf der Anlage der Sportgemeinschaft Schönebeck noch einen zweiten Kunstrasenplatz, auf dem die Männer in der Landesliga gerade gegen den FSV Duisburg spielen.
„Bei den Männern ist mehr Stimmung,“ hat Schnieder beobachtet. „Bei uns ist es ruhiger, weil meist praktisch nur unsere Eltern zuschauen.“ Ihr Vater Markus ist immer dabei, Mutter Tina meist in der zweiten Halbzeit. Da steigt die Zuschauerzahl diesmal noch um gut sechzig junge Männer an – vier Mannschaften wärmen sich hinter den Toren für die nächsten Begegnungen dieses Nachmittags auf den beiden Fußballplätzen auf.
Jule Schnieder hat ihren festen Platz in der Verteidigung
Ausnahmsweise ist es allerdings auch bei den Frauen ziemlich laut. „Von der Elbe bis zur Isar, immer wieder Vau-eff-ell“, skandieren die Gästefans, und einiges andere. Jule Schnieder kann dem Spiel aber keine Wendung geben. Zu selbstbewusst agiert Bochum, für das in dieser Saison außer einem Unentschieden nur Siege zu Buche stehen, auch die Schönebeckerinnen müssen sich mit 0:3 geschlagen geben.
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Das Erste, das Trainer Kaltenmaier sagt, als die Frauen nach dem Spiel einen Kreis bilden: „Ich bin total zufrieden mit euch.“ Die Leistung war okay, in der zweiten Hälfte besser als vorher. Als zweite Mannschaft des Bundesligisten hat die U20 gegenüber der Ligakonkurrenz ein paar Nachteile, ist Zehnte von 13 Teams in der Regionalliga.
Als „technisch versiert“ beschreibt Jonas Kaltenmaier Jule Schnieder, die er seit der U13 kennt und trainiert. „Früher spielte Jule offensiver, als 8er oder 10er,“ berichtet der Trainer. „Aber dann waren wir im Umschaltspiel mit ihrem Antritt unzufrieden, vor drei Jahren haben wir es als 6er und dann in der Dreierkette versucht.“
Und das klappte so gut, dass sie „zur Kapitänin gereift ist“. Ihr Trainer traut Jule Schnieder, die mit vier bei Arminia Klosterhardt in der Jungenmannschaft knapp jenseits der Stadtgrenze zu Oberhausen mit dem Fußball begann, noch mehr zu: „Sie ist demütig, würde ihren Weg auch eine Liga höher machen.“
Einmal hat sie schon woanders ein Probetraining absolviert, doch es hat ihr nicht so gefallen dort: „Der Wohlfühlfaktor spielt für mich eine große Rolle. Die SGS gehört schon so lange Zeit zu meinem Leben.“ Der Klub ist fast wie Familie.
Jule Schnieder kann sich eine Zukunft als Trainerin gut vorstellen
In Schönebeck hat die Studentin aus dem Bottroper Stadtteil Fuhlenbrock letzte Saison die U11 trainiert, zurzeit klappt das wegen der eigenen Trainingszeiten von dienstags bis freitags nicht. „Trainerin zu werden, kann ich mir später gut vorstellen,“ sagt sie.
Auf jeden Fall soll der Fußball ihr eine berufliche Zukunft bieten. Jule Schnieder studiert in Unna Sportmanagement mit Branchenfokus Fußballmanagement. Spiele der Bundesligamannschaft der SGS sieht sie oft, hat eine Dauerkarte im Stadion an der Hafenstraße.
Mit dem Bundesligateam hat sie auch schon dreimal trainiert. Das höhere Spieltempo fordert ihr einiges ab: „Man merkt vor allem an der Passschärfe und Aggressivität einen Unterschied.“ Aber von der Geschwindigkeit werde „man mitgezogen, dennoch braucht natürlich auch einen guten Tag um mitzuhalten.“
Auch Trainer Kaltenmaier findet: „Der Schritt bei den Erwachsenen in die Bundesliga ist groß.“ Also scheint ein Einsatz in der höchsten Spielklasse derzeit nicht extrem nah. Nach dem Spiel gegen Bochum duscht Jule Schnieder besonders schnell. Sie will noch nach Grafenwald, dort spielt ihr Bruder Tim beim VfL in der Kreisliga A.
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