Tokio/Bottrop. Für Tibor Meingast werden die Spiele in Tokio die neunten, die er begleitet. Er erinnert sich an kuriose Situationen der vergangenen Turniere.
Kann eine Reise 1,3 Längengrade nach Osten einen Jetlag verursachen? Also von Bottrop nach Soest zum Beispiel? Im Prinzip nein, logisch, aber eben nur im Prinzip.
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Die Sorge bleibt. Wenn am Samstag in Tokio (133 Längengrade östlich vom Bottroper Stadtteil Fuhlenbrock) die erste Entscheidung fallen wird bei Olympia, ist es etwa 4.15 Uhr in Deutschland und ich möchte Luftgewehr-Finale der Frauen live kommentieren für das ZDF. Aber wie wach kann ich dann sein? Oder doch im Jetlag?
Das neunte Mal Olympische Spiele – das erste Mal aus Mainz
Bisher war ich achtmal bei Olympischen Spielen vor Ort. München, Athen, Turin und London sind in derselben Zeitzone wie Bottrop, kein Problem also. Nach Atlanta, Salt Lake City, Peking und Rio de Janeiro gab’s nach der Anreise ein paar Tage zur Umstellung. Doch jetzt kommentieren ARD und ZDF wegen der Pandemie die meisten Entscheidungen aus Mainz, wo ein gemeinsames Nationales Sendezentrum entstanden ist.
Eine ganz neue Situation. Statt akklimatisiert in sonnigen Stadien vor Ort, nahe an den Athletinnen und Athleten, werden die Spiele jetzt teilweise aus kleinen Holzverschlägen am Lerchenberg in der Hauptstadt von Rheinland-Pfalz übertragen, insgesamt 18 Kabinen übrigens für ARD und ZDF – 9.400 Kilometer Luftlinie entfernt vom Geschehen und teilweise tief in der Nacht.
Begegnung mit der Polizei in Atlanta
Zu dieser Herausforderung addiert sich noch der Mangel an Spaß und Abenteuer. 1994 in der Nähe von Atlanta war ich zum ersten Mal auf einer Schießanlage, der Wolf Creek Shooting Range. Petra Horneber hatte gerade die erste Medaille für Deutschland geholt und gab gut gelaunt ein Interview.
Die Rückfahrt von dort ins Internationale Fernsehzentrum in der Innenstadt unterbrachen Sirenen und eine Kelle aus dem Fenster eines Polizeiwagens. Auf der etwa 28-spurigen Autobahn war ich wohl zu schnell unterwegs. Nächster Fehler: Beim Aussteigen aus dem Mietwagen bellte der Polizist in ungeheurer Lautstärke: „You should stay in your car!“ („Bleib im Auto!“). Sofort zurück also. Zum Glück blieb es dann bei einer Ermahnung.
Wolkenbruch 2008 in Peking
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2008 in Peking ist ein außergewöhnlicher Wolkenbruch in Erinnerung. Praktisch alle Wettbewerbe sind unterbrochen wegen eines Gewitters, nur im Stadtteil Shijingshan geht es im Schießzentrum noch einigermaßen.
Das Skeetfinale der Frauen, im Freien auf die Wurfscheiben, ist eine Stunde auf dem Sender, weil sonst nichts Wichtiges passierte und die Deutsche Christine Brinker (heute Wenzl) Bronze holt. Der Regen jedoch ist stark genug, dass die Unterlagen nicht nur aufgeweicht werden, sondern auch unleserlich. Das hat man davon, wenn man mit Füller schreibt.
2012 in London ist es zu den Royal Artillery Barracks immer eine schöne, 50 Minuten lange Radtour vom Hotel in Bethnal Green vorbei an vielen malerischen Stadthäusern und durch einen Tunnel unter der Themse in den Stadtteil Woolwich.
Nachts aufstehen für den Schießsport
Ohne deutsche Medaille in England, in Brasilien 2016 dagegen machen zweimal Gold und einmal Silber die Übertragungen ganz vergnüglich. Dazu kommt der Spaß im Deutschen Haus am Atlantikstrand.
Im Hinterland in Teodoro, 30 Kilometer vom Meer entfernt, scheint die Wintersonne auf drei Palmen am Hügel neben dem Schießstadion. Faszinierend vor allem das Erstaunen des einheimischen Fahrers auf der neuen, zu diesem Zeitpunkt nur für den Olympischen Verkehr freigegeben Autobahn. So leer hatte er noch nie eine Straße in Rio de Janeiro erlebt.
Zur Frage nach der geistigen Frische bei Nacht (Vielleicht doch die zwölf Kilometer von der Unterkunft ins ZDF zum Wachwerden mit dem Rad fahren um 1 Uhr?) kommt ein weiteres Problem. Schießen ist fürs Fernsehen etwa so tauglich wie ein Fahrrad für die Ersteigung des Mount Everest. Es fehlt an Regisseuren, die das Reglement kennen, in Rio wurde das mehrmals offenkundig. Und wenn man dann nicht vor Ort ist, kann das am Monitor in Mainz schnell zu falschen Schlüssen führen.
Ein Trauma durch das Revierderby
Mein Trauma stammt vom Anfang des Jahrhunderts. Da spielten Schalke und Dortmund im Finale eines Miniturnieres in Antalya und die TV-Übertragung im Januar endete mit dem falschen Ergebnis. Der Kommentator für Eurosport in Paris hatte die Fernsehbilder aus der Türkei falsch interpretiert und ein Abseitstor mitgezählt.
Lustig damals: auch beim Kollegen der WAZ klingelte das Telefon. Wo denn sein Beitrag bliebe, wurde aus Essen verärgert gefragt, denn alle wollten in den Feierabend. Laut Fernsehen war das Spiel vorbei, in Antalya aber lief die Verlängerung.