Bottrop. Ein Landes-, vier Bezirksligisten. In Bottrop spielt Frauenfußball eine große Rolle. Doch nun gibt es zumindest bei einem Klub Sorge vor Schalke.
Ein Blick auf die Fahrtwege, die die Frauen von Rhenania Bottrop in der vergangenen Spielzeit in der Bezirksliga auf sich nehmen mussten, reicht, um zu erkennen, wie es um den Damenfußball im Ruhrgebiet steht. 53 Kilometer zum Auswärtsspiel in Haldern, 52 bis nach Mussum, 64 bis nach Praest. Noch härter war es für die Landesliga-Mannschaft von Blau-Weiß Fuhlenbrock. Die weiteste Auswärtsreise führte zur Spielvereinigung Gustorf/Gindorf in Grevenbroich. Fahrtstrecke: 83 Kilometer, Fahrtdauer: Eine Stunde - ohne Stau.
Und dennoch, trotz dieses - verglichen mit Männerfußball - höheren Aufwands, strahlt der Frauenfußball in Bottrop im Vergleich zu anderen Städten aktuell so hell wie nie und genießt in den einzelnen Vereinen eine hohe Wertschätzung. Mit Fuhlenbrock spielt ein Verein in der Landesliga. Rhenania Bottrop schickt gleich zwei Teams in der kommenden Spielzeit in die Bezirksliga, in der auch Fortuna Bottrop und der VfL Grafenwald kicken. Hinzu kommt noch der VfB Bottrop in der Kreisliga, nachdem das Projekt Frauenfußball beim TSV Feldhausen zu den Akten gelegt wurde und Fuhlenbrock in der vergangenen Spielzeit die eigene zweite Mannschaft zurückzog.
Bei den Bottroper Vereinen ist die Anerkennung zu spüren
„Bei uns im Verein ist es so, dass wir wirklich einen sehr hohen Stellenwert haben, angefangen von der Jugend bis zu den Senioren“, sagt BW Fuhlenbrocks Trainerin Mirsada Hoffmann. Immer wieder würden zum Beispiel Testspiele gegen die alten Herren absolviert, „die sind nie abgeneigt“, so Hoffmann. Nun könnte man einwenden, dass Blau-Weiß auch bereits seit 15 Jahren mindestens in der Landesliga gegen den Ball kickt. Doch auch bei den anderen Bottroper Vereinen ist das Gefühl von Anerkennung zu spüren.
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„Wenn ich von Rhenania spreche, haben wir da die vergangenen Jahre schon einiges bewirkt. Das liegt aber auch daran, dass gute Arbeit gemacht wird. Von Vorstandsseite und von den Mädels“, sagt Rhenanias Marc Wittstamm, Trainer der ersten Damenmannschaft, die in der Saison 2020/2021 zum dritten Mal in Serie in der Bezirksliga spielt.
Zwar sagt Wittstamm auch, dass „die Herren immer an erster Stelle stehen, da brauchen wir uns nichts vorzumachen.“ Aber er und sein Team würden sich „nicht beschweren“ können.
Fortuna Bottrops neuer Trainer fragte im ersten Gespräch nach dem Wert
Steffen Drews, Trainer beim VfL Grafenwald glaubt, dass die hohe Anzahl an überkreislichen Mannschaften an sich nichts mit dem Standort Bottrop zu tun hat. Vielmehr sei sie „abhängig von den verantwortlichen Personen. Ich denke, dass die Bottroper Teams hier sehr gut aufgestellt sind“, so Drews, der bemängelt, dass Frauenfußball „leider gesamtgesellschaftlich nicht die Lobby des Männerbereichs“ habe. Beim VfL erhalte die Frauenmannschaft hingegen die gleiche Behandlung, wie jedes andere Team auch.
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Einer, der einen Blick von außen mit einbringt, ist Christian Amthor, der neue Trainer der Frauenmannschaft von Fortuna Bottrop: „Bei meinem ersten Gespräch mit dem Verein, habe ich als erstes gefragt, wie die Wertschätzung für den Frauenfußball im Verein ist“, sagt Amthor. Denn in seiner Zeit beim FC/JS Hillerheide, wo er die Herrenmannschaft trainierte, habe sich keiner um die Damenmannschaft gekümmert. „Das ist hier echt nicht so. Wir hatten schon eine Aufstiegsfeier und wir haben auch Zuschauer beim Training, die uns unterstützen“, berichtet Amthor von seinen ersten Wochen im Fortuna-Dress und hofft in der kommenden Spielzeit auf einige spannende Spiele in der Bezirksliga, egal wie viele Kilometer dafür auch auf der Autobahn verbracht werden müssen.
„Ich denke, Schalke 04 haut alles kaputt“
Verglichen damit, entsteht aktuell gerade einmal einen Katzensprung weit entfernt, ein möglicherweise bald neuer Riese im Damenfußball. Beim FC Schalke 04 treten künftig auch Frauen gegen den Ball.
Eine Entwicklung, die zumindest von Mirsada Hoffmann in Fuhlenbrock mit Sorge betrachtet wird. Zwar startet Schalke zunächst in der Kreisliga B, dass dies jedoch auf Dauer die sportliche Heimat des stolzen Vereins bleiben wird, scheint unrealistisch. Schalke habe bei einigen Spielerinnen schon angeklopft, sagt Hoffmann. „Einige waren auch beim Sichtungstraining. Und ich kann den Mädels das auch nicht verübeln, sie sind jahrelang Schalker Hardcore-Fans“, so Hoffmann, die zwar überzeugt davon ist, dass es bei den Frauen „nicht ums Geld, sondern auch um Freundschaften geht“, die allerdings auch sagt: „Ich denke, der Verein haut nun alles kaputt.“
Weniger Sorgen machen sich da die Verantwortlichen bei Rhenania, Fortuna und dem VfL Grafenwald.
Rhenanias Marc Wittstamm sagt: „Die Leute, die bei uns spielen, wissen, was sie an uns haben. Schalke fängt erst einmal in der Kreisliga B an, das ist zwei Jahre land auch nicht so prickelnd.“
VfL Grafenwald und Fortuna Bottrop setzen auf den Wohlfühlfaktor
Drews vom VfL Grafenwald ist sich bewusst, dass Schalke „im Vergleich zu den kleinen Vereinen natürlich eine ganz andere Außenwirkung“ habe, viele Möglichkeiten biete und daher auf Dauer „eine übermächtige Konkurrenz“ sei. „Ambitionierte Spielerinnen landen früher oder später bei höherspielende Clubs - mit den Voraussetzungen und dem Engagement, welches Schalke bisher gezeigt hat, gehe ich davon aus, dass sie schnell durch die unteren Ligen ziehen werden, vorausgesetzt sie können Spielerinnen für ihr Team finden“, so Drews.
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Dass diese Kickerinnen aus Grafenwald kommt, glaubt er allerdings nicht, obwohl auch hier schon Spielerinnen kontaktiert und zum Sichtungstraining eingeladen wurden. Für diese sei es aber eher eine Bestätigung für ihre Bedeutung in Grafenwald, glaubt Drews und sagt: „In unserem Team spielen die meisten schon sehr lange zusammen, die Sorge vor Wechseln habe ich daher nicht - vielleicht ist das etwas naiv. Ich denke das unsere Spielerinnen wissen, dass wir zusammen ein tolles Team sind und welche Vorteile der VfL bietet. Einige werden sich trotzdem das Training dort anschauen und reinschnuppern - wann hat man schon einmal die Chance bei so einem großen Verein?“
Und auch die Fortuna setzt bei diesem Thema auf den Wohlfühlfaktor in Bottrop. Amthor: „Wir haben mal kurz über Schalke gesprochen. Melissa und Giulia Grimaldi waren glaube ich auch bei dem Sichtungstraining, sie hatten sich bei uns aber eh abgemeldet. Ich glaube, selbst wenn Schalke an die Spielerinnen herantreten würde, würde sich keine von uns Gedanken machen, weil es hier eine kleine Familie ist. Wir haben auch zwei Spielerinnen, die schon höher gespielt haben und die zurückgekommen sind, weil es ihnen nicht so viel gibt wie hier.“