Bottrop/Wattenscheid. Bierwagen auf der Tartanbahn und Fans auf dem Rasen – vor 30 Jahren stieg Wattenscheid 09 in die Bundesliga auf. Hannes Bongartz erinnert sich.

Einmal bei den ganz Großen mitspielen. Bayern München, Borussia Dortmund – diesen Traum lebten die Fußballer der SG Wattenscheid 09 Ende der 80er Jahre. Am 10. Mai 1990 – vor genau 30 Jahren – wurde dieser Traum Realität.

Jörg Bach, Harald Kügler, Uwe Tschiskale und zwei Mal Maurice Banach hießen die Torschützen beim 5:1-Heimsieg gegen Hertha BSC beim entscheidenden Erfolg auf dem Weg in die Bundesliga. Im Lohrheidestadion wurde anschließend die Sperrstunde aufgehoben. Mittendrin: Trainer Hannes Bongartz.

Wattenscheid war bereit für die Aufstiegsparty

Flutlichtspiele haben ihren eigenen Charakter. So auch an jenem Donnerstagabend in Wattenscheid. „Es zog sich schon über den ganzen Tag. Das Lohrheidestadion brach aus allen Nähten, eine große Party war vorbereitet. Es wusste jeder, was passiert, wenn es klappt“, erinnert sich Bongartz.

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Große Party im Wattenscheider Lohrheidestadion nach dem gelungenen Aufstieg.
Große Party im Wattenscheider Lohrheidestadion nach dem gelungenen Aufstieg. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Zwischen 1971 und 1974 spielte Bongartz für die Schwarz-Weißen, baute in dieser Zeit ein Vater-Sohn-Verhältnis zu Präsident und Mäzen Klaus Steilmann auf. Als der nach dem verpassten Aufstieg 1989 einen neuen Trainer suchte, brach Bongartz seine Zelte beim FC Zürich ab und kehrte zurück ins Ruhrgebiet. „Es war ein Notruf der Wattenscheider. Was bleibt einem da anderes übrig, wenn man so ein gutes Verhältnis hat? Außerdem kam meine älteste Tochter in die Schule. Da haben wir als Familie entschieden, wir gehen zurück. Wir haben alles richtig gemacht“, sagt Bongartz, der noch heute in Bottrop lebt.

Der Aufstieg war nicht zu verhindern

Mit der jüngsten Mannschaft der Liga (24,92 Jahre) nahm der Trainer Kurs in Richtung Bundesliga und ließ dabei unter anderem den FC Schalke 04, für den er von 1974 bis 1978 selbst spielte, hinter sich: „Dass die Mannschaft so jung war, zeigt, wie in Wattenscheid gearbeitet wurde. Gestandene Spieler konnten wir uns nicht erlauben.“

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Auch wenn der Etat klein war – der Erfolgshunger war riesig. Gerade, weil im Jahr zuvor nur wenige Punkte gefehlt hatten. „Da waren echte Typen im Team wie Thorsten Fink, Uwe Tschiskale oder Uwe Neuhaus. Die wollten unbedingt aufsteigen“, erinnert sich der 69-Jährige. Spätestens im Winter, als die Wattenscheider mit Frank Hartmann noch einen gestandenen Spieler verpflichten konnten, sah sich Bongartz auf dem richtigen Weg. „In der Weihnachtszeit habe ich aus Spaß gesagt: In diesem Jahr ist es nicht mehr zu verhindern, dass wir aufsteigen.“

Bierwagen rollen ins Stadion – das Spiel läuft

Wenige Monate später, am 10. Mai 1990, war es dann so weit. Schon zur Halbzeit führten die Wattenscheider mit 4:0, Tabellenführer Hertha BSC war an diesem Abend nur der Zuschauer bei einer großen Party. Nach dem zwischenzeitlichen Anschluss durch Theo Gries beseitigte Uwe Tschiskale die letzten Zweifel.

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Zwei Spieltage vor Saisonende war klar: Wattenscheid steigt zum ersten Mal in die Bundesliga auf. Und da konnten es die Fans mit dem Feiern gar nicht mehr erwarten. Als Schiedsrichter Manfred Neuner ein paar Minuten vor Schluss einen Freistoß pfiff, brachen alle Dämme. „Alle dachten, es ist Schluss. Ich habe gedacht: Um Himmels Willen, das darf nicht wahr sein. Die ersten Bierwagen wurden schon durch das Marathontor auf die Tartanbahn gerollt. Wir hatten Angst, dass das Spiel abgebrochen wird“, erinnert sich Bongartz.

Bayern-Manager Hoeneß: „Das Schlimmste, was der Bundesliga passieren konnte“

Die Lage beruhigte sich, Neuner ließ das Spiel noch eine Minute weiterlaufen – Schluss. „Dann gab es kein Halten mehr.“

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Nun mussten die großen Vereine nach Wattenscheid kommen, und „nicht nur, weil wir sie für ein Freundschaftsspiel gefragt haben. Das war eine Riesenchance“, sagt Bongartz. Im Süden der Republik sorgte das für weniger Freude: „Es ist das Schlimmste, was der Bundesliga passieren konnte“, sagte der damalige Bayern-Manager Uli Hoeneß.

Immer mit der Bundesliga verbunden

Und wer glaubte, die 09er würden zur Eintagsfliege in der Eliteliga werden, sah sich getäuscht. „Wir können riesig stolz darauf sein, dass wir mit unseren Mitteln vier Jahre in der Liga geblieben sind“, sagt Bongartz und verrät ein Geheimnis des Erfolges: „Im Club ging es sehr familiär zu. Wir haben immer daran geglaubt, es gemeinsam zu schaffen.“ Dabei denkt er vor allem an Männer wie Hermann Herhoven, Reinhold Klee, Peter Kunkel, Frank Kontny und Bernd Grewe, die wie er alles für den Erfolg taten.

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Seine zweite Leidenschaft neben dem Fußball gehört den Pferden. Hannes Bongartz ist passionierter Trabrennfahrer.
Seine zweite Leidenschaft neben dem Fußball gehört den Pferden. Hannes Bongartz ist passionierter Trabrennfahrer. © Funke Foto Services GmbH | Joachim Kleine-Büning

Und auch wenn die glorreichen Zeiten an der Lohrheide der Vergangenheit angehören ist sich Bongartz sicher, dass 09 immer ein Teil der Bundesliga sein wird: „Der Name Wattenscheid 09 wird ewig in der Bundesliga vertreten sein, die Aufstiege gehören in die Vereinschronik und viele Spieler werden immer wieder erwähnt werden. Auch Sammy Sané sein Sohn ist ein Name in Fußball-Deutschland. Das wird immer weiter gegeben und hilft langfristig.“

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So wie früher, wird es im Fußball nicht mehr

Dass ein Verein mit den Mitteln, die Wattenscheid damals hatte, heute noch einmal den Weg in die Bundesliga schafft, glaubt er indes nicht. Bongartz, der mittlerweile Spielerberater ist, sagt: „Das ist Fußball, wie er früher war. In Wattenscheid wurde zuletzt sportlich sehr gute Arbeit geleistet. Wenn es jetzt gelingt, einen soliden Neuanfang zu schaffen, kann man in zwei, drei Jahren vielleicht die Regionalliga wieder anpeilen“, hofft er, dass es auch in der Lohrheide wieder bessere Fußballzeiten gibt.

Was aber für immer bleiben wird, ist der Abend des 10. Mai 1990. An dem allen klar war, was passieren würde, wenn es mit dem Aufstieg klappt. Und der für Hannes Bongartz ein ganz besonderer war: „Dieser Aufstieg war ein Geschenk für Klaus Steilmann. Er hatte es sich so sehr gewünscht.“