Bottrop. Zwei Monate ist es nun her, dass in der Kreisliga zuletzt der Ball rollte – dann kam das Coronavirus dazwischen. Ein wehmütiger Blick zurück.
„Hat irgendjemand Probleme und muss ausgewechselt werden?“, fragt Coach Carter während der Halbzeitbesprechung. Bei nahezu jedem hier in der Kabine würden ihm auf Anhieb so einige Probleme einfallen.
Aber aus fußballerischer Sicht würde das momentan nicht hilfreich sein. Seine Jungs liegen gerade mit 1:2 gegen den FC Bottrop III zurück. Niemand meldet sich auf seine Frage. Gut, denn aufgrund vieler gesundheitlicher, urlaubsbedingter oder alkoholtechnischer Ausfälle stehen ihm nur drei Auswechselspieler zur Verfügung, die nicht gerade vor Kraft strotzen.
Müde erste Halbzeit – Capitano hadert mit dem Schiedsrichter
Der Anfang der ersten Hälfte war nun auch nicht das Wahre. Schneider verpennt im Tor die ersten zehn Minuten und schenkt den Gegnern durch einen Fehlpass einen Treffer. Oskar kämpft seit der dritten Minute mit Krämpfen und Marc mit der Schiedsrichterleistung.
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Äußerst selten erlebt man den Capitano so ungefasst. Kein Wunder, da das zweite Tor durch einen Freistoß zustande kam, der so nicht gepfiffen werden durfte.
Der Mann mit dem Bier hat immer Recht
„Wir sind nach dem 0:2 gut zurückgekommen“, motiviert der Trainer seine Jungs. Stimmt. Nach dem zweiten Gegentor kippte das Spiel zugunsten der 11er und sie konnten durch Joey den Anschlusstreffer erzielen. Die üblich mitgereisten Anhänger waren sich einig. „Ihr dreht das Ding noch. 3:2 für uns!“, hört man ein Vorstandsmitglied sagen. Er hat gewohntermaßen eine Flasche Bier in der Hand. Dann muss das ja stimmen.
Coach Carter erhebt zum Ende seiner Brandrede die Stimme. Normalerweise würde man eine rote Gesichtsfarbe bei solch einer Intensität erwarten. Nicht aber bei ihm. Er besitzt eine Haut wie Alabaster, welche sich in keinster Weise verfärbt. Zum Glück hängt heute eine dicke Wolkendecke über dem Kunstrasenplatz, denn seine Sonnencreme mit Lichtschutzfaktor 50 hatte er mal wieder vergessen.
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Die Schmerzen vom Abend zuvor
„Und jetzt geht raus da und gewinnt das Teil“, entlässt er die elf Ascheathleten in die zweite Halbzeit. Die Spieler gröhlen und applaudieren. Das haben sie gestern Abend auch gemacht. In einer Stadtkneipe. Nur gab es Doppelkorn statt Doppelpässen. Und heute Kopfschmerzen statt Kopfbällen. Aber damit können die Kreisligakicker ja umgehen.
Halbzeit zwei startet wie erhofft. Das Spielgeschehen fest im Griff, die holprigen Pässe sind nur noch knöchel- und nicht kniehoch, die Abwehr ohne Wackler. Schnell wird klar, dass hier tatsächlich was zu holen ist.
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Es läuft wie am Schnürchen
Während Matze vorne jeden Ball gewinnt und an seine Flügelspieler Ossa und Joey verteilt, überzeugt das Dreieck in der Mitte mit Micha, Tadda und Max vollkommen. Das langsamste Mittelfeld der Liga besticht durch Ruhe am Ball, den messerscharfen Pässen und – im Falle von Micha – einer Ähnlichkeit mit Ed Sheeran. Nur singen kann er nicht.
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Es funktioniert einfach alles im zweiten Durchgang. Joey dreht das Spiel mit seinem Hattrick im Alleingang und Tim, Louis, Pedda, Oskar und Schneider halten hinten die Bude dicht. Dass der Gegner einen Elfmeter kläglich verschossen hat, nachdem Pedda das Nasenbein des gegnerischen Stürmers überprüft hatte, übergehen wir an dieser Stelle.
Der letzte Sieg ist viel zu lange her
Die Stimmung an den Bierkästen nach dem Spiel schmälert das trotzdem nicht. Wie immer wird die Vereinshymne angestimmt und die verrücktesten Szenen des Spiels nochmal genau analysiert.
Das Ganze ist jetzt genau zwei Monate her. Wie sehr kann man einen Sport nur vermissen?
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Lukas Schneider ist Bottroper und leidenschaftlicher Amateurfußballer. Der 24-Jährige ist Torhüter des SV 1911 Bottrop und teilt mit uns in seiner Kolumne „1911 Freunde“ den Blick auf das nicht selten skurril komische Innenleben des kleinsten Bottroper Kreisliga-Vereins. Einmal wöchentlich nach den Spieltagen.