ZDF-Journalist Tibor Meingast aus Bottrop schreibt von der Frauen-WM. Diesmal: Warum Brasiliens Marta Recht hatte, ihn im Interview anzublaffen.
Bonjour aus Reims, bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in Frankreich geht die Vorrunde zu Ende. Niederlande gegen Kanada am Donnerstag wird bei meiner Arbeit für das ZDF das sechste Spiel im Stadion sein, acht weitere können bis zum Finale in Lyon noch folgen.
Es ist eine wunderbare Dienstreise, vermutlich die letzte dieser Art. So nah dran am Ereignis, so oft unmittelbar vor Ort, so viel Kontakt zu den Beteiligten – das sind Abläufe, die inzwischen ihre Selbstverständlichkeit verloren haben.
Die letzte WM kam nicht aus Russland, sondern aus Baden-Baden
Bis 2006 haben wir immer so gearbeitet, auch sehr viel personalintensiver, aber inzwischen lassen sich Fernsehbilder (als Videodateien) viel leichter und billiger versenden als früher, so dass immer häufiger Fernsehsendungen in Studios fern des Geschehens produziert werden.
Die letzte Weltmeisterschaft der Männer fand in Baden-Baden statt (manchen glauben ja, es sei in Russland gewesen), die nächste Europameisterschaft wird in Mainz sein (angeblich überall in Europa mit Halbfinale und Endspiel in London) und die ARD zeigt dieses französische Turnier ja auch aus Köln; nur das ZDF ist mit dem Großteil der Übertragungen in den Stadien.
Was Reims ein bisschen eindrucksvoller als Bottrop macht
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Nun also im Stade de Reims in der Champagne – in einer wirklich großartigen Stadt, in der 800 Jahre lang die französischen Könige gekrönt wurden. Reims hat schon etwas länger die Stadtrechte als Bottrop, wurde 80 v. Christus gegründet. Nichts gegen die Cyriakus-Kirche, aber die gotische Kathedrale Notre Dame hier ist wirklich faszinierend – und das Denkmal von Jeanne d’Arc ist ähnlich diskret am Rand platziert wie die Bergmannsstatue gegenüber dem Bottroper Rathaus.
Der Fußballklub der Stadt, Stade de Reims, das Team von Raymond Kopa und Just Fontaine, war übrigens noch häufiger Landesmeister als VfB und Fortuna Bottrop zusammen, nämlich sechsmal. Und stand auch öfter im Europapokalfinale.
Eine Frauen-Weltmeisterschaft ermöglicht im Übrigen persönlichere Begegnungen, denn da ist alles noch nicht bis ins letzte Detail durchprofessionalisiert.
Wie es zu dem besonderen Interview mit Marta kam
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Wie natürlich vor allem die Episode mit Marta, der brasilianischen Angreiferin. Die Dame blaffte mich nach Ende des Interviews – vor laufender Kamera – ganz zu Recht an, ich hätte vergessen, mit ihr über ihren Rekord zu reden. Vorigen Donnerstag schoss Marta ihr 16. WM-Tor und zog mit Miroslav Klose gleich, seit Dienstag ist sie alleinige Rekordhalterin.
Es ist ganz klar mein Fehler, mangelnde journalistische Sorgfalt. Das tut mir leid, dafür hab ich mich bei ihr auch entschuldigt.
Ich hatte mich darauf leider nicht so intensiv vorbereitet wie nötig, vor allem weil wir binnen sechs Tagen fünf Übertragungen hatten – mit sechs teilweise aufwendigen Vorberichten, Reisen über 3.500 Kilometer und in den Stadien Interviews in diversen Fremdsprachen. So war mir Martas bevorstehender Rekord nicht präsent.
Der kleine, große Unterschied zwischen Männern und Frauen
Mein Versäumnis, wie gesagt, allerdings war in keinem Vorbericht in deutscher oder englischer Sprache davon die Rede und Datensätze wie beim Männerfußball gibt es zur WM jetzt nicht. Deutsche Dienstleister haben nicht nur bei Weltmeisterschaften zu jedem Männerspiel teilweise mehr als 100 Seiten mit Statistiken über alle Beteiligten im Angebot, selbst bei gruseligen Paarungen wie Paderborn gegen Wolfsburg in der Bundesliga.
Ohne solche Informationsflut geht’s für uns wieder quer durchs Land, morgen in die Alpen nach Grenoble, zum deutschen Spiel, und von dort dann wieder über 900 Kilometer nach Rennes in der Bretagne zum letzten Achtelfinalspiel.