Montpellier. Die ständigen Vergleiche zum Männer-Fußball begleiten die WM der Frauen in Frankreich. Die Zuschauerzahlen steigen, die Prämien ebenso.
Als sie durch die Gassen der Innenstadt von Montpellier schlenderten, fielen sie kaum auf. Eine Handvoll Frauen, die sich in der südfranzösischen Stadt umsahen, die die Architektur, Geschäfte und Restaurants bestaunten. Sie zückten ihre Handys, machten Fotos. Wie Tausende andere der Touristen es auch dieser Tage tun, jeden Tag im Sommer in Montpellier. Doch diese Frauen waren keine Touristen, es waren unter anderem Marina Hegering und Sara Doorsoun, Mitglieder des deutschen Fußballfrauen-Nationalteams, das hier am Montag sein finales Vorrundenspiel gegen Südafrika bestreiten wird (18 Uhr/ARD/DAZN). Doch sie fielen nicht auf, verschmolzen in ihrer Straßenkleidung mit den anderen Touristen.
"Konnten uns gemütlich umsehen"
Man stelle sich vor, die Männernationalmannschaft würde einen Stadtausflug während einer WM unternehmen. Toni Kroos und Manuel Neuer würden recht schnell erkannt und von Passanten umringt werden, von deutschen Touristen und Stadtbewohnern gleichermaßen, Straßenkleidung hin oder her. „Wir konnten uns ganz gemütlich umsehen“, erklärte Abwehrchefin Marina Hegering. Die 29-Jährige spielt lange genug Fußball, um diesem Umstand keine größere Bedeutung beizumessen. Wohlwissend, dass die Popularität des Frauenfußballs weit hinter der der Männer liegt. Dass sich das Zuschauerinteresse und die mediale Aufmerksamkeit vor und während großer Turniere wie dieser Weltmeisterschaft in Frankreich verstärken, dann aber wieder im Bundesligaalltag überschaubar sein werden.
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So genießen die deutschen Frauen auch Momente wie diese, in denen sie in ihrer freien Zeit in Straßenkleidung unbehelligt durch die Stadt ziehen können. Oder jene vor dem zweiten Spiel gegen Spanien, als sie - diesmal im offiziellen Trainingsanzug - durch Lille streiften und deshalb dann doch vermehrt um gemeinsame Fotos und Autogramme gefragt wurden. Denn dass in Frankreich derzeit eine Frauen-WM gespielt wird, merkt man eher in den kleineren Städten, kaum aber in Metropolen wie Paris oder Montpellier. Das Eröffnungsspiel der Französinnen gegen Südkorea in Paris war gut besucht, ausverkauft war der Prinzenpark allerdings nicht. Auch in Montpellier wehen WM-Fahnen auf dem Place de la Comédie, dem zentralen Platz der Stadt. In manchen Geschäften hängen Turnierspielpläne und in einigen Bars laufen aktuelle Spiele, die sonst nur im Bezahlfernsehen zu sehen sind. Dass es in Montpellier aber weniger wuselig wäre ohne die Frauen-WM? Wohl kaum.
Gleichberechtigung und Prämienfrage
Dabei ist diese WM doch auch eine große Bühne im Kampf um Aufmerksamkeit und Gleichberechtigung. Einige versuchen, sie zu nutzen. Die Forderung nach gleicher Bezahlung und Titelprämien von Männer- und Frauenteams mag in Deutschland recht schnell verstummt sein, auch weil Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg („Das ist der Vergleich von Äpfel und Birnen“) und Kapitänin Alexandra Popp („Die Prämien wurden doch schon verdoppelt, wir sollten die Kirche im Dorf lassen“) diese fix beiseite wischten, aber gerade die US-Amerikanerinnen suchen diesen Kampf neben dem um den WM-Pokal ganz bewusst.
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Den eigenen nationalen Fußballverband hatten sie vor dem Turnier verklagt, die Vorwürfe reichen von schlechterer Bezahlung im Vergleich zu Männern bis hin zum schlechteren Zustand der Spielfelder, auf denen sie ihrem Job nachgehen. Kapitänin Megan Rapinoe schweigt seitdem beim Erklingen der Nationalhymne und legt die Hand nicht mehr aufs Herz. Als Thailand im ersten Spiel gnadenlos mit 13:0 abgefrühstückt wurde, reagierte zudem US-Trainerin Jill Ellis fassungslos auf die Frage, ob der Sieg nicht zu hoch ausgefallen sei: „Würde diese Frage auch bei einer Männer-WM gestellt werden?“
Die Australierinnen hatten zuvor gezeigt, dass sich der Kampf lohnt. In der heimischen W-League wird künftig das gleiche Grundgehalt gezahlt wie bei den Männern. Nun haben sie ihre Forderung an höhere Stelle gerichtet und werfen der Fifa Diskriminierung vor.
Es geht um Wertschätzung
Denn ja, das Preisgeld, das der Weltfußballverband bei der diesjährigen Frauen-WM ausschütten wird, ist im Vergleich zu den Männern gering. Während im vergangenen Jahr in Russland 400 Millionen US-Dollar an die Männerteams ausgeschüttet wurden, werden es bei der Frauen-WM lediglich 30 Millionen sein.
Doch es geht nicht nur um Geld, sondern auch um Wertschätzung. Brasiliens Superstar Marta raunzte nach der 2:3-Pleite gegen Australien einen ZDF-Reporter an: „Mein Gott, wie konntet ihr das vergessen! Ich habe jetzt 16 WM-Tore, genau wie euer Klose", sagte die sechsmalige Weltfußballerin. „Danach hättet ihr ruhig mal fragen können!“ Seit Juli 2018 hat die 33-Jährige keinen Ausrüstungssponsor: Nicht, weil Angebote gefehlt hätten, sondern, weil diese ihr nicht gut genug, nicht männernah genug waren.
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Was das Zuschauerinteresse betrifft: Als Deutschland in Rennes gegen China spielte, war das Stadion mit 15.000 Zuschauern halbvoll, beim Spiel gegen Spanien in Valenciennes (beide 1:0) mit knapp 21.000 immerhin gut gefüllt. Dies zu einem Vorwurf an die Frauenfußball-Nation Frankreich zu machen, wäre allerdings unfair. Auch in Deutschland wären in erster Linie die Spiele der Gastgeberinnen das Zugpferd.
Jüngst zog die Fifa sogar die Behauptung zurück, bereits eine Million Eintrittskarten verkauft zu haben. Es seien auch Kontingente an Personen gegangen, die nichts für die Tickets bezahlen würden. Zuvor hatte der Weltverband schon die Aussage, 20 der 52 WM-Spiele seien ausverkauft, zurückgenommen. Immerhin: Das Finale im knapp 60.000 Zuschauer fassenden Stadion von Lyon sei innerhalb einer halben Stunde ausverkauft gewesen. Angeblich.