Bochum. Nach einem Wattenscheider Kreisliga-Derby geht ein Spieler bewusstlos zu Boden. Eineinhalb Jahre später sehen sich die Beteiligten vor Gericht wieder - und widersprechen sich.
Dass es zwischen Nachbarn auch mal kracht, gehört dazu - aber nicht so, wie es am 21. Mai 2023 im Sportzentrum Westenfeld passierte. Im Kreisliga-Spiel zwischen dem FC Hasretspor Bochum und der dritten Mannschaft der Sportfreunde Westenfeld fielen nicht nur zwölf Tore, sondern vor allem viele Beschimpfungen. Nach dem Spiel gab es Tumulte, 50 bis 60 Menschen sollen auf dem Feld gewesen sein. Ein Sportfreunde-Spieler ging k.o., war für mehrere Minuten bewusstlos.
Beide Vereine sind auf der Anlage in Westenfeld zu Hause, tragen hier Trainingseinheiten und Heimspiele aus. Seit damals herrsche aber „Funkstille“ zwischen den Vereinen, sagt ein Zeuge in der Verhandlung vor dem Landgericht Bochum. Ein Spieler und ein Offizieller des FC Hasretspor waren wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt.
Die Details der Auseinandersetzung waren in der Verhandlung eineinhalb Jahre später aber nicht mehr einwandfrei zu klären - Zeugen und Angeklagte widersprechen sich teilweise selbst. Auch im Gerichtssaal ist die Stimmung gereizt wie auf dem Fußballplatz, als einer der Anwälte bei einem Zeugen nachsetzt. Verurteilt wurden die beiden Angeklagten letztlich nicht, das Verfahren wird gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt.
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Wattenscheider Kreisliga-Derby: „Es war ab der ersten Minute sehr emotional“
Ein Sportfreunde-Spieler, der auf dem Platz stand, beschreibt im Zeugenstand eindrücklich: „Es war ab der ersten Minute sehr emotional. Jeder möchte ja die Nummer eins am Platz sein.“ Die Folge war ein hitziges Spiel. Auf die Frage, wer wen beschimpft habe, antwortet der Spieler: „Fast jeder Spieler hat jeden Spieler beleidigt.“
Die Sportfreunde Westenfeld gewannen 7:5, dann schlugen die Emotionen um. Auf dem Weg in die Kabine verweigerte ein Spieler der Sportfreunde (24) einem Gegner den Handschlag - mit der Begründung, er sei das ganze Spiel beleidigt worden. Aus dieser Szene folgte dann die mutmaßliche Gewalttat.
Laut Anklage und Darstellung der Sportfreunde-Spieler habe der Offizielle von Hasretspor den Westenfelder von hinten umklammert. Ein Hasretspor-Spieler sei dazugekommen und habe dem Westenfelder von unten gegen das Kinn geschlagen. „Er hat mir eine verpasst, danach war für mich Feierabend“, sagt der 24-Jährige. „Die Lichter waren komplett aus.“ Er räumt aber auch ein, dass er während des Spiels Gegner beleidigt habe - welche genau, könne er nicht mehr sagen.
Die Darstellung der Gegenseite ist anders: Aus der Rudelbildung heraus sei ein Wortgefecht entstanden, in dem auch Beleidigungen gefallen seien („Hurensohn“, „Bastard“, „Spasti“). Der Vereinsoffizielle ist Ende 50, hat fünf Kinder. Seine Version: Er habe den Westenfelder in einem Tumult festgehalten, um zu schlichten. Dann habe ein Ordner die beiden geschubst, so dass sie gemeinsam zu Boden fielen.
Keine Kieferfraktur - keine Verurteilung
Auch der Anwalt des angeklagten Spielers, 34 Jahre alt und Vater von drei jungen Kindern, weist den Vorwurf zurück, sein Mandant habe geschlagen. Im Gegenteil: Er habe ebenfalls schlichten wollen, da es „aussah, als würden sie sich schlagen“, und habe an den beiden gezogen. Das Gesicht des Westenfelder Spielers habe er nicht sehen können, von einem gezielten Schlag könne nicht die Rede sein - und schon gar nicht von gemeinschaftlicher Körperverletzung.
Das Ergebnis war in jedem Fall, dass der Westenfelder Spieler mehrere Minuten bewusstlos war. Notarzt und Polizei wurden gerufen. Kurios: In der Anklage ist die Rede davon, der Spieler habe dabei auch eine Kieferfraktur erlitten. Vor Gericht stellt sich heraus, dass er mit Kopfschmerzen, Platzwunden am Kinn und einem lockeren Zahn davon kam, von einem Kieferbruch ist keine Rede mehr. Die schwerste Verletzung aus der Anklage fällt damit weg - deshalb lässt der Richter das Verfahren mit Zustimmung aller Beteiligten einstellen. Der angeklagte Spieler zahlt 600 Euro, der Offizielle 200 Euro an das Kinderhospiz in Witten.
Die Platznachbarn gehen sich dem Vernehmen nach seitdem aus dem Weg.
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Zahl der Spielabbrüche geht zurück
Dass ein Amateurfußball-Spiel vor Gericht endet, ist immer noch die große Ausnahme. Die Zahl der schweren Gewaltvorfälle auf Sportplätzen nimmt außerdem ab. „Die Richtung stimmt“, schrieb der Deutsche Fußball-Bund zuletzt in seinem „Lagebild Amateurfußball“. Jörg Kaminski vom Fußballkreis Bochum spricht ebenfalls davon, dass die Saison bislang sehr ruhig verlaufe und die Zahl der Spielabbrüche zurückgehe.
Rund 1,5 Millionen Fußballspiele werden pro Jahr in Deutschland im Wettbewerb und damit unter dem Dach des DFB ausgetragen. Weniger als 1000 davon werden aufgrund von Gewalt oder Diskriminierung abgebrochen. In der Saison 2023/24 ging diese Zahl laut DFB um 5,5 Prozent zurück.
Negativer Höhepunkt in den vergangenen Jahren war das Bezirksliga-Spiel im Oktober 2022 zwischen dem SV Phönix und dem CFK Bochum, bei dem ein am Boden liegender Schiedsrichter getreten wurde. Der Fall machte überregional Schlagzeilen, es gab Bewährungsstrafen. Der Verein CFK trennte sich konsequent von den Gewalttätern.
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