Wattenscheid. Tom Sindermann spricht über sein Comeback und das „schreckliche“ letzte Jahr. Er dachte über einen Wechsel nach - aber sieht jetzt, wie es wieder aufwärts geht.
Erstmals seit elf Monaten stand Tom Sindermann am vergangenen Sonntag in der Startelf von Wattenscheid 09. Viel besser hätte sein Comeback gar nicht beginnen können. Nach einer Viertelstunde im Auswärtsspiel in Rheine schoss er Wattenscheid 1:0 in Führung, jubelte mit weit ausgebreiteten Armen. Auf sein Comeback hat Wattenscheid lange gehofft und gewartet. Auch wenn das Spiel 1:3 verloren ging, war Sindermanns Startelf-Comeback eine gute Nachricht für den Klub.
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„Die ein, zwei Tage danach habe ich es von den Beinen her schon gespürt“, sagt der 26-Jährige, der nach zuvor einigen Kurzeinsätzen bis zu 89. Minute spielte. Aber das wichtigste: „Ich habe keine Schmerzen, keine Beschwerden. Auch wenn wir nicht darüber reden müssen, dass mein Fitnesszustand vor zwei Jahren mal ein anderer war.“
Wattenscheid 09 und Tom Sindermann haben eine ganz harte Saison hinter sich
Hinter Sindermann liegt genau wie hinter dem ganzen Klub eine harte Saison. Mehr als ein Jahr lang quälte der Mittelfeldspieler sich mit Leisten- und Schambeinproblemen. Monatelang musste er zugucken, wie seine Mannschaft gegen den Abstieg kämpfte, er konnte aber nicht helfen. Umso wichtiger will er nun beim Neuanfang sein. „Ich weiß gar nicht, wie oft ich das Wort Neuanfang schon gehört habe in Wattenscheid“, sagt Sindermann lachend, „es ist vielleicht mein dritter oder vierter Neuanfang. Aber man braucht ja solche Abschnitte, und jetzt haben wir junge, dynamische Leute dazubekommen.“
Sindermann spielt inzwischen in seiner fünften Saison bei Wattenscheid 09, ist einer der erfahrensten Fußballer des jungen Teams, trug oft die Kapitänsbinde und ist eine der Identifikationsfiguren. Wobei er das mit dem Neuanfang einschränken will: „Es sind ja einige wichtige Säulen noch da: Eduard Renke, Serhat Kacmaz, David Loheider, Berkan Firat, Tim Kaminski sowieso.“ Auch die waren allerdings vor einem Jahr noch nicht alle in der Rolle, in der sie jetzt sind.
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Sindermann versucht, jungen Spielern zu helfen
Sindermann dagegen ist schon länger Anführer, gemeinsam mit Spielern wie Kaminski oder Nico Buckmaier sieht er sich auch in der Rolle: „Ich will überhaupt nicht altklug klingen, ich bin ja auch erst 26 - aber ich habe ja auch schon Erfahrung. Wattenscheid ist vom Umfeld her eben auch nicht immer leicht. Gerade bei den jungen Spielern ist es wichtig, wenn es jemanden gibt, die ihnen helfen, manche Sachen einzuordnen.“
Dass man nach einem verlorenen Spiel nicht jeden Facebook-Kommentar lesen muss etwa, sich nicht jeden Kommentar von der Bande zu Herzen nehmen muss: „Es geht eben im Positiven wie im Negativen immer sehr schnell hier.“ Und, das sei wichtig: Die jungen Spieler nehmen das nicht nur an, sie wollen es auch.
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Wattenscheid 09: Trend geht in die richtige Richtung
Gerade scheint es bei Wattenscheid insgesamt in die richtige Richtung zu gehen, auch wenn die Niederlage in Rheine ein Dämpfer war für das Team des neuen Cheftrainers Christopher Pache. Das Gerüst der neuen Mannschaft steht, beim 2:0 gegen den ASC zeigte das Team eins der besten Wattenscheider Oberliga-Spiele seit Langem. Sindermann: „Es war vielleicht mutig, mit einem in der Oberliga unerfahrenen Trainer in die Saison zu gehen. Aber es geht ja nicht nur um den Trainer: Es ist das ganze Team drumherum, der Sportliche Leiter, die vielen neuen Ideen. Ich glaube, man sieht an den Spielen, dass das gerade passt.“
Der Lehramtsstudent war einer der Spieler, die zur neuen Wattenscheider Mannschaft nach der Insolvenz 2019 gehörten. Sindermann war Stammspieler unter Christian Britscho, stieg in die Regionalliga auf, war dort einer der wenigen Lichtblicke. Aber schon im Saisonendspurt 2023 bekam er Probleme. Er konnte nicht trainieren, musste Comebacks immer wieder verschieben, schließlich operiert werden.
„Es war schrecklich, nicht helfen zu können“
Vor etwa einem Jahr machte er seine letzten Spiele - der Verein schien da gerade nach dem Fehlstart in der Oberliga im freien Fall. „Es war schrecklich, nicht helfen zu können. Ich habe vor meiner Operation ja versucht, ein paar Spiele zu machen, mit Schmerzen, bis es gar nicht mehr ging.“
Das 0:5 in Münster Anfang Oktober 2023 war Sindermanns vorerst letzter Einsatz. Dass die Saison noch ein halbwegs versöhnliches Ende nahm, verfolgte Sindermann von außerhalb, war meist in Straßenkleidung bei den Spielen an der Bank. Er sagt: „Ich musste da auch ein bisschen Abstand gewinnen. Es fühlt sich total blöd an, danebenzustehen, wenn es eine Niederlage nach der anderen gibt. Das macht einen unglücklich, von daher habe ich mich auch ein bisschen zurückgezogen.“
Sindermann dachte über einen Wechsel nach, verlängerte aber
So wie für den ganzen Verein ein Neuanfang nach der vergangenen Saison logisch war, hätte er es auch für Sindermann sein können. Mit einem Vereinswechsel hat er sich ernsthaft beschäftigt. Um dann doch zu bleiben.
Als er noch überlegte, sagte Sindermann angesprochen auf die Frage nach der Vertragsverlängerung: „Ich weiß, was ich an Wattenscheid habe.“ Was er damit meinte? „Es ist im Prinzip das, was ich über das Umfeld gesagt habe: Die Fans kommen ins Stadion und es gibt ganz viele, denen der Verein sehr wichtig ist. Das ist auf diesem Niveau sehr selten. Hier hat man eine große Gemeinschaft - das ist etwas Besonderes und das muss man zu schätzen wissen. Das kann auch mal umschlagen, aber deshalb spielt man für Wattenscheid.“
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