Bochum. Ray Thornton (28) zieht als Profi durch Europa, jetzt ist er neu in Bochum. Was ihm in Deutschland auffällt - und wie er seinen Traum lebt.
Als das Interview eigentlich vorbei ist, geht die Tür noch einmal auf. „Mir ist noch etwas eingefallen“, sagt Ray Thornton, und duckt sich etwas, um den Kopf durch die Tür zu strecken. „Ich weiß nicht, ob ihr es schreiben wollt, aber: Seit zwei Tagen weiß ich, wie man Auto mit Gangschaltung fährt.“ Es ist die bessere Antwort auf die Frage, was er mit Deutschland verbinden wird, wenn er in einigen Monaten wieder nach Hause fliegt.
Raynere Zynique Thornton, Spitzname Ray, ist seit etwa drei Wochen in Bochum. Er ist 28 Jahre alt und lebte in den vergangenen Jahren in Nordmazedonien, Polen, Rumänien und Zypern. Zuhause ist er in Georgia, in den USA, dort verbringt er aber immer nur wenige Monate im Jahr. Thornton kommt als Basketball-Profi in Europa herum. Als sein Klub auf Zypern vor einigen Wochen aus dem Europapokal ausschied, wurde ihm gekündigt. Nach kurzer Zeit hatte er einen neuen Klub – willkommen in Bochum.
Bochum hat der US-Amerikaner noch nicht groß kennengelernt
Viel gesehen hat er nicht von der Stadt, wie er einräumt. Zeit zum Ankommen hatte er schließlich nicht so richtig: Vier Spiele innerhalb von zwei Wochen standen auf dem Spielplan der VfL Sparkassen Stars und Thornton war der große Hoffnungsträger des Bochumer Zweitligisten.
Thornton lieferte: In seinem ersten Spiel machte er direkt die meisten Punkte, führte Bochum zum Sieg. Er hilft dem Team vorne wie hinten und ist vor allem mit seinem Körperbau die gesuchte Verstärkung: 2,01 Meter groß, mehr als 100 Kilogramm schwer, eine eindrucksvolle Figur. Beim Spiel in Münster prallte ein Gegenspieler an ihm ab, der ihn auf dem Weg zum Korb aufhalten wollte.
Frage an Ray Thornton: Macht man als Profi eher einfach seinen Job - oder lernt man wie in einem Auslandsjahr auch die Welt kennen? „Wahrscheinlich 50:50“, sagt Thornton. Was er in seinen freien Tagen in der Länderspielpause vorhat? „Ich will nicht lügen: Ich suche mir ein Spa und wahrscheinlich bleibe ich da einfach acht Stunden.“ Ansonsten sei es in Länderspielpausen oft so, dass sich amerikanische Basketballer aus verschiedenen Städten treffen.
Basketball-Profis in Europa haben ein besonderes Leben
Basketball-Profis in Europa führen ein besonderes Leben. Sie kommen meist im Spätsommer aus den USA. Eine Wohnung organisiert der Verein. Länger als eine Saison, also neun bis zehn Monate, bleiben sie selten. Oft dagegen werden Verträge auch in der laufenden Saison wieder aufgelöst. Auch Thornton kam nach Bochum, nachdem der Klub sich in den vergangenen Monaten gleich von mehreren Importspielern wieder getrennt hat. Auf der einen Seite sind Amerikaner oft die besten Spieler des Teams - auf der anderen Seite muss es auch menschlich passen, vor allem mit den deutschen Spielern, die das Gerüst eines Kaders bilden.
Thornton sagt, er sei ein ruhiger Typ, und ein Familienmensch. Er hat fünf Geschwister, seine jüngste Schwester ist vier Jahre alt. Mit der Familie telefoniert er oft. Als er 2021 erstmals nach Europa kam, war es noch mitten in der Corona-Pandemie. „Nordmazedonien war ein wilder Ort“, sagt er. Das sei die härteste Zeit gewesen. Nach der Sommerpause nahm er trotzdem den nächsten Job an.
Bei der Frage nach dem Warum lacht Thornton, blickt auf den Ball, den er während des Interviews in den Fingern dreht. „It‘s the love for the game“, sagt er – die Liebe zum Spiel. Beim Basketball spielen fühle er sich wie im Himmel. Die Bochumer können das inzwischen bestätigen: Vor einem Spiel war die ganze Mannschaft still, konzentrierte sich – nur Thornton tanzte auf der Stelle. Er freute sich auf das Spiel.
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In Deutschland herausragend, in den USA reichte es nicht für die große Karriere
In der 2. deutschen Liga ragt Thornton heraus. In den USA reichte es allerdings für ihn nicht zum Profi. Nach seiner College-Karriere fand er kein NBA-Team. Seinen Platz in der G-League, der Ausbildungsliga, verlor er wegen einer Corona-Erkrankung. Er wollte unbedingt weiter spielen und kam deshalb nach Europa.
Nicht nur deshalb kann man behaupten, dass Basketball sein Leben verändert hat. Die US-amerikanischen Universäten vergeben viele Stipendien an talentierte Athleten. Thornton spielte lange Football, nach einer Verletzung wechselte er zum weniger riskanten Basketball. „Ohne Sport wäre ich wahrscheinlich nicht ans College gegangen“, sagt er. „Ich hätte wahrscheinlich einfach irgendeinen 9-to-5-Job.“ Das sei grundsätzlich nichts Schlechtes – aber das sei ja nichts dagegen, jeden Tag Basketball spielen zu dürfen. „Das ist buchstäblich mein Job. Ich bin gesegnet, spielen zu dürfen.“
Dass Thornton lange in Bochum bleibt, ist unwahrscheinlich
Nach seiner Karriere will er in den USA Trainer werden. Aber erst einmal will er so lange spielen, wie es geht. In Bochum ist er voll eingeschlagen. Bochums Geschäftsführer Tobias Steinert schwärmt von Thornton. Nicht nur sportlich, wo er in seinen ersten vier Spielen im Durchschnitt 19 Punkte und sieben Rebounds schaffte, sondern auch menschlich. Dass es von Anfang an „klickt“, sei nicht selbstverständlich. Thornton hinterlässt Eindruck, bewirbt sich damit gleichzeitig für seinen nächsten Job.
Dass er länger für Bochum spielt, ist unwahrscheinlich. Einige Sponsoren halfen, damit der Klub den Amerikaner nachverpflichten konnte. „Ich will einfach so viele Spiele wie möglich gewinnen“, antwortet Thornton darauf, was er sich vornimmt. Freitagabend empfangen die Sparkassen Stars den BBC Bayreuth in der Rundsporthalle. Dann folgen noch zehn Spiele, bevor Thornton zurück in die USA fliegt.
Was wird er mitnehmen, was erzählt er dort über Bochum? Das erste, was ihm im Interview dazu einfällt: „Es ist immer grau. Ich habe bisher vielleicht an zwei Tagen die Sonne gesehen.“ Er lacht kurz und stellt klar, dass das immerhin besser sei als Schnee. Und ist später doch noch froh, dass ihm die Antwort mit der Gangschaltung eingefallen ist.
Heimspiel schon am Freitag - Sonntag geht es nach Karlsruhe
Ray Thornton spielte am College in Memphis, wurde dort von NBA-Legende Penny Hardaway trainiert. Thornton räumt ein, dass er den Sport lange nicht richtig ernst nahm, erst in seinem letzten College-Jahr habe er gemerkt, dass er „ziemlich gut“ sein könne. „Ich achte sehr auf meinen Körper - zum Beispiel habe ich mich eine Zeitlang nie gedehnt. Ich weiß jetzt, dass es wichtig ist.“
Er beschreibt sich selbst als Spieler, der „pass-first“ spielt, also zuerst die Mitspieler im Blick hat, bevor er selbst den Abschluss sucht. In den Punkten ist er trotzdem sehr erfolgreich - und will sowohl seine Vorbereiter- als auch Vollstreckerqualitäten am Wochenende gleich zweimal zeigen.
Am Freitagabend geht es im Heimspiel gegen den BBC Bayreuth. Bayreuth ist Tabellenneunter, hat zwölf Spiele gewonnen. Bochum hat sieben Siege auf dem Konto und ein kleines Polster vor den Abstiegsplätzen. Tip-Off am Freitagabend ist um 19.30 Uhr in der Rundsporthalle, Tickets gibt es in allen Kategorien online auf sparkassenstars.de. Schon am Sonntag (17.30 Uhr) folgt das Auswärtsspiel bei den Karlsruhe Lions (Platz 7, 13 Siege).
Geschäftsführer Tobias Steinert sagt: „Wir haben nun Zeit gehabt, um nach den intensiven Wochen die Batterien ein Stück weit wieder aufzuladen. Gegen Bayreuth erwartet uns ein Spiel gegen eine Mannschaft, die in dieser Saison einige Ups and Downs hatte, aber immer noch an der Tür zu den Playoffs klopft. Wir wollen vor heimischem Publikum wieder auf die Siegerstraße zurückkehren und dafür brauchen wir die Unterstützung unserer Fans.“
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