Wattenscheid. Mit dem Abpfiff des Spiels gegen Eintracht Rheine begann die Aufstiegsparty der SG Wattenscheid 09. Die Verantwortlichen waren emotional.

Plötzlich vibrierten Wände und Boden der Geschäftsstelle der SG Wattenscheid 09. Ein unüberhörbares Wummern drang von den Treppen in die schwarz-weiß getünchten Gänge. Zunächst herrschte Irritation. Kurz darauf war klar, woher der ohrenbetäubende Lärm kam. Timm Esser hatte die Musikbox aus der Mannschaftskabine entführt, einige Kollegen im Schlepptau. Feierwütig, freudetrunken, euphorisiert. Das Ziel: Der VIP-Raum.

Wenige Sekunden später schmetterte von dort aus etlichen Kehlen die Vereinshymne der SG Wattenscheid 09 - des alten und neuen Regionalligisten. Die Party hatte sich vom Rasen des Lohrheidestadions in die Räumlichkeiten über dem Platz verlagert, die Stimmung aber blieb nach dem 2:0 (0:0)-Sieg gegen Eintracht Rheine konstant auf Siede-Niveau.

Wattenscheid 09: Trainer Britscho kann der Dusche nicht entkommen

Mit dem Heimsieg hat Wattenscheid 09 das weit geöffnete Tor zur Regionalliga durchschritten und ist knapp drei Jahre nach dem insolvenzbedingten Rückzug wieder zurück in der Viertklassigkeit. Als um ihn herum alles schrie, jubelte, sich gegenseitig umarmte und die ersten Freudentränen vergoss, nahm Christian Britscho Reißaus. Der Trainer der SGW spurtete die Treppen auf der Haupttribüne hinauf, kassierte eine Wasserdusche und lief zurück aufs Feld. Dann versank er in einer Jubeltraube aus Spielern, Betreuern und Fans.

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„Ich musste erstmal meine Frau drücken und ein paar Freunde. Sie haben es möglich gemacht, dass ich immer in Ruhe arbeiten konnte.“ Er war mit der Mannschaft am nie formulierten Ziel. Weder er noch der Vorstand, noch das Gros des Teams hatten damit gerechnet, dass zweieinhalb Jahre nach Beginn des Neuaufbaus so ein Erfolg gefeiert würde. Und das auch nicht gefordert.

Familiäre Feier nach friedlichem Platzsturm

Am Montag aber feierten fast 6500 Menschen die Rückkehr der SGW. Innerhalb von wenigen Wochen war die Gemeinschaft um den ehemaligen Bundesligisten auf ein Vielfaches der üblichen Anhängerschaft gewachsen. Viele von ihnen zog es nach dem Abpfiff auf den Rasen, wo sie feierten. Ausgelassen zwar, aber besonnen, glückselig, familiär. „So fühlt es sich an“, fand Britscho. „Das ist so unfassbar schön, die Augen der Jungs zu sehen. Da sind einige Tränen in den Augen. Und mir geht’s nicht anders.“ Dann kündigte der 52-Jährige eine Änderung seiner Urlaubsplanung an: „Ich buche jetzt meinen Flug nach Mallorca.“

Norman Jakubowskis Name hingegen hatte schon vorher auf der Passagierliste gestanden. Das war für den Kapitän der SGW aber auch das einzige Planbare in dieser Woche. „Es ist Wahnsinn gewesen“, presste der Blondschopf hervor und meinte damit die selbst für Wattenscheider Verhältnisse unglaubliche Kulisse. Noch nie habe er in einem Pflichtspiel so eine Kulisse erlebt, sagte Jakubowski. „Ich hätte gern gespielt. Aber so nehme ich mein schwarz-weißes Herz in die Hand und freue mich auf Malle.“

Dennis Lerche wird erneut zum Wattenscheider Joker

Auf der Insel wird die Wattenscheider Party wohl die nächste Eskalationsstufe erreichen. Dabei hätte es aus sportlicher Sicht wohl kaum einen emotionaleren Abschluss geben können. Dennis Lerche, eingewechselt für die Schlussviertelstunde, machte einmal mehr seinem Ruf als zuverlässiger Joker alle Ehre und traf zum 2:0-Endstand, nachdem er Rheines Torhüter Cornelius Watta den Ball abgenommen hatte. Für die Führung hatte zuvor Emre Yesilova per Foulelfmeter gesorgt (52.).

Zurück zum VIP-Raum, wo die Standhaftigkeit mancher Spieler rund zwei Stunden nach dem Abpfiff bereits arg gelitten hatte. Hier feierten die einen, dort sinnierten die anderen über die Saison, über die malerische Geschichte der vergangenen beiden Jahre und über die Zukunft. Einige von ihnen hatten diesbezüglich schon Nägel mit Köpfen gemacht.

Große Nachfrage nach Dauerkarten

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„Unsere Mitarbeiterin, die die Dauerkarten verkauft, hat sich beschwert, weil sie so viel Stress hatte“, berichtete Sportvorstand Christian Pozo y Tamayo. Ihn wollte Trainer Britscho unbedingt im Flieger nach Mallorca wissen, die Intervalle seiner Aufmunterungen wurden kürzer und kürzer.

„Irgendeine Ausrede brauche ich noch, damit ich zuhause bleiben kann. Dafür fehlt mir im Augenblick die Kraft“, sagte Pozo y Tamayo. Derweil hatte Familie Britscho Nägel mit Köpfen gemacht. Britschos Ehefrau ließ ihren Gatten wissen: „Ich habe gerade für dich gebucht.“

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