Wattenscheid . Im Interview bringt Peter Neururer, Sportdirektor der SG Wattenscheid, Schalke oder Bochum als Partner ins Spiel. Und übt Kritik an seinem Klub.
Seit Mitte März ist Peter Neururer Sportdirektor beim Regionalligisten SG Wattenscheid 09. Im Interview äußert sich der langjährige Bundesliga-Trainer zur sportlichen Situation, denkbaren Kooperationen mit dem VfL Bochum oder Schalke und den Kampf um die verloren gegangene Glaubwürdigkeit der SG 09.
Herr Neururer, es sind noch drei Spiele bis zum Saisonende. Was macht Sie mit Blick auf das Ziel Klassenerhalt optimistisch?
Peter Neururer: Ich sehe die Arbeit, die der Trainer mit der Mannschaft leistet und sehe auch die effektive Arbeit, die er beim Training ableistet, die Ansprachen, die er hält, und wie er die Mannschaft einstellt. Das ist alles wirklich überragend, das kann man nicht besser machen. Dass die Spieler unter den herrschenden Bedingungen Schwierigkeiten haben, es eins zu eins umzusetzen, ist auch klar. Deswegen stehen wir auch auf Tabellenplatz 13. Aber ich habe die Mannschaft einige Male gesehen, teilweise auch mit begleitet. Sie kann jeden Gegner in der Liga schlagen, also kann sie auch die Klasse halten. Im Augenblick sind wir aber trotz des 2:1-Sieges in Essen noch nicht gerettet. Dafür gibt es eine ganze Menge Gründe.
Welche zum Beispiel?
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Neururer: Wenn die Spieler im Winter nur mit Verzögerung ihre Gehälter bekommen haben, kann man als Verein nur schlecht irgendwelche Leistungen einfordern. Wenn es um existenzielle Probleme geht, kann ich keinen Fußball spielen, erst Recht nicht im Leistungsbereich.
Was hätten Sie als Spieler gemacht, wenn man Ihnen das Gehalt nur verzögert überwiesen hätte?
Neururer: Ich habe das selbst erlebt, als ich beim damaligen Drittligisten VfB Remscheid gespielt habe. Wir wurden so gut bezahlt, dass wir Angebote aus der 2. Bundesliga abgelehnt haben. Dann kam in der Winterpause ein neuer Sponsor, der mit Fußball nichts zu tun hatte. Und wir sind plötzlich nicht mehr bezahlt worden. Die einzige Möglichkeit für uns war damals, den Verein zu wechseln. Deshalb habe ich Verständnis dafür, wenn Spieler in einer solchen Situation den Verein verlassen. Denn der hat die Verpflichtung, das, was er den Spielern vertraglich zugesichert hat, auch rechtzeitig zu leisten.
Wie haben Sie die Kommunikation wahrgenommen? Zuletzt hat der Verein in einer Pressemitteilung erklärt, dass das Geld endlich angewiesen wurde.
Neururer: Ich fand es fürchterlich. Ich habe ja schon viel im Profifußball erlebt und glaubte, alles erlebt zu haben, aber so etwas noch nicht. Wenn man selbst in der Öffentlichkeit kundtut, was man für einen Mist gebaut hat – ob erklärbar oder nicht –, ist das natürlich Fehlverhalten. So etwas darf ich doch nicht öffentlich kommunizieren. Dann sagt doch jeder potenzielle Sponsor: „Wozu sollen wir unser Geld geben?“ Jetzt ist das aber erledigt, auch wenn irgendwer das Wasser nicht halten konnte, weshalb es öffentlich wurde. Das war nicht gut.
Inwiefern erschwert die schwache Zahlungsmoral Ihre eigene Arbeit als Sportdirektor?
Neururer: Ich kann kaum Spieler von außerhalb ansprechen, die so etwas lesen. Die Glaubwürdigkeit ist ja sofort genommen. Und die eigenen Spieler – gut, die wissen ja, wovon da gesprochen wurde. Die müssen jetzt hoffen, dass das, was ihnen von einigen Leuten versprochen wurde, jetzt umgesetzt wird. Wenn das der Fall ist, dann haben wir die Glaubwürdigkeit wieder. Zunächst müssen wir den Verein in der Liga halten, und dann mit Hilfe der Glaubwürdigkeit wieder nach oben bringen.
Sie kommen aus dem Profi-Fußball, haben entsprechend auch Ahnung davon, wie ein Verein funktionieren muss. Was funktioniert davon in Wattenscheid, was nicht?
Neururer: Zunächst einmal ist wichtig zu wissen, was funktioniert. Und das ist das Verhältnis von Trainerteam und Mannschaft. Besser kann es hier nicht sein. Dass daraus so wenige Punkte resultieren, hat andere Gründe. Was bisher zweifelsfrei nicht funktioniert hat, ist das Administrative. Es geht los mit vielen Dingen: Von der Geschäftsstellen- bis zur Vorstandsbesetzung. Daran muss man arbeiten, und das muss so schnell wie möglich gehen.
Trotz der Probleme haben Sie sich zu einer langfristigen Zusammenarbeit entschieden. Warum?
Neururer: Weil ich mein Wort gegeben habe. Ich habe es gegeben in einer Situation – und da bin ich ganz ehrlich –, in der mir allerdings etwas anderes erzählt wurde. Jetzt stehen wir alle miteinander in dieser Situation, aber da ich mein Wort gegeben und bei anderen Vereinen deswegen abgesagt habe, muss ich dazu stehen. Zumindest so lange ich die Möglichkeit sehe, dass sich alles zum Positiven wendet.
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Möchten Sie Sportchef in der Oberliga sein?
Neururer: Nee, auf keinen Fall. Aber das kann man ja noch verhindern.
Dennoch wäre das der Worst Case.
Neururer: Richtig.
Was passiert in diesem Fall mit der Mannschaft?
Neururer: Dann müssen wir sehen, welches Konzept der Verein, die Administrative anbieten kann, das den Verein so schnell wie möglich in die Regionalliga und dann weiter nach oben bringen kann. Es gibt auch für den Worst Case ein Szenario, bei dem ich mitmachen würde. Aber an dieser Stelle noch einmal: Das muss glaubwürdig sein. Dann darf es keine Hirngespinste geben und Versprechungen, die man nachher nicht halten kann.
Hängt die Glaubwürdigkeit für Sie mit bestimmten Personen zusammen?
Neururer: Mit dem Zusammenwirken einer Personengruppe und mit Aussagen von bestimmten Personen.
Bezieht sich das auch auf die Kommunikation während der ausbleibenden Gehaltszahlungen?
Neururer: Zum Beispiel, ja.
Wenn Sie mit Wattenscheider Spielern über deren Verträge sprechen – wie sind die Reaktionen?
Neururer: Konkret gibt es da momentan überhaupt nichts. Ich habe vor rund drei Wochen angesprochen, dass ich gern damit anfangen möchte und dafür ein Budget zur Verfügung habe. Das war aber dann leider nicht der Fall. Den Spielern habe ich dann gesagt, dass ich mit ihnen reden werde, aber nur über konkrete Sachen, von denen ich auch weiß, dass ich sie einhalten werde.
Sie kommen aus dem Profi-Fußball, Josef Schnusenberg hat noch gute Kontakte zum Bundesligisten Schalke 04. Bahnt sich eine Kooperation an?
Neururer: Auch meine Kontakte nach Schalke sind sehr gut. Man sieht’s: Es wird ja ein Retterspiel zwischen Wattenscheid und Schalke geben, den Termin geben wir noch bekannt. Also sind die Kooperationsmöglichkeiten gegeben. Es gibt aber auch noch andere Vereine, die interessiert sind, mit der SG Wattenscheid zusammenzuarbeiten.
Wie könnte die SGW davon profitieren?
Neururer: Solche Kooperationen sollen nicht so aussehen, dass nur ein Verein davon profitiert, sondern beide. Der eine mehr, der andere weniger. Dass wir aktuell eher der Bittsteller sind, ist aufgrund unserer Situation klar. Zu Schalke: Die kommen mit ihrer U23 jetzt zurück in die Regionalliga, also könnte es da schwieriger werden. Aber es gibt im Jugendbereich und auch mit anderen Vereinen Möglichkeiten, über die man sprechen kann.
Wie sähe denn für Sie die optimale Kooperation aus?
Neururer: Mit den finanziellen Möglichkeiten, die wir bisher hatten, muss man alle Sachen in Anspruch nehmen und überdenken. Es gibt viele Vereine, die keine U23-Mannschaft haben. Nehmen wir Eintracht Frankfurt, Bayer Leverkusen – Klubs, zu denen ich einen relativ guten Zugang habe. Nennen wir auch den VfL Bochum in der Nachbarschaft. Die Vereine würden gerne Spieler auch in der Regionalliga platzieren und die Gewissheit haben, dass sie sich unter einem guten Trainer und zu guten Bedingungen weiterentwickeln können. Und das können wir bieten.
Wo sehen Sie Wattenscheid im kommenden Jahr?
Neururer: Im Augenblick kann ich nur von Hoffnung sprechen, weil ich meine Arbeit noch nicht aufnehmen kann. Aber ich sehe die SG als einen Verein, der im Mittelfeld stehend frühzeitig für die neue Saison planen kann.
Dazu gehört aber auch, dass das Gehalt ab jetzt regelmäßig kommt. Haben Sie sich diesbezüglich schon positioniert?
Neururer: Das ist ja grundsätzlich in allen Leistungsbereichen so: Ein Arbeitnehmer muss pünktlich sein Gehalt bekommen. Diese Sachen werden mit den in Wattenscheid jetzt vorhandenen Personen abgesprochen. Und da erwarte ich nicht nur Worte, sondern auch Taten.
Wie ist der Draht zur Vereinsführung?
Neururer: Wir haben gute Gespräche geführt. Ich habe die Hoffnung, dass wir schnellstens etwas Gutes erleben. Dann wäre die Glaubwürdigkeit auch wieder gegeben.