Köln. . Der frischgebackene Deutsche Meister THW Kiel tritt an diesem Wochenende zum Final Four um die Champions League an. Der Favorit kommt aus Barcelona, aber Kiel macht sich im Vorfeld dann doch etwas zu betont zum Außenseiter.
Hat der THW Kiel die Energie für ein zweites Wunder? Hat der Handball-Rekordmeister, der vergangenen Samstag in dem Zwei-Tore-Thriller noch die Rhein-Neckar-Löwen überholte und den 19. Meistertitel sicherte, noch genügend Benzin im Tank für das schwerste Turnier des Klubhandballs? Na klar, sagt Marko Vujin. Der Linkshänder wirkt wie aufgedreht vor dem Final Four-Turnier um den Gewinn der Champions League. „Ich finde es großartig, dieses Gefühl von allergrößtem Druck, den man in Köln spürt“, schwärmt der serbische Shooter des Meisters.
„Zwanzigtausend Fans in der Halle, großer Handball“, das sei, so Vujin, die Essenz dieses Wochenendes in der Kölner Arena. Die vier Teams garantierten in der Tat großen Sport. Im ersten Halbfinale treffen die Kieler „Zebras“ auf den ungarischen Serienmeister MKB-MVM Veszprem (Samstag, 15.15 Uhr, live bei Eurosport), der sich erstmals für Köln qualifiziert hat. Anschließend messen der große FC Barcelona, die nach Titeln erfolgreichste Mannschaft der Geschichte, und der krasse Außenseiter SG Flensburg-Handewitt ihre Kräfte (18 Uhr).
Kiel-Trainer Gislason sieht sein Team als Underdog
Der Trainer des THW Kiel, Alfred Gislason, fühlt sich erkennbar wohl in der Außenseiterrolle. „Wir sind in diesem Jahr sicher nicht der Favorit. Das war immer Barcelona“, sagt der Isländer. Der THW verweist auf seine angeschlagenen Stars Filip Jicha und Aron Palmarsson, und darauf, dass der Kader im Sommer 2013 durch den Verlust der fantastischen Vier (Marcus Ahlm, Thierry Omeyer, Momir Ilic und Daniel Narcisse) an qualitativer Tiefe verloren hat.
Selbst für das Halbfinale, in dem der scheidende Christian Zeitz auf seinen künftigen Arbeitgeber trifft, sieht Gislason sein Team als Underdog. „Veszprem hat einen großen Kader mit viel Qualität und konnte sich länger als wir auf dieses Halbfinale vorbereiten.“ Das ist zwar korrekt. Neutrale Trainer wie Lino Cervar sind indes der Ansicht, dass allein der THW mit seinem Superrückraum (Jicha, Palmarsson, Vujin) den Topfavoriten FC Barcelona in Gefahr bringen könne.
Der Kader Barcelonas, das mit Fußball-Weltmeister Carles Puyol den wohl prominentesten Anhänger mit nach Köln nimmt, ist freilich am besten bestückt. Mit Nikola Karabatic, dem französischen Olympiasieger, und dem mazedonischen Linkshänder Kiril Lazarov haben die Katalanen zwei Profis verpflichtet, die mit ihrer Mentalität Spiele allein entscheiden können. Auch das Torwart-Duo Danijel Saric und Arpad Sterbik ist das nominell stärkste aller vier Teams.
HSV-Handballer als Vorbild
Doch Barcelona hat, wie auch Veszprem, einen Nachteil: Es fehlt in der heimischen Liga an der Konkurrenz, weshalb Wettkampfhärte und Rhythmus fehlen könnten. Das zeigte sich im Viertelfinalhinspiel, als die Katalanen bei den Rhein-Neckar-Löwen (31:38) nur knapp einem Desaster entgingen. Kiel und Flensburg hingegen müssen sich ständig in der härtesten Liga der Welt behaupten. „Für mich ist die Bundesliga die beste Präparierung, die man sich vorstellen kann“, sagt THW-Linksaußen Gudjon Valur Sigurdsson, der als einziger Profi zum vierten Mal in Folge in Köln dabei ist.
Auch die Flensburger, die als klarer Außenseiter zum ersten Mal nach Köln reisen, glauben daher an ihre Chance. Holger Glandorf glaubt, dass zwei Topleistungen reichen könnten für den großen Coup. Als Blaupause dient den Flensburgern das Turnier aus dem Vorjahr, als der HSV Handball mit dem THW Kiel und Barcelona die beiden Topfavoriten düpierte.
Flensburgs Trainer Ljubomir Vranjes gibt sich selbstbewusst: „Wir haben schon alle großen Mannschaften Europas geschlagen. Warum sollten wir nicht gewinnen?“