Gummersbach/Kiel. . Die Handball-Bundesliga erlebt das dramatischste Meisterschafts-Finale ihrer Geschichte. Am Ende entscheiden zwei Tore zugunsten von Kiel und gegen die Rhein-Neckar-Löwen, denen nur der zweite Platz bleibt. Beim Vizemeister wird danach Kritik laut am Modus der Bundesliga.

Zwei kleine Nachrichten, die auf den ersten Blick unwichtig erscheinen und doch so viel über die Entscheidung um die Deutsche Handball-Meisterschaft aussagen. Erstens: Der THW Kiel kann mit dem Imitat der Meisterschale noch viel ausgelassener feiern als mit dem Original. Zweitens: Die Rhein-Neckar Löwen können den Kauf einer Trophäen-Vitrine weiter verschieben.

Es war das verrückteste Saison-Finale in der Geschichte der Handball-Bundesliga. Nach einem ständigen Hin und Her in einem superspannenden Fernduell sicherte sich der THW Kiel auf den letzten Drücker noch die Deutsche Meisterschaft, weil er am Ende bei Punktgleichheit eine um zwei Treffer bessere Tordifferenz hatte als die Rhein-Neckar Löwen. Während sich die Löwen beim VfL Gummersbach nur mit 40:35 durchsetzten, fegte Kiel die Füchse Berlin mit 37:23 von der Platte.

In Gummersbach fließen Tränen

In Kiel wälzten sich die Spieler vor riesiger Freude auf dem Parkett. In Gummersbach schlichen die Rhein-Neckar Löwen mit hängenden Köpfen in die Kabine und schämten sich nicht ihrer Tränen, weil sie ihre erste Meisterschaft verpasst hatten. Für Rekordmeister Kiel war es bereits der 19. Titel.

Zum neunten Mal in den vergangenen zehn Jahren beendete der THW die Punkterunde der Bundesliga als Erster. Alles normal? Nichts war wie immer. Denn in diesem Jahr hatten die Kieler selbst nicht so richtig an den Titel geglaubt. Nach einem Jahr des Umbruchs mit vielen Abgängen hatten sie zwar vor dem letzten Spieltag ebenso viele Punkte wie die Rhein-Neckar Löwen, doch den Mannheimern schien ihr erster Titel bei einem Vorsprung von sieben Treffern nicht mehr zu nehmen zu sein.

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Aber es sollte alles anders kommen. Während sich die Gummersbacher aufbäumten und vor 4100 Zuschauern in der ausverkauften Schwalbe-Arena dem Tabellenführer einen beherzten Kampf lieferten, ließen sich die Füchse Berlin, immerhin Fünfter in der Liga und Pokalsieger, vom THW vorführen. „Ich schäme mich”, sagte Berlins Torhüter Silvio Heinevetter. Auch der Deutsche Handball-Bund hatte mit diesem Ausgang nicht gerechnet. Während das Original der Meisterschale in Gummersbach wieder eingepackt wurde, herzten die Kieler das Imitat noch viel intensiver, als sie es in den Jahren zuvor mit dem Original getan hatten.

„So was habe ich noch nie erlebt”, sagte Kiels Trainer Alfred Gislason. „Das ist der unglaublichste Titel, den ich je gewonnen habe”, ergänzte Christian Zeitz, der den THW verlässt und zum ungarischen Spitzenklub Vesz-prem wechselt. Und weil der 19. Titel so unverhofft kam, mussten die Kieler ihre Feier improvisieren. Aber Spontanität bringt oft schönere Erlebnisse. In Kiel feierten Fans und Spieler jedenfalls eine Meisterparty der ganz besonderen Art.

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Ganz anders die Stimmungslage beim knapp abgefangenen Meisterschafts-Zweiten. Den Löwen war das Herz gebrochen, daraus machten sie kein Geheimnis. Manager Thorsten Storm hatte zwar für den Fall der Fälle den Kauf einer Vitrine angekündigt, aber jetzt wird die bisher einzige Trophäe, der EHF-Pokal, wohl weiter auf dem Schreibtisch in der Geschäftsstelle stehen bleiben.

Kritik am Modus der Liga

Gudmundur Gudmundsson, der isländische Trainer der Löwen, äußerte harte Kritik am Modus der Bundesliga. „Es ist Blödsinn, dass am Ende die Tordifferenz über die Meisterschaft entscheidet”, sagte er, „es wäre besser, wenn nur der direkte Vergleich der punktgleichen Mannschaften zählen würde. So entscheidet der Zufall, denn manche Gegner hängen sich richtig rein, die anderen nicht.”

Der THW Kiel will sich am nächsten Wochenende noch einmal richtig reinhängen. Beim Final Four der Champions League in Köln steht der nächste Höhepunkt auf dem Programm. Der THW gilt nicht als Favorit, aber wenn es darauf ankommt, hat Kiel Killer-Fähigkeiten. Die Löwen haben es zu spüren bekommen.