Saragossa. Die deutsche Handball-Nationalmannschaft verliert das WM-Viertelfinale gegen Gastgeber Spanien trotz lange Zeit starker Leistung unglücklich mit 24:28 - weil im entscheidenden Moment die Spanier zu stark und die eigenen Nerven zu schwach waren.
„Männer“, schrie Kreisläufer Christoph Theuerkauf auf der Bank die deutschen Profis an, er musste brüllen, denn es war so laut wie beim Start eines Düsenjets, „bei Abpfiff führen wir“. Das war die Losung zwölf Minuten vor Schluss, da stand es 21:21-Remis – die Sensation schien nah bei der Handball-WM, das Team von Bundestrainer Martin Heuberger lieferte Gastgeber Spanien einen großen Kampf. Doch in den letzten Minuten scheiterten sie an der spanischen Abwehr, an der eigenen Unerfahrenheit, auch an manchen Pfiffen der Referees – und so ging das Viertelfinale mit 24:28 (14:12) verloren für die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB).
„Wir haben sie lange geärgert“, sagte Kapitän Oliver Roggisch. Und in die Enttäuschung mischte sich Stolz auf ein überraschend erfolgreiches Turnier für die junge Mannschaft. „Wir haben eine grandiose WM hingelegt“, resümierte Linksaußen Dominik Klein. Und auch Bundestrainer Martin Heuberger befand: „Wir dürfen trotzdem stolz sein.“
Der Ball lief gut im Aufbau
Die Spanier zumindest schienen kaum mit so viel Gegenwehr gerechnet zu haben – jedenfalls vor dem Anwurf im engen, atmosphärisch dichten Pabellon Principe Felipe. Am Mittag noch saßen einige Nationalspieler in einem Irish Pub in der wunderschönen Innenstadt Saragossas; Viran Morros, Jorge Maqueda und Albert Rocas tranken Espresso, gaben bereitwillig Autogramme. Als die Spanier abends einliefen in die lärmende Arena, unter dem Jubel der 10.600 Fans, verrieten ihre Mienen grimmige Entschlossenheit.
Die deutschen Profis aber ließen sich zunächst nicht beeindrucken. Der Ball lief gut im deutschen Aufbau. Steffen Weinhold und Sven-Sören-Christophersen suchten erfolgreich den Abschluss, und es wurde das erste Mal still in der Arena. Auch die erste Rückstand durch Kreisläufer Julen Aguinagalde, die stärkste Waffe des Gegners, zum 3:4 (5.), irritierte den Außenseiter keineswegs.
Torwart Heinevetter in Topform
Im Gegenteil. Das Team um Kapitän Oliver Roggisch präsentierte sich selbstbewusst, stark, auch Torwart Silvio Heinevetter zeigte sich in Topform. Als Spielmacher Michael Haaß zweimal traf, notierte Heinevetter schon fünf Paraden – Deutschland führte mit 7:5 (13.).
Auch interessant
Spaniens Coach Valero Rivera tauschte nun im Tor, es kam Jose Sierra für Arpad Sterbik, und tatsächlich, der neue Torwart hielt ein paar Bälle der deutschen Angreifer, darunter einen Siebenmeter von Kevin Schmidt. Doch die deutsche Mannschaft blieb cool, und am Ende der ersten Halbzeit schmetterte Kreisläufer Christoph Theuerkauf das Leder zum 13:11 (29.) ins Netz. Dann gelang Klein ein Sensationstor, als er aus spitzem Winkel den Ball über den Torwart ins lange Eck wuchtete. Doch in den letzten Sekunden der ersten Halbzeit brachte sich das deutsche Team mit einer Zeitstrafe um eine noch bessere Ausgangsposition als die 14:12-Führung. Dennoch: Der Optimismus war da. „He, die Rechnung geht auf“, sagte Theuerkauf zu Heinevetter. Es lief für das Team, der WM-Topfavorit wankte.
Der Favorit wankte, aber er fiel nicht
Aber er fiel nicht. Denn eine schlechte Phase in Unterzahl, ein paar ungerechtfertigte Pfiffe der kroatischen Schiedsrichter Matija Gubica/Boris Milosevic, und die Partie war gedreht. Als Victor Tomas per Gegenstoß traf, stand es 15:16 (34.), und als Kreisläufer Aguinagalde zum 16:18 (35.) einnetzte, jubelte das Publikum. Doch es folgte das nächste Comeback, nach drei Treffern in Serie, zuletzt durch Theuerkauf, und Deutschland lag mit 19:18 (42.) in Front.
Nun wurde es eine Nervenschlacht, es wogte hin und her. Doch als Patrick Groetzki Mitte der zweiten Halbzeit zwei Tempogegenstöße leichtfertig vergab und so die Zwei-Tore-Führung verpasste, kippte das Spiel. „Es war mitentscheidend“, gestand auch Groetzki später. „Wir sind noch nicht weit genug, um die Big Points zum machen“, sagte Roggisch. Es war kein Vorwurf. Die abgezockten Spanier aber nahmen diese Geschenke an – und als Aguinagalde dreimal in Serie traf (21:25, 54.), war der Kampf der DHB-Auswahl verloren. Der Traum vom ersten WM-Halbfinale seit 2007 war ausgeträumt.