Barcelona. . Die deutsche Handball-Nationalmannschaft ist bisher die Sensation dieser WM – auch weil Oliver Roggisch mit 34 Jahren plötzlich wieder aufblüht. „Ich wollte es ein paar Leuten noch einmal beweisen. Mir selbst auch“, sagte der Abwehrchef.

Das Mittelmeer war nah. Die Sonne schien warm. Doch die deutschen Handballer hatten keine Zeit, in Barcelona die angenehmen Dinge des Lebens zu genießen. Der nächste Auftrag wartete. Das Team von Bundestrainer Martin Heuberger verließ gestern die katalanische Metropole mit dem Bus gen Saragossa, wo es am Mittwochabend das WM-Viertelfinale gegen Gastgeber Spanien (19 Uhr/live ARD) bestreitet. Und die deutschen Profis platzen derzeit vor Selbstvertrauen. „Mit uns ist zu rechnen“, sagte Spielmacher Michael Haaß.

Roggisch - die Schlüsselfigur im DHB-Team

Nach dem 28:23-Achtelfinalsieg gegen Mazedonien, das wissen alle, können sie Handballgeschichte schreiben. Sollte dem Team um Kapitän Oliver Roggisch tatsächlich noch ein Sieg gelingen, dann wäre dies erst das dritte WM-Halbfinale in den letzten 30 Jahren – mit einem Kader, dem einige Experten nicht einmal das Überstehen der Vorrunde zugetraut hatten. Derlei Prognosen haben einige Profis gefuchst, aber zugleich angestachelt. „Ich versuche, aus negativer Presse Motivation zu ziehen“, ließ Abwehrchef Roggisch wissen. „Ich wollte es ein paar Leuten noch einmal beweisen. Mir selbst auch.“

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Roggisch ist erkennbar einer der Anführer, eine Schlüsselfigur in der DHB-Auswahl. „Großes Kompliment“, sagt der Bundestrainer, „nicht nur, wie er als Kapitän der Mannschaft agiert. Er ist auch sehr stark auf dem Feld.“ Roggisch strahlt plötzlich sogar Torgefahr aus, gegen Mazedonien stahl er zwei Bälle und verwertete diese in Tempogegenstößen. Zuvor waren ihm in 188 Länderspielen gerade mal 40 Tore gelungen. „Ich hoffe, dass wir weiter so einen sprintfähigen Oli erleben“, juxte Heuberger.

Im Alter von 34 Jahren, am Ende seiner Karriere, hat Roggisch sogar noch eine Eigenschaft abgelegt, die seinem Team oft einen Nachteil gebracht hat. „Er lässt das Lamentieren, das Kommentieren jeder Schiedsrichterentscheidung“, sagt Heuberger. Das hätten beide aber in einem Gespräch vor der WM auch genau so besprochen.

Wenn Roggisch aufhört, verliert der deutsche Handball einen Typ

Roggisch war stets die Verkörperung von Härte, auch gegen sich selbst. Unvergessen ist die Szene in dem Weltmeister-Film „Projekt Gold“ aus dem Jahr 2007, in dem er von einem Arzt während eines Länderspiels gefragt wird, ob er eine Betäubung brauche, als eine Fleischwunde an der Stirn getackert werden sollte. „Ohne“, sagte Roggisch. „Aber pass auf meine Frisur auf.“ Beim laufenden Turnier in Spanien schmerzt sein Rücken. „Und ein Zeh tut weh“, sagt er. „Trainieren kann ich heute nicht, aber fürs Spiel muss es reichen.“

Sieg zum WM-Auftakt

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Roggisch, das ist auch jemand, der den vielen jungen Profis im Team erzählen kann, wie ein solches Turnier erfolgreich gespielt wird. Schon beim Viertelfinalsieg 2007 gegen Spanien zählte er zu den Stützen in der Defensive. Nun ist er, gemeinsam mit Michael Haaß, wieder derjenige, der im Mittelblock alles zusammenhält, und der mit Ruhe und Gelassenheit die Kritik zu WM-Beginn lässig wegsteckte. „Die Abwehr hat zwei Spiele gebraucht. Das Feintuning ist immer besser geworden.“ Dass er dabei selbst eine Leistungssteigerung vollzog, dafür seien seine Nebenleute mitverantwortlich. „Ich profitiere davon, wenn die Jungs neben mir Vollgas geben in der Abwehr. Alle ziehen voll mit.“

In ein paar Jahren wird der Turm fehlen; wenn Roggisch aufhört, verliert der deutsche Handball einen Typ. Einen Handballer, der sich nicht scheut, deutliche Worte zu finden. Als vor der WM über den Bundestrainer diskutiert wurde, da zeterte er, das sei „respektlos“. Jetzt, da sich dieses Team in einen Rausch hineingesteigert und zur Sensation des Turniers entwickelt hat, kostet er die Stunden aus. „Ich genieße es, dabei zu sein“, sagt er. „Die Arbeit hat sich gelohnt.“ Auch wenn sie noch nicht beendet ist.