Rio de Janeiro. Deutschland ist Fußball-Weltmeister 2014! Erst in der Verlängerung setzte sich die DFB-Elf gegen Argentinien durch, nachdem binnen 90 Minuten keine Entscheidung fiel. Joker Mario Götze erzielte das goldene Tor in der 113. Minute und holt dem DFB-Team den vierten Stern.
Erleichterung und ein Stück Ewigkeit: Mario Götze hat Deutschland zum vierten Weltmeister-Titel geschossen. Mit seinem Treffer in der 113. Minute eines monströsen Duells des Willens entschied er das Finale in Rio de Janeiro gegen Argentinien. 1:0 für Deutschland nach 120 Minuten.
Der Moment legte alles frei. Götze war nicht mehr zu halten. Die Flanke von Andre Schürrle hatte er mit der Brust angenommen und volley ins Tor gedroschen. Ein fantastisches Tor, groß, wichtig und zum Einrahmen schön. Götze sprintete Richtung Eckfahne, musste zum kollektiven Jubel umgerissen werden, die deutsche Ersatzbank sprang auf und stürmte den Platz. 24 Jahre nach dem letzten WM-Triumph machte sich die Generation der Schweinsteigers und Lahms zu den Königen der Fußball-Welt. Argentinien blieben die Tränen.
Kramer kommt und wird ausgeknockt
Die Mission der deutschen Mannschaft wurde schon vor dem Anpfiff erschwert. Mittelfeld-Pfeiler Sami Khedira meldete sich nach dem Warmmachen vorerst vom Finale ab: Der Mann von Real Madrid klagte über Wadenprobleme und musste zunächst zusehen wie Christoph Kramer ihn auf dem Platz ersetzte. Der Mönchengladbacher war bislang nur zu sporadischen Einsätzen gekommen und landete plötzlich auf der größtmöglichen Bühne: WM-Finale vor fast 75.000 Zuschauern im mythenumrankten Maracana, in das von weit oben auf dem Felsen die weltbekannte Christusstatue blickt.
Doch schon nach gut einer halben Stunde war auch für die B-Besetzung das Spiel beendet. Ezequiel Garay hatte Kramer mit einem unfreiwilligen Bodycheck derart ausgeknockt (17. Minute), dass dieser nach einem Versuch des Weiterspielens den Platz verlassen musste. Wacklig auf den Beinen, benommen wie nach einem rechten Schwinger von Mike Tyson. Für ihn kam Andre Schürrle in ein hoch intensives, spannendes Spiel, in dem beide Mannschaften zur Pause schon hätten führen können.
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Den ersten Adrenalinschub versetzte Toni Kroos dem Spiel – allerdings auf andere Weise als gewohnt bei diesem Turnier. Bei einer Kopfball-Rückgabe auf Manuel Neuer hatte er den lauernden Stürmer Gonzalo Higuain übersehen. Der Profi vom SSC Neapel verzog aber kümmerlich aus 16 Metern (21. Minute). Aber der Schock war dem deutschen Team in die Füße gefahren. Zwar dominierte die Mannschaft von Joachim Löw das Spielgeschehen, aber Argentinien konterte gefährlich. Doch den Treffer Higuains pfiff Schiedsrichter Nicola Rizzoli wegen Abseits berechtigterweise zurück (30.). Zehn Minuten später sprintete Superstar Lionel Messi seinem Gegenspieler Mats Hummels davon, spitzelte den Ball vorbei an Neuer, doch Jerome Boateng kratzte den Ball von der Linie.
Erst in den letzten Minuten vor der Pause kam auch das Team von Bundestrainer Joachim Löw zu Chancen: Andre Schürrle und Toni Kroos, setzten ihre Versuche allerdings ziemlich genau auf Torwart Sergio Romero. Und doch hätte es beinahe noch zur Führung gereicht. Nach einer Ecke in der Nachspielzeit kam Benedikt Höwedes herangeflogen, scheiterte mit seinem Kopfball aber am Pfosten. Zentimeter zwischen Glückseligkeit und Enttäuschung. Nächstes Beispiel? Messi tauchte zu Beginn der zweiten Hälfte unerhört frei vor Neuer auf, zirkelte seinen Schuss aber um eine Winzigkeit am Tor vorbei. (47.)
Neuer räumt Higuain ab
Ins Blau-Rot der beginnenden Dämmerung hinein näherte sich die Entscheidung, bedrohlich zogen die Wolken über dem Stadion auf. Die theatralische Kulisse für ein denkwürdiges Schauspiel. Jetzt spätestens konnte jeder Fehler, jedes bisschen zuviel Risiko dramatische Konsequenzen haben. Das veränderte vor den Augen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und James-Bond-Darsteller Daniel Craig das Spiel: noch mehr Kampf, noch weniger Leichtigkeit.
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Nach Wirkungstreffern zog die deutsche Mannschaft gleich, als Neuer den heranstürmenden Higuain abräumte (57.). Es folgten Fouls, Gelbe Karten, verbissene Zweikämpfe am Rande des Erlaubten und darüber hinaus. Bonds Mission in Moonraker, die Welt zu retten, war dagegen ein unglaublicher Langweiler.
Deutschland schlich sich immer wieder mal in die gefährlichen Bereiche der gegnerischen Hälfte, richtige Chancen entstanden daraus bis auf eine Ausnahme nicht: Toni Kroos verzog aus 16 Metern nach schöner Vorarbeit von Mesut Özil (80.). Drei Minuten Nachspielzeit, viel zittern, keine Tore. Beide Mannschaften taumelten in die Verlängerung.
Dann kam Götze
Wenige Sekunden waren gespielt, als Deutschland die Doppelchance zum erlösenden Treffer hatte, doch erst scheiterte Schürrle, dann Özil mit seinem Schuss. Doch auf der anderen Seite drohte Gefahr: Hummels unterlief eine Flanke, doch Enrico Palacio versuchte sich an einem Heber über Neuer, der neben das Tor flog (96.).
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Längst hatten sich die Kräfte bei allen Spielern verflüchtigt, was das Spiel in ein monströses Duell des Willens verwandelte. Bastian Schweinsteiger plagte sich mit Krämpfen, Mats Hummels war längst stehend k.o. Und bei Argentinien, das erst in der Verlängerung gegen die Niederlande ins Finale einzog und einen Tag weniger Pause hatte als der Gegner, sah es ähnlich aus. Pause. Kräfte sammeln. Weiterspielen.
Kaum Torchancen. Dann kam Götze – und der Jubel explodierte.