Turin. Erst wurde er in die Schulter gebissen, jetzt setzt sich Italiens Giorgio Chiellini ausgerechnet für den dafür gesperrten Luis Suárez ein: “Ich glaube, dass die ausgesprochene Sanktion übertrieben ist“, schrieb der Profi von Juventus Turin nach dem Urteil auf seiner Homepage.

Italiens Fußball-Nationalspieler Giorgio Chiellini hat die Strafe gegen Luis Suárez als zu hart kritisiert. Der Verteidiger war im Vorrundenspiel gegen Uruguay von seinem Gegenspieler in die Schulter gebissen worden, Suárez muss dafür mit einer viermonatigen Sperre und dem Aus bei der Weltmeisterschaft in Brasilien büßen.

"Ich glaube, dass die ausgesprochene Sanktion übertrieben ist", schrieb der Profi von Juventus Turin auf seiner Homepage. "Ich hoffe ehrlich, dass er bei den Partien wenigstens in der Nähe der Teamkollegen sein darf, denn so ein Bann ist für einen Spieler wirklich entfremdend."

Durch TV-Bilder überführt

Der Weltverband Fifa verbot Suárez wegen der Tätlichkeit jeglichen Kontakt zur Nationalmannschaft, und das für neun Pflichtspiele.

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Der Schiedsrichter hatte die Aktion beim 1:0-Sieg Uruguays gegen Italien nicht gesehen und den Stürmer auch nicht des Platzes verwiesen. Suárez wurde erst im Nachhinein durch TV-Bilder überführt. Uruguays Verband kündigte bereits Einspruch gegen den FIFA-Beschluss an. In der Zwischenzeit flog der Stürmer heim nach Montevideo.

"In mir drin sind keine Gefühle von Freude, Rache oder Wut gegen Suárez wegen eines Vorfalls, der auf dem Feld passiert ist", meinte Chiellini weiter. "Im Moment gehen meine Gedanken an Luis und seine Familie, denn ihnen steht eine sehr schwere Phase bevor." (dpa)

Internationale Pressestimmen zum Fall Luis Suárez 

URUGUAY:

"La República": "Sie kreuzigen Suárez... Die FIFA kreuzigte Suárez und warf ihn aus der WM. Die Weltmeisterschaft in Brasilien 2014 wird als diejenige in die Geschichte eingehen, in der die FIFA "von Amts wegen" Uruguay seiner mächtigsten Waffe beraubte."

"El Observador": "Weltmeisterlicher Schlag: Die FIFA hat Suárez den Kodex um die Ohren gehauen, mit einer der härtesten Sanktionen in der Geschichte der Weltmeisterschaften. Die WM endete ganz abrupt für Suárez. Diese Weltmeisterschaft, zu der er als Star kam und die für ihn so zweifelhaft wurde nach der Arthroskopie im Knie. Die er begann, indem er die Niederlage gegen Costa Rica von draußen sah und die ihn zu einem erlösten Helden machte mit den zwei Toren gegen England."

"El País": "Ein Land leidet mit Suárez. Uruguay stand still als das Urteil der FIFA bekanntgegeben wurde. Die schwere Sanktion erschütterte das Land wie keine andere Nachricht seit langem."

SPANIEN:

"El País": "Das Verhalten der FIFA ist scheinheilig, populistisch und willkürlich. Denn die Funktionäre haben jede moralische Autorität verloren, weil sie die Korruption in ihren eigenen Reihen nicht sanktionieren. Natürlich hat Suárez für sein Verhalten eine Strafe verdient, doch in diesem Fall ist sie unverhältnismäßig."

"El Mundo": "Wenn man bedenkt, dass Suárez ein Wiederholungstäter ist, kann er mit der von der FIFA verhängten Strafe noch zufrieden sein. Die Reaktion seiner Teamkameraden ist vor allem von starkem Patriotismus geprägt. Zu behaupten, der Videobeweis habe keine Gültigkeit, ist eine Unverschämtheit. Gut dass Suárez nicht einfach mit einem blauen Auge davongekommen ist."

"Marca": "Die FIFA gefällt sich in ihrer Sanktionsrhetorik und will mit dem Fall Suárez ein Exempel statuieren."

GROSSBRITANNIEN:

"Daily Telegraph": "FIFA zeigt keine Gnade und schickt Suarez nach Hause"

"The Daily Mirror": "Um seine Demütigung zu vollenden, wurde Luis Suarez aus dem Team Hotel Uruguays geworfen"

"The Sun": "Luis Suarez ist jetzt insgesamt für 39 Spiele gesperrt worden - nur wegen Beißens"

"Daily Mail": "Der Ausgestoßene"

FRANKREICH:

"L'Equipe": "Seit 2010 ist der Wiederholungstäter Luis Suárez ohne eine einzige Rote Karte insgesamt für 34 Spiele gesperrt worden."

SCHWEIZ:

"Blick": "Suárez hat für lange Zeit ausgebissen"

"Tages-Anzeiger": "Sommerpause bis Oktober. Dass auch der Club für ein Vergehen an der WM bestraft wird, was bedeutet das für die Zukunft? ... Es ist ziemlich absurd, das eine mit dem anderen zu verknüpfen, wo doch die Dinge ziemlich wenig miteinander zu tun haben. Eine solche Ausweitung des Urteils wäre nur einleuchtend, würde es sich um ein brutales Foul mit schweren Folgeschäden für den Betroffenen handeln."

"Neue Zürcher Zeitung": "Noch nie hat die FIFA ein solches Urteil an einer WM verhängt, fast schon mit alttestamentarischer Härte: Auge um Auge, Zahn um Zahn, ziemlich passend zu Suárez' Vergehen."

NIEDERLANDE:

"De Telegraaf": "Gerechte Strafe. Wir haben es hier mit einem totalen Idioten zu tun, der zwar einen Star-Status und eine Millionengage genießt, aber für seinen Sport eine absolute Schande ist. Was für eine feige Tat. Was für ein feiger Typ."

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SCHWEDEN:

"Dagens Nyheter": "Die Strafe ist viel zu hart. Was Suárez getan hat, hat niemand anderem geschadet, Chiellini konnte ohne Probleme weiterspielen. Aber Suárez hat gleich zwei Fehler gemacht: Erst hat er gebissen und dann hat er sich geweigert, sich zu entschuldigen."

"Politiken": "Es ist eine Katastrophe für Suárez selbst, für seine Mannschaft und für das gesamte Turnier, bei dem das Publikum einer der besten Stürmer verloren hat, um den sich die Clubs in der ganzen Welt reißen."

GRIECHENLAND:

"Goal": "Die (FIFA) hat ihm ein (Disziplinar-)Medikament gegen die Tollwut gegeben - Vier Monate raus".

TSCHECHIEN:

"Pravo": "Vier Monate! Der Kannibale Suárez hat ausgespielt."

"MF Dnes": "Uruguay tobt, tritt um sich und beschuldigt die Welt, besonders Europa, einer Verschwörung. Die Strafe für den Fußballstürmer Luis Suárez hat in dem kleinen südamerikanischen Land Hysterie ausgelöst."

BULGARIEN:

"24 Tschassa": "FIFA bestrafte den Kannibalen Suárez grausam"

"Standart": "Der Kannibale ist out für vier Monate"

INDIEN:

"Times of India: "Die FIFA beißt zurück"

Uruguay will Rache für Suárez-Rekordstrafe: "Uns kann nichts stoppen" 

"Wir sind alle Suárez!" - ganz Uruguay erklärt die Rache für die WM-Rekordstrafe des Stürmerstars zur nationalen Aufgabe. Nach der ersten Fassungslosigkeit über den Bann seines Angriffsanführers richteten die stolzen Südamerikaner den Zorn auf das Achtelfinale gegen Kolumbien am Samstag. "Uns kann nichts stoppen", betonte Kapitän Diego Lugano in einer Art trotziger Regierungserklärung an den Sünder Luis Suárez, das Team und die Fans. "Wir werden weitergehen mit Demut, Einheit, Engagement, Erkenntnis der Fehler und mit erhobenem Kopf."

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Der Furor über die bislang nie dagewesene Neun-Spiele-Sperre für die Beißattacke ging nach dem Urteilsspruch der FIFA-Disziplinarkommission jedoch noch über die Landesgrenzen hinaus. "Warum schickt ihr ihn nicht gleich nach Guantanamo?", spottete Argentiniens früherer Weltstar Diego Maradona über das "unfaire" Ausmaß der Bestrafung. Es sei "ein unglaubliches Mafia-Ding".

Auch Brasiliens Stürmer Fred ergriff für Suárez Partei, der nationale Verband wollte "sofort" Einspruch gegen den FIFA-Beschluss einlegen. "Die Sanktion ist eine Aggression gegen die Jungs des uruguayischen Volkes", ereiferte sich Staatspräsident Jose Mujica.

"Sanktion ist eine Aggression gegen die Jungs des uruguayischen Volkes"

Auf raschen Erfolg gibt es jedoch keine Aussicht: Mit emotionalen Umarmungen verabschiedete sich der für vier Monate von allen Fußball-Aktivitäten gesperrte Suárez in Natal von den Betreuern der Celeste. "Luis möchte allen uruguayischen Menschen für ihre Unterstützung in den vergangenen Stunden danken", twitterte der Verband am Freitagmorgen. Während der Ausgeschlossene am Airport von Montevideo neben zahlreichen Fans sogar von Regierungschef Mujica erwartet wurde - wegen des verspäteten Flugs letztlich vergeblich - landete das Team von Trainer Óscar Tabárez in Rio de Janeiro.

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Wo vor 64 Jahren im legendären Maracanã der Sensations-Titelcoup gegen Brasilien gelungen war, soll nun irgendwie der Verlust des Offensiv-Fixpunkts kompensiert werden, der im Alleingang für das wichtige 2:1 in der Vorrunde gegen England gesorgt hatte. Möglicherweise muss der gealterte Diego Forlan, immerhin bester Spieler der vorigen WM in Südafrika, im Alter von 35 Jahren die Lücke an der Seite von Edinson Cavani schließen

Vor ihrer anstehenden Achtelfinalaufgabe gegen das leicht favorisierte Kolumbien dachten die Spieler noch an den nun fehlenden 23. Mann im Kader. "Eine Umarmung an Luis, der immer wieder aufsteht und besonders an seine Familie, die am meisten leidet in diesen Fällen", sendete Lugano als öffentlichen Gruß an Suárez. Die Zeitung "El Pais" legte ihrer Freitagsausgabe ein Poster des zum Märtyrer stilisierten Profis vom FC Liverpool bei, aufgedruckt die Aufforderung: "Todos Somos Suárez!" ("Wir sind alle Suárez!")

Wie es auch ohne den wichtigsten Angreifer überragend funktionieren kann, hat Kolumbien bei seinem Sturmlauf zum Gruppensieg und ins erst zweite Achtelfinale eindrucksvoll bewiesen. Vor der WM erschütterte der Ausfall von Superstar Radamel Falcao die Mannschaft von Coach José Pekerman. Mit drei Treffern ist der 22-Jährige James Rodríguez allerdings bereits nach drei Spielen zum besten Torschützen in der WM-Geschichte der Los Cafeteros aufgestiegen. "Diese kolumbianische Mannschaft ist hungrig auf Ruhm, darauf, Geschichte zu schreiben, weit zu kommen", bekräftigte Jackson Martínez.

Die Sympathien im internen Kontinental-Duell hat der Fall Suárez aber zumindest ein wenig in Richtung des zweimaligen Weltmeisters verschoben. Zum Ende seiner TV-Sendung enthüllte Maradona ein T-Shirt mit der Aufschrift: "Luisito, wir sind mit dir." (dpa)