Natal. Uruguays Luis Suárez droht nach seiner Biss-Attacke gegen den Italiener Giorgio Chiellini eine lange Sperre. Es war schon der dritte Blackout in der Karriere des 27-jährigen Weltklasseangreifers, von dem Arsène Wenger einst sagte, er sei ein “Engel“ - aber auf dem Platz ein “Teufelskerl“.
Der Fußball müsse menschlich bleiben, lautet eines der beliebtesten Argumente, wenn Funktionäre und Experten technische Hilfsmittel für Schiedsrichter ablehnen. Auch nach dem aberwitzigen Schulterbiss von Luis Suárez im Spiel zwischen Uruguay und Italien wurde wieder einmal über den Videobeweis diskutiert, Italiens Trainer Cesare Prandelli hatte sich trotz des Wirbels um seinen Rücktritt Zeit genommen, seinen Wunsch nach der Einführung solch einer Technik zu bekräftigen.
Und in diesem Fall zieht das Argument von der Menschlichkeit im Fußball, die angeblich verloren geht, ganz bestimmt nicht. Denn so lange solche Typen wie Suárez in den großen Stadien dieser Welt unterwegs sind, werden haarsträubende Entgleisungen, durchgeknallte Fehltritte und menschliche Abgründe feste Bestandteile des Spiels bleiben.
„Er hätte Rot verdient gehabt“
Suárez, der Star des uruguayischen Teams, für dessen operiertes Knie vor der WM angeblich ein ganzes Volk gebetet hatte, hatte nach 79 Minuten die verwegene Idee, einfach mal kräftig in die Schulter des Italieners Giorgio Chiellini zu beißen. Ohne erkennbaren Grund, aber dafür gefilmt von den vielen Kameras im Stadion von Nadal. Schon Minuten nach der Partie kursierten eindrucksvolle Bilder von der Bisswunde durchs Internet, die Chiellini dem mit dieser Szene völlig überforderten Schiedsrichter gezeigt hatte. „Es ist völlig klar, Suárez wusste sehr gut, dass er etwas getan hat, was er nicht hätte tun dürfen. Er hätte Rot verdient gehabt“, sagte der italienische Innenverteidiger nach dem Spiel.
Einen erkennbaren Grund für Suárez’ Akt des Wahnsinns gab es nicht, Uruguay brauchte zwar ein Tor, spielte aber in Überzahl, die Chancen auf den Achtelfinaleinzug waren gut, und durch Diego Godins Kopfballtor zum 1:0 kurz nach dem Biss hat Uruguay dann ja auch tatsächlich die K.o.-Runde erreicht. Aber über dem uruguayischen WM-Projekt liegt nun ein Schatten.
Nach dem Spiel lief Suárez noch grinsend durch die Interviewzone, Daumen hoch, der Biss habe „keine Bedeutung“ sagte er. Aber natürlich wusste er es längst besser. Die Fifa leitete umgehend ein Untersuchungsverfahren ein.
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Uruguays Trainer Óscar Tabárez wollte die Aktion seines vielleicht wichtigsten Spielers zunächst nicht weiter kommentieren, als er dann aber zum zweiten und zum dritten Mal darauf hingewiesen wurde, dass mit Untersuchungen zu rechnen sei, erwiderte er: „Das hier ist eine Weltmeisterschaft“, und solch ein bedeutsames Ereignis sei der falsche Ort für „billigen Moralismus“.
Dabei wusste er doch genau, dass Suárez eine schräge Neigung dazu hat, Gegenspieler mit seinen Zähnen zu attackieren. Zu Beginn der vergangenen Saison musste er acht Partien aussetzen, nachdem er Branislav Ivanovic vom FC Chelsea in den Arm gebissen hatte. Und in seiner Zeit bei Ajax Amsterdam hatte er in einem Spiel gegen den PSV Eindhoven Gegenspieler Otman Bakkal ebenfalls in die Schulter gebissen und wurde für sieben Partien gesperrt.
Vom Engel zum Teufelskerl
„Er ist ein Engel. Aber wenn er auf dem Rasen ist, wird er zu einem Teufelskerl“, hat Arsène Wenger, der Trainer des FC Arsenal, einmal über Suárez gesagt. Und da das Fußballreglement für Wiederholungstäter besonders schwere Strafen vorsieht, ist es gut möglich, dass nicht nur diese WM für Suárez vorbei ist, sondern dass er weit darüber hinaus sanktioniert wird. „Luis Suárez ist ein fantastischer Fußballer, aber wieder einmal haben seine Aktionen schwere Kritik zugelassen“, sagte Fifa-Vizepräsident Jim Boyce.
Im Ranking der größten Wahnsinnstaten bei Weltmeisterschaften rangiert Suárez nun knapp hinter Zinedine Zidane, dessen Kopfstoß im Finale 2006 wohl unerreicht bleiben wird.