Essen. . Der legendäre DFB-Torhüter krönte seine großartige Laufbahn 1974 mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft im eigenen Land. 40 Jahre später erzählt Keeper-Legende Sepp Maier im Exklusiv-Interview von einem schwierigen Turnierstart und einem perfekten Ende.

Entspannt sitzt Sepp Maier auf der Couch einer Suite in einem Essener Hotel, er nimmt an diesem Tag einen PR-Termin wahr. So etwas meistert er locker, die 70 Jahre sieht man ihm ohnehin nicht an. Wenn er aber 40 Jahre zurück denkt, war die Zeit damals für ihn deutlich aufregender. Denn Sepp Maier, der über mehr als ein Jahrzehnt hinweg Leistungen auf höchstem Niveau zeigte, war 1974 der unumstrittene Torhüter der deutschen Nationalmannschaft, die sich in München mit dem Weltmeistertitel krönte.

Heute ist oft von Druck die Rede. War der Druck damals groß?

Sepp Maier: Ja, damals auch schon. Den Druck spürt jede Heimmannschaft bei einer WM. Brasilien jetzt auch.

Als die Nationalmannschaft 1972 Europameister wurde, lief alles wie geschmiert. 1974 dagegen war der Anfang des Weges zum Titel holprig.

Sepp Maier: Ja, wir haben uns in den ersten Spielen sehr schwer getan. Aber es war natürlich auch etwas anderes als zwei Jahre vorher, beim Endturnier der EM in Belgien waren ja nur noch vier Teams beteiligt.

Beim letzten WM-Gruppenspiel gab es die berühmte 0:1-Niederlage gegen die DDR. Dachten Sie: Jetzt geht alles den Bach runter?

Sepp Maier: Nein, es ging ja nur um den ersten und zweiten Platz in der Gruppe, die WM war ja noch nicht beendet. Tragisch war diese Niederlage nur für Bundestrainer Helmut Schön, weil der aus Dresden kam.

Nach dieser Blamage hat die Mannschaft eingegriffen. Wie lief das ab?

Sepp Maier: Es hatte ja jeder gesehen, dass es so nicht weitergehen konnte. Bei einer internen Mannschaftssitzung ohne Trainer haben wir alles besprochen.

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Es hieß, der Bundestrainer sei dabei entmachtet worden.

Sepp Maier: Nein, wir haben uns nur untereinander ausgesprochen, wir haben dem Trainer ja nicht die Schuld gegeben. Einigen Spielern wurden Vorwürfe gemacht, und selbst Ersatzspieler wurden zu Wortführern. Es dauerte bis fünf Uhr morgens, und ein bisschen Alkohol war auch dabei. Das war auch gut so, dann sagt man nämlich eher die Wahrheit.

Würden Sie sagen, anschließend ist ein Ruck durch die Mannschaft gegangen?

Sepp Maier: Ja, man hat es dann in Düsseldorf bei den Siegen gegen Jugoslawien und Schweden gesehen. Aber auch der Umzug nach Kaiserau hat einiges bewirkt. Es war ja damals die RAF-Zeit, und in Malente waren überall Wachposten, es gab Stacheldraht, die Polizei patrouillierte mit Hunden – und wir kamen nicht raus. Malente ist zwar schön, liegt aber weitab vom Schuss. Kaiserau ist schon mal in der Nähe von Dortmund.

Nach der Wasserschlacht gegen Polen in Frankfurt kam das Endspiel gegen die Niederlande in Ihrem Münchener Olympiastadion. Waren da selbst Sie als Routinier vorher nervös?

Sepp Maier: Ein bisschen angespannt vielleicht, aber nervös nicht. Nervös bist du nur, wenn du vorher verletzt warst, dann kommen Zweifel auf.

I

n diesem Finale gegen die Niederlande haben Sie alles gehalten, was zu halten war. War es das Spiel Ihres Lebens?

Sepp Maier: Bei weitem nicht. Es war das wichtigste Spiel, aber im Verein gab es bessere. Und gegen Polen hatte ja auch schon alles gestimmt. Denken Sie mal an Olli Kahn: Ohne den wären wir 2002 nicht ins Endspiel gekommen. Aber dann unterlief ihm dieser eine schwere Patzer. Ich hab’s umgekehrt gemacht, das war nachhaltiger. (lacht)

Und beim Bankett hat’s dann trotz des Weltmeistertitels gekracht, weil die Spielerfrauen ausgeschlossen waren.

Sepp Maier: Ja, zum Glück hat der DFB daraus gelernt und diese Regelung abgeschafft. Das war ohnehin nur ein Schaulaufen für Funktionäre.

Die 70er-Jahre gelten bis heute als die goldenen des deutschen Fußballs. War es die schönste Zeit, die man als Profi erwischen konnte?

Sepp Maier: Das würde ich so nicht sagen. Auf jeden Fall aber hatten wir es leichter.

Warum?

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Sepp Maier: Weil wir mehr Ruhe hatten. Es gab einfach nicht so viele Medien.

Heute kassieren die ständig in der Öffentlichkeit stehenden Spieler also auch Schmerzensgeld?

Sepp Maier: Ja, aber ein schönes. So lange es nicht von der Krankenkasse kommt.

Sind Sie ein bisschen neidisch, wenn Sie an die Höhe der heutigen Gagen denken?

Sepp Maier: Wir haben ja früher auch gut verdient. Aber heute stimmen die Verhältnisse nicht mehr. Ich hätte allerdings auch nicht gesagt: Danke, ich nehme das Geld nicht. Wenn es der Markt hergibt, wären die Spieler ja blöd, wenn sie darauf verzichten würden. Wer weiß, was in 20 Jahren sein wird.

Und der Fußball in 20 Jahren? Wird er sich bis dahin noch weiter entwickelt haben, oder ist er nahezu ausgereizt?

Sepp Maier: Die Entwicklung ist noch nicht beendet. Man kann und wird versuchen, alles noch perfekter zu machen. Weil der Mensch ja doch nie perfekt ist.