Rio de Janeiro. Portugals Trainer Bento zählt den ersten Gruppengegner Deutschland bei der Weltmeisterschaft zu den Favoriten. Er hält die DFB-Auswahl aber durchaus für schlagbar. Und er weiß: Notfalls muss es auch ohne seinen Superstar Cristiano Ronaldo gehen.
Portugals Fußball-Nationaltrainer Paulo Bento hat für seine WM-Mannschaft ein klares Ziel vor Augen: Zunächst die Gruppenphase überstehen. Der 44-Jährige zählt den ersten Gegner Deutschland zu den Favoriten, meint aber auch: "Ich glaube, dass wir in der Lage sind, es mit ihnen aufzunehmen." Im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa sagt er, was die Mannschaft von Joachim Löw in seinen Augen gefährlich macht und warum Superstar Cristiano Ronaldo mit den Jahren immer besser geworden ist. Doch Ronaldo ist seit längerem angeschlagen. Deshalb müssten sie sich so vorbereiten, "dass wir auch dann mithalten können, wenn er mal nicht dabei sein kann", meinte Bento.
Joachim Löw hat gesagt, Portugal hänge stark von Cristiano Ronaldo ab.
Paulo Bento: Ohne Zweifel ist Ronaldo ein einflussreicher Spieler in unserem Team. Er ist es auch bei Real Madrid, und er wäre es in jeder anderen Mannschaft. Wir müssen uns aber so vorbereiten, dass wir auch dann mithalten können, wenn er mal nicht dabei sein kann. Wie jedes andere Team der Welt sind wir jedoch besser, wenn wir auf einen Spieler wie Ronaldo zählen können.
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Sie haben mit Cristiano Ronaldo bei Sporting Lissabon gespielt und sind nun sein Trainer. Wie hat er sich verändert?
Bento: Schon damals gab es diesen unglaublichen Willen, jeden Tag besser zu sein. Diesen Ehrgeiz. Aber logischerweise hat er sich mit den Jahren in vieler Hinsicht weiterentwickelt. Das ist auch normal, wenn man in zwei verschiedenen Ländern gespielt hat. Sicherlich ist er besser in der Lage, Entscheidungen zu treffen. Möglicherweise setzt er heute seine individuelle Spielweise zu einem besser geeigneten Zeitpunkt ein. Auch seine Führungsqualitäten haben sich entwickelt, denn Er hat sowohl in den Clubs als auch in der Nationalelf an Erfahrung gewonnen.
Ist er aus Ihrer Sicht gelassener geworden?
Bento: In meinen vier Jahren als Trainer ist es einfach gewesen, mit ihm zu arbeiten. Einer seiner weiteren Vorzüge ist nämlich seine Professionalität. Es gab überhaupt kein Problem mit ihm, im Gegenteil. Und es ist auch normal, dass wir mit den Jahren ruhiger werden und besser entscheiden können, was wir wollen.
Hat Lionel Messi, sein großer Rivale bei den Weltfußballer-Wahlen, dazu beigetragen, dass Cristiano besser wird?
Bento: Ich glaube, wegen seines Ehrgeizes, seines Könnens und seiner Professionalität würde Cristiano auch von alleine besser werden. Auch früher ist es schon vorgekommen, dass es gleichzeitig mehrere große Spieler gab - aber vielleicht keine wie diese beiden. Aus meiner Sicht gibt es noch einen Faktor, der dies alles nährt, nämlich der Umstand, dass einer für Real Madrid und der andere für den FC Barcelona spielt. Wenn sie in unterschiedlichen Ländern spielen würden, gäbe es nicht so ein großes Tamtam. Für mich ist klar: Cristiano ist momentan der bessere Spieler, und das zurecht.
Für Bento ist Ronaldo aktuell besser als Messi
Kann Ihre Mannschaft die WM gewinnen?
Bento: Ich sage ganz klar: Unser erstes Ziel ist, die Gruppenphase zu überstehen. Von da an heißt es, es mit jedem Gegner aufzunehmen und versuchen, in die nächste Runde zu kommen. Das wird stets unser Weg sein. Ich glaube, dass es Mannschaften gibt, die weitaus mehr als Favoriten gelten als wir. Aber ich glaube auch, dass wir in der Lage sind, es mit ihnen aufzunehmen. Spanien, Deutschland, Brasilien und Argentinien sind für mich die vier Favoriten.
Portugal trifft in der Vorrunde auf Deutschland, die USA und Ghana. Eine echte Todesgruppe?
Bento: Es ist eine sehr ausgeglichene Gruppe, in der Deutschland vielleicht eine gewisse Favoritenrolle hat - natürlich wegen seiner Qualität, aber auch, weil es stets das Ziel hat, bei den entscheidenden Spielen dabei zu sein. Zudem gibt es zwei Mannschaften, die im Teamplay sehr gut sind und Spieler haben, die vom Mittelfeld sehr schnell nach vorne spielen und individuell sehr stark sind. Die könnten uns viele Probleme bereiten. Klar, wir haben eine schwere Gruppe und müssen auf unserem höchsten Niveau spielen, um unser erstes Ziel zu erreichen: Uns fürs Achtelfinale zu qualifizieren.
Erst trifft Portugal auf Löw und dann auf Klinsmann, zwei Trainer, die den deutschen Fußball verändert haben.
Bento: Sicher sind es zwei gute Trainer angesichts dessen, was sie in der deutschen Mannschaft und im Falle Klinsmanns jetzt in den USA geleistet haben. Seit 2006 ist Deutschland üblicherweise im Finale oder Halbfinale gewesen. Obwohl Deutschland kein Turnier gewonnen hat, hat sich seit 2004 einiges ändert.
Fürchten Sie mehr das neue Deutschland oder das alte?
Bento: Das ist keine Frage der Furcht. Es geht darum, die gegenwärtige Nationalelf zu analysieren, um für uns die beste Gewinnstrategie zu bestimmen. Es ist eine technisch sehr starke Mannschaft, passstark und mit viel Ballbesitz. Sie kann dich aber auch im Konter empfindlich treffen, in der Abwehr sind sie ebenfalls stark. Deshalb muss man auf alle Details achtgeben.
Ist das Spiel gegen Deutschland die entscheidende Partie?
Bento: Es ist ein wichtiges Spiel. Bei der EM 2012 haben wir das Auftaktspiel gegen Deutschland verloren - meiner Meinung nach auf ungerechte Weise. Aber danach haben wir eine sehr, sehr gute EM gespielt und sind erst beim Elfmeterschießen gegen Spanien ausgeschieden. Natürlich ist es besser, gleich zu gewinnen. Aber der Sieg (gegen Deutschland) wird uns nicht die Qualifikation garantieren und eine Niederlage wirft uns nicht aus der WM.
Was sind die Knackpunkte der deutschen Mannschaft?
Bento: Da ist das Mittelfeld-Duo Kroos und Schweinsteiger, zwei sehr gute und passstarke Spieler von Bayern München. Özil hat ein großes Potenzial, die gegnerische Mannschaft aus dem Gleichgewicht zu bringen. Wir wissen nicht, wo Lahm spielen wird, im Mittelfeld oder Außen. Es kann auch den Unterschied machen, ob einer der Innenverteidiger Hummels ist oder nicht. Dann haben sie einen sehr erfahrenen Stürmer wie Klose. Es ist eine sehr versierte und qualitativ starke Mannschaft. (dpa)
Zur Person: Paulo Bento spielte einst für Benfica und Sporting Lissabon und 35 Mal für die portugiesische Nationalmannschaft, deren Trainer der 44-Jährige seit 2010 ist.