Bochum. Gelegentlich garniert Heiko Herrlich, neuer Trainer des VfL Bochum, seine Ausführungen mit dem Zusatz, dass man schon bei der „Wahrheit” bleiben müsse. Nach der bitteren 1:2-Niederlage gegen den Aufsteiger Freiburg ging er mit gutem Beispiel voran.
Während sich das komplette Bochumer Umfeld über Schiedsrichter Dr. Felix Brych erregte, der den Gastgebern zu Unrecht einen Treffer verweigerte und auch vor dem Siegtor der Freiburger eine strittige Entscheidung gegen die Bochumer fällte, wollte sich Herrlich auf diese Diskussion nicht einlassen: „Wir sollten sehen, dass wir erst einmal vor unserem eigenen Hof kehren.”
Zwei Spiele, null Punkte – an Zahlen gemessen war Herrlichs Bundesliga-Einstand noch weniger als suboptimal. Dennoch vermochte er persönlich sehr wohl zu punkten – durch Offenheit und deutliche Grußbotschaften an die Adresse der eigenen Spieler. Im „Tiefschlaf” habe sich seine Mannschaft beim 0:1 durch den ehemaligen Bochumer Heiko Butscher, der seinen Kumpels aus dem Ruhrgebiet anschließend Mut machte („Sie packen das noch”), befunden, verhalten habe man sich bei diesem Gegentor, so Herrlich weiter, „wie eine Jugendmannschaft”.
Peng. Getroffen. Offensichtlich ist die Zeit der Nachsicht und der Rücksichtnahme auf empfindsame Fußballer-Seelen mit der Berufung des 37-Jährigen beendet. Heiko Herrlich scheint nicht bereit zu sein, das Bochumer Wohlfühlprogramm praktisch ohne Gegenleistung fortzuführen und hat vom Vorstand dafür grünes Licht bekommen. „Wir werden Heiko den Rücken stärken. Der Trainer hat einen genauen Plan, ist zielstrebig in seiner Analyse und weiß, wo er den Hebel anzusetzen hat”, sagte Thomas Ernst und sendete damit ein wichtiges Signal an die Mannschaft. Man wird den neuen Mann, unabhängig von den Ergebnissen, keineswegs fallen lassen, sondern seine Entscheidungen und Maßnahmen ausdrücklich unterstützen. Heißt, noch etwas deutlicher formuliert: Wir lassen uns nicht erpressen.
Allerdings wird auch Herrlich aus den Beständen leben und arbeiten müssen, wenngleich er sich schon bald in einer Situation befinden könnte, in der es nichts mehr zu verlieren gibt für den VfL Bochum, nur noch zu gewinnen. Und dann dürfte sich der eine oder andere gestandene Profi auf der Tribüne wiederfinden. Dorthin ist Slawo Freier zwar noch nicht abkommandiert worden, aber der ehemalige Nationalspieler spürt bereits, dass der Wind gedreht hat. Freier war Stammspieler - bis Herrlich kam. Seitdem hat er keine Minute mehr gespielt.
Alles gewollt, alles verloren
Auch in der turbulenten Schlussphase gegen Freiburg musste der 30-Jährige auf der Reservebank hocken bleiben. Der Ausgleichstreffer von Diego Klimowicz hatte den in der ersten Halbzeit ausgesprochen blassen und nach dem Gegentreffer verunsicherten Gastgebern Schwung verliehen, jetzt wollten sie alles. Dann traf Klimowicz erneut, und es folgte Brychs Fehlentscheidung, die der Referee später selbst einräumte („Wie es ausschaut, war es gleiche Höhe. Insofern wäre es Tor gewesen”), es folgte aber auch nach dem falschen ein lediglich erhoffter Pfiff des Schiedsrichters und ein böses Ende für die Bochumer.
Stefan Reisinger konterte die Hausherren in buchstäblich letzter Sekunde aus, was Freiburgs Trainer Robin Dutt richtig einzuordnen wusste: „Wenn man mit der letzten Aktion des Spiels zum Sieg trifft, ist er ein Stück weit glücklich.”
Von Glücksmomenten wie diesem ist man beim VfL Bochum momentan sehr weit entfernt. Das sieht wohl auch Heiko Herrlich so, der sich mit dieser eher rückwärtsgewandten und von Selbstmitleid geprägten Betrachtungsweise aber nicht lange aufhalten will. Herrlich arbeitet. Er hat für heute einen Laktattest angeordnet und will sehen, was in Sachen Fitness noch drin ist, um das Blatt zu wenden.