Bochum. Den 19-jährigen Jungprofi des VfL Bochum hatte noch vor ein paar Monaten niemand auf der Rechung, aber jetzt kann der Mittelfeld-Spieler bereits auf drei Zweitliga-Einsätze verweisen. Bei der Niederlage in Düsseldorf gehörte er noch zu einem der Besseren. Trainer Peter Neururer plant, ihn “dosiert aufzubauen“.
Dieser Junge hat Power. Biss. Willen. „Ich kenne nur eine Richtung“, sagt Onur Bulut. „Vollgas.“
In der Jugend standen schonmal Eltern, Bekannte am Rand, um ihn mit Süßem aufzupäppeln, weil er so viel gerannt ist wie alle anderen zusammen auf dem Platz (und manchmal tatsächlich unterzuckert ist, was medizinisch als nicht weiter gefährlich eingestuft wird).
Oder das Spiel beim VfL II, November 2012, gegen Siegen, 88. Minute. Es steht 2:1, Onur Bulut, damals 18, klappt zusammen, ist kurz bewusstlos. Er war, hieß es, nach einer Erkältung ein paar Tage zuvor über seine Grenzen hinaus gegangen. Ein Schock - eine Lehre? „Ich habe mich fit gefühlt“, sagt der Mittelfeldrenner. „Ich würde es wieder so machen.“
Hausaufgaben hat Bulut unterwegs im Bus erledigt
Eine Einstellung, die womöglich von Trainern und Medizinern hier und da vor- und fürsorglich gebremst werden muss. Die aber den Charakter dieses selbstbewussten, bodenständigen, nie überheblich auftretenden Sauerländers wohl am besten beschreibt. Ehrgeizig ist er, fleißig, diszipliniert; und ein intelligenter Bursche, der sein Abitur 2012 sinnbildlich im Bus vorbereitete. Bulut kommt aus Werdohl, seine Eltern, seine drei wesentlich älteren Geschwister sind ihm das Wichtigste. In der C-Jugend wechselte Onur, fußballerisch beschlagen, aber nicht begnadet, von den SF Iserlohn-Oestrich zum VfL. Mittlerweile hat der gebürtige Sauerländer eine Wohnung in Bochum bezogen; vier Jahre lang, bis Sommer 2012 aber tourte er im Bus des VfL zum Jugend- und U23-Training und zurück, mit Umwegen für die Mitfahrer bis nach Olpe, fast täglich waren das über 200 km. Die Hausaufgaben hat er unterwegs erledigt. „Das war“, sagt er, „schon stressig.“ Aber es lohnte sich.
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Gependelt ist Bulut im Vorjahr dann nur noch sportlich, zwischen A-Jugend (sehr selten), Profis (manchmal im Training) und U23 (oft). In der Regionalliga-Reserve stieg Bulut, den der VfL bereits 2011 bis zum Sommer 2014 vertraglich band, zum Leistungsträger auf. Ein Jahr als Noch-A-Jugendlicher bei den Senioren, das ihm viel gebracht hat, sagt er. Über Spielpraxis in der vierten Liga habe er reichlich Erfahrungen gesammelt, und unter dem damaligen „sehr guten“ Trainer Iraklis Metaxas habe er „sehr viel gelernt“.
Laufstärke, Ballsicherheit und Spielintelligenz zählt Neururer zu Buluts Stärken
Das Jahr gab dem im Mittelfeld flexibel einsetzbaren Ausdauerpaket zudem Selbstbewusstsein, sagt Bulut. Nach der ordentlichen Sommervorbereitung mit den Profis im Vorjahr legte er nun eine Schüppe drauf, avancierte zur „Überraschung“ des Sommers, so Trainer Peter Neururer - und schaffte es bei Union Berlin zum Auftakt schon in den Kader. Neururer nennt Buluts Entwicklung „großartig“, Laufstärke, Ballsicherheit und Spielintelligenz zählt er zu seinen Stärken, „am Abschluss arbeiten wir noch“. Der Lohn: Gegen Dresden feierte Bulut in den letzten elf Minuten seine Zweitliga-Premiere, es war „ein super Gefühl“ für ihn, „vor den 20000 Fans zu spielen, die uns fantastisch unterstützt haben“. Und zuletzt, gegen St. Pauli und Düsseldorf, spielte Bulut sogar von Beginn an im Mittelfeld. „Das verleiht zusätzlich Euphorie“, sagt Bulut, der insgesamt zufrieden ist mit seinen Leistungen. Zu Recht: Ohne Hemmungen legte er etwa gegen St. Pauli los, war auch in Düsseldorf einer der Besseren (Neururer: „Onur hat ordentlich bis gut gespielt“), auch wenn es nicht so lief wie erhofft, beim Team, auch bei ihm: „Ich muss noch ruhiger werden und manchmal schneller abspielen“, sagt er. Auch in punkto Robustheit - mit knapp 1,80m und 72 kg wirkt er eher schmächtig - will (und muss) er noch zulegen.
Neururers Plan sieht vor, den 19-Jährigen „dosiert aufzubauen“, womöglich ab und an bei der zweiten Mannschaft spielen zu lassen. Bulut würde das akzeptieren, „Vollgas“ geben bei der U23. Lieber, natürlich, will er „oben bleiben“. Und am Samstag auflaufen. Paderborn, sagt er nach dem „Rückschlag“ in Düsseldorf, „hauen wir jetzt weg.“