Bochum. Friedhelm Funkel ist seit inzwischen 35 Jahren im Profifußball tätig. Über 1000 Spiele hat er inzwischen im Kreuz. Fünf Mal sind von Funkel trainierte Teams bislang aufgestiegen. Der VfL Bochum soll die Nummer 6 werden.
Man hat ja so einiges gehört. Stur soll er sein, und man hat diese Bilder vor Augen: wie er nach Spielen immer etwas unnahbar wirkt, ein wenig verknittert und oft mürrisch. Wie der Mann, so der Fußball, heißt es. Eben ein nüchterner Typ, ein Pragmatiker, der einen zweckmäßigen Ball spielen lässt, im Zweifel eher defensiv. Einer fürs Ergebnis, keiner fürs Erlebnis. Kein Trainer zum Träumen also. Und dann redet Friedhelm Funkel, der dieses Image seit Jahrzehnten mit sich trägt, über Fußball. Und man staunt.
Es ist das Gedächtnis, das einen zuerst beeindruckt. Sein Einstand in der Bundesliga, damals noch als Spieler, liegt 35 Jahre zurück, im August 1975. Friedhelm Funkel weiß noch die Begegnung, er weiß das Ergebnis, 1:2, und die Torschützen, zweimal Horst Hrubesch für die anderen und einmal, nun ja, Funkel eben. Rot-Weiss Essen gegen Bayer Uerdingen hieß das Spiel. Das war tatsächlich mal ein Bundesligaduell, und man beginnt zu ahnen, was und wen Funkel im Profifußball alles hat kommen und gehen sehen. Essen und Uerdingen leben längst von Erinnerungen.
Nur Friedhelm Funkel, der ist immer noch da.
Er trainiert den VfL Bochum, für solche Missionen wird er verpflichtet. Bochum will zurück in die Erstklassigkeit, kein Trainer hat in Deutschland mehr Bundesligaaufstiege geschafft als Funkel, fünf bislang. Trotzdem hatte er keine Chance auf die Großen. Also auch keine Titel. Aber macht das was?
Über 1000 Spiele hat Funkel inzwischen im Kreuz, zunächst als Profi, dann als Trainer. Der 57-Jährige erzählt von alten Zeiten, nicht nostalgisch verklärt, aber voller Details, die verraten, dass hier jemand für den Fußball lebt. Die Kader waren kleiner, die Atmosphäre familiärer. Andererseits: Der Ton der Trainer war derber, direkter. „Was sind wir manchmal zusammen geschissen worden“, erinnert sich Funkel, „das dürfte ich mir heute niemals leisten.“
Funkel mag knorrig wirken, wie jemand, der sich ungern von jedem Zeitgeist verbiegen lassen möchte. Er lächelt, wenn jüngere Kollegen „Box“ sagen, wenn sie Strafraum meinen. Aber auch er hat verinnerlicht, wie viel sich verändert hat, sich selbst schließt er ein. Er erzählt die Geschichte über die Geburt seiner ersten Tochter, die gerade 25 Jahre alt geworden ist. Funkel spielte damals mit Kaiserslautern bei den Bayern. Seine Tochter kam früher als erwartet, die Hotelrezeption stellte seine Frau nicht durch, weil Bettruhe angeordnet war. Trainer Kalli Feldkamp hat ihn dann doch nach Hause geschickt, der Busfahrer hat ihn nachts gefahren – zur Geburt kam er zu spät. Seine Erkenntnis daraus: „Wer ein Problem hat, kann immer zu mir kommen. Familie geht vor.“
Begeisterter Karnevalist
Der Satz ist wohl kein Zufall. Funkel ist in Neuss aufgewachsen, er wohnt ein paar Minuten von seiner Heimatstadt entfernt, die Mutter lebt noch dort, die alten Freunde aus der Schule und aus seinem ersten Verein, dem VfR, sieht er inzwischen wieder regelmäßig. Mit den Freunden zieht er in jedem August beim Schützenfest durch die Stadt, herausgeputzt in Grenadieruniform. Mit ihnen feiert er begeistert Karneval in Köln. Wenn er glaubt, sich das gestatten zu können. Mit Bochum läuft es gut, er darf.
Ist so einer knorrig?
Es hat ihn als Trainer ein paar Mal aus dem Westen verschlagen. Zweimal, in Berlin und Rostock, ohne Erfolg. „Da oben“, sagt Funkel und meint die Hansestadt, „habe ich mich nicht richtig wohl gefühlt. Als ich gehen musste, konnte ich die Entscheidung sogar verstehen.“ In Frankfurt ist es gelaufen wie so oft: Das Team hat sich unter Funkel in der Bundesliga etabliert, so wie vorher der MSV Duisburg. Aber am Ende war er dem Umfeld nicht mehr gut genug. Nicht glamourös genug für eine träumende Metropole.
Eine Trennung wie die in Frankfurt tut dem Pragmatiker nicht weh. Weh getan hat ihm das Ende in Köln, als er kurz nach, natürlich, einem Aufstieg gehen musste. Funkel erfuhr es am Autotelefon, er musste rechts ran: „Ich war vollkommen geschockt“, erinnert er sich, „Köln, das hat mich tief getroffen.“
Nun also Bochum. Funkel ist nicht von allen Fans mit offenen Armen empfangen worden, aber er ist vielleicht genau der Richtige für den VfL. Nach einem schlechten Saisonstart sieht es jetzt, nach einer Serie von neun Spielen ohne Niederlage, nicht schlecht aus. Es geht um den Aufstieg, mal wieder. Und dann? „Klasse halten“, sagt Funkel, der weiß, wie schwierig es für Vereine wie Bochum ist, sich in der Bundesliga dauerhaft zu halten.
Das klingt vielleicht nicht sexy. Aber nach 20 Jahren als Trainer besitzt Friedhelm Funkel die Gelassenheit, wohl auch die Unabhängigkeit, um sich treu zu bleiben. Wie es als Trainer für ihn, so alles in allem, gelaufen ist? „Ich bin“, sagt er da, „sehr zufrieden.“