Bochum. Eine perfekte Bundesliga-Premiere als verantwortlicher VfL-Coach feierte Funny Heinemann in Nürnberg. Doch auch nach dem so wichtigen 1:0-Sieg beim Club spielt er in den Planungen des Vorstandes bei der Suche nach einem neuen Cheftrainer keine Rolle.

Strahlende Gesichter, schulterklopfende Gratulanten und zwei Debutanten im Rampenlicht: Die VfL-Profis waren am späten Freitagabend, nach diesem immens wichtigen 1:0-Sieg beim Club in Nürnberg, kurz vor ihrer Abfahrt zurück ins Ruhrgebiet spürbar erleichtert.

Allen voran natürlich der nach Marcel Kollers Demission von der Nummer vier zur eins aufgestiegene Andreas Luthe. Er hätte jeden „für verrückt erklärt“, der ihm vor fünf Tagen noch seine Bundesliga-Premiere in Nürnberg vorausgesagt hätte, erzählte der 22-Jährige. Und zwar eine fehlerfreie, nachdem er schon am Dienstag im Pokal gegen Schalke überzeugt hatte. „Dieses Ergebnis, auswärts zu null gewonnen, das ist schon ein Traum für mich“, sagte der Aufsteiger der Woche. Er lachte, wie man eben lacht, wenn man sich noch wie im Märchen fühlt – aber er blieb zugleich erstaunlich sachlich, realistisch. Wenn Philipp Heerwagen seinen Kiefernbruch auskuriert hat, und das ist bis zum nächsten Auswärtsspiel in Dortmund am 18. Oktober wohl der Fall, dürfte Luthe wieder auf der Bank Platz nehmen. Sein Einsatz gegen Wolfsburg am kommenden Samstag dürfte erstmal sein letzter in der Bundesliga sein. Auch wenn er in Nürnberg die wenigen Bälle, die die harmlosen Nürnberger in seine Richtung brachten, bravourös meisterte und von seinen Mitspielern mit Lob überschüttet wurde für seine „Ruhe, die er ausstrahlte“ (Kapitän Marcel Maltritz). Luthe ahnt das, er sagt nur wenigen Minuten nach seinem Debut: „Es wird auch wieder schlechtere Zeiten geben, aber damit kann ich umgehen.“

Von der eins zur zwei – dieser Positionswechsel erwartet auch den Mann, der in dieser extrem schwierigen Phase für den Verein Andi Luthe auf Kosten von Daniel Fernandes so überraschend vertraut hatte. Frank „Funny“ Heinemann spielt in den Überlegungen des VfL-Vorstandes bei der Suche nach einem Nachfolger für Marcel Koller weiterhin keine Rolle. Während dies VfL-Sportvorstand Thomas Ernst, nach dem Erfolg natürlich viel entspannter als in den vergangenen Tagen, vor zig Kameras deutlich machte, sagte Finanzvorstand Ansgar Schwenken in einer ruhigen Ecke der Stadion-Katakomben zur WAZ erneut unmissverständlich: „Es gibt eine klare Absprache zwischen Aufsichtsrat, Vorstand und auch Frank Heinemann, die wir nach der Trennung von Marcel Koller getroffen haben. Daran hat sich nichts geändert. Wir haben klare Vorstellungen und wollen zusehen, dass wir die in den nächsten Tagen realisieren.“ Wann genau also kommt wer? Hier hüllt sich der VfL bewusst in Schweigen, überlässt diese Bühne den Spekulanten. Das Kalkül: Man will keine Favoriten nennen, die man dann vielleicht nicht kriegt – was den „Nachrücker“ automatisch zur 1-B-Lösung machen würde.

Am großen Wahl-Sonntag jedenfalls, so viel steht fest, kürt der VfL definitiv noch nicht seinen neuen Kanzler, versicherten die VfL-Verantwortlichen. Der Sieg, die Saisonpunkte fünf, sechs und sieben, der Sprung auf einen Nichtabstiegsplatz, er hat nicht nur für einen Stimmungsumschwung gesorgt bei den Fans und im Verein, er hat auch dem Vorstand seine Arbeit erleichtert: In einem etwas beruhigten Umfeld lässt es sich besser verhandeln, zumal die Mannschaft sportliche Argumente geliefert hat; indem sie dem künftigen Trainer zeigte, dass sie nicht nur kämpfen, sondern doch noch Fußball spielen kann. „Wenn wir verloren hätten“, sagte Ernst, „wäre der Druck zur Eile groß gewesen. So können wir es mit mehr Ruhe so durchsetzen, wie wir uns das vorgestellt haben.“ Heißt: Man werde nun mit Kandidaten „intensive Gespräche führen“, so Ernst, und zwar „zweimal, dreimal, damit wir ganz sicher sind, dass es der Richige ist“. Spricht man denn auch mit Funny Heinemann, wie es weißgott nicht alle, aber ein Teil der Fans schon fordern? „Er hat den Vorteil“, sagte Ernst süffisant, „dass wir mit ihm nicht so viel sprechen müssen. Wir wissen, was er kann.“

Anders ausgedrückt, das sagt Ernst natürlich nicht öffentlich: Man weiß auch, was er nicht kann. Trotz des kurzfristigen Erfolges jedenfalls traut man dem 44-Jährigen offenbar langfristig nicht genug zu. Und Heinemann selbst, vor diesem Schlüsselspiel in Nürnberg noch merklich angespannt und gereizt, nach seiner Bundesliga-Premiere aber sachlich-souverän wie ein erfahrener Trainerfuchs, nimmt diese Grundsatzentscheidung nach außen hin sportlich. Nein, er lässt sich kein „Jetzt will ich Chef bleiben“-Gepolter entlocken. Er sei vor einer Woche als „Interimstrainer“ eingesprungen, „ich habe gesagt, dazu bin ich bereit, so ist es abgesprochen und so ist der Stand heute noch“, sagt Heinemann. Öffentlich gibt er sich gegenüber dem Klub, dem er ja seit Jahrzehnten als Profi und Co-Trainer dient und dem er, umgekehrt betrachtet, auch einiges zu verdanken hat, total loyal. Er sei „zufrieden“ mit seinem „eigentlich perfekten“ Bundesliga-Debut als verantwortlichem Trainer, „weil dieser Sieg der Mannschaft und dem Verein gut tut.“ Bei einer Niederlage hätte man „den Anschluss verloren“, deshalb, nur deshalb sei er „sehr, sehr erleichtert“. Also, ein letzter Versuch: Liegt die Antwort auf die Trainerfrage nicht so nahe? Heinemann lächelt. „Haben Sie Verständnis dafür“, sagt er fast entschuldigend.

Man muss kein studierter Psychologe sein, um unterstellen zu dürfen: Heinemann würde sofort unterschreiben. Wenn man ihn denn fragen würde.