Bochum. „Dreierkette“ taugte zum Unwort des Sommers beim VfL Bochum nach dem Auftakt. Das hat sich geändert. Kolumnist Michael Eckardt erklärt, warum.
Der VfL Bochum traut sich was und das ist auch gut so. Im dritten Erstligajahr in Folge bekommt das Wort Ballbesitz eine neue Wertigkeit an der Castroper Straße. Die Zeiten des „Spielmachers“ Manuel Riemann, der mit präzisen und langen Schlägen die häufig erfolgreichen Offensivbemühungen der Bochumer in der Vergangenheit eingeleitet hat, sind noch nicht in Gänze vorbei, aber das Konzept verändert sich – allmählich.
Hoch, höher, am höchsten – so könnte man das derzeit von Trainer Thomas Letsch verordnete Pressing in Worte fassen. Die gegnerischen Teams sollen damit zu einer unkontrollierten Spielweise gezwungen werden, also möglichst zu Pässen ins Leere, damit die VfL-Akteure den Ball quasi nur noch einsammeln müssen. Im besten Fall führt der immense Druck zu frühem Ballgewinn, der Weg zum Tor des Kontrahenten ist in der Regel dann kurz, der Überraschungseffekt groß.
VfL Bochum defensiv: Gehörige Bandbreite zwischen Restverteidigung und Fünferkette
„Die Grundordnung ist nicht entscheidend“, hat Letsch einmal gesagt, als landauf, landab über die Einführung der Dreierkette in Bochum berichtet wurde. Recht hat er, denn die Dreierkette ist ja, genau betrachtet, nur die Beschreibung für drei nominierte Innenverteidiger.
+++ VfL Bochum: Keine Angst vor Bayern – Verteidiger fehlt +++
Wenn aber, wie beim VfL gewollt, nicht nur die so genannten „Schienenspieler“ weit vorrücken, sondern zentral mit Erhan Masovic auch noch einer dieser drei Innenverteidiger, dann bleibt lediglich die gern zitierte Restverteidigung übrig, in unserem Fall Ivan Ordets und Bernardo. Damit ist, wenn alle Spieler konsequent mitziehen, maximales Pressing möglich. Letschs Elf verfügt also defensiv über eine gehörige Bandbreite zwischen Restverteidigung und einer Fünferkette, wenn auch beide Flügel hinten dicht machen, weil der Gegner vielleicht gerade eine dominante Phase hat.
Maximale Pressing erfordert Mut und birgt Risiken
Das maximale Pressing gegen Mannschaften, die über schnelle und technisch starke Spieler verfügen, durchzuziehen, erfordert allerdings viel Mut und Selbstvertrauen. Minimale Fehler, in Augsburg und gegen Frankfurt waren die Gegner erfolgreich, weil Bochumer Spieler haarscharf eine mögliche Abseitsstellung aufhoben, können einen um den verdienten Lohn bringen. Spielt der Kontrahent zügig über die Flügel, kann die Restverteidigung relativ einfach ausgehebelt werden.
So geschehen in der ersten Halbzeit des Spiels gegen die Frankfurter Eintracht. Ngankam, Ebimbe, der spätere Torschütze für die Hessen, und Larsson hatten auf dem linken Flügel allesamt freie Fahrt, scheiterten aber jeweils an Manuel Riemann. Die forsche Gangart inklusive Restverteidigung hat halt seine Risiken.
Gute Stimmung ist keine Garantie für Erfolg
Und sorgt zwar erst einmal für richtig gute Stimmung im Stadion, ist aber keine Garantie für Erfolg. Eine Mannschaft kann sich durchaus in Sachen Konsequenz, Spielkultur und Ballbesitzfußball verbessern und ein extrem gutes Pressing darbieten, am Ende aber dennoch mit leeren Händen dastehen. Jede Struktur- und Konzeptänderung ist letztlich auch ein Schuss ins Blaue.
Denn diese Fragen stellen sich einem Trainer immer: Wie innovativ kann ich sein, ohne meine Mannschaft zu überfordern? Und: Können die Spieler unserem gestiegenen Anspruch gerecht werden? Noch können wir nur hoffen, dass Thomas Letsch die richtigen Antworten darauf gefunden hat. Aber es sieht schon ziemlich gut aus.