Jerez de la Frontera. Unter Thomas Letsch ist der VfL Bochum wieder konkurrenzfähig geworden. Der Trainer geht dabei gerne seinen eigenen Weg.

Cristian Gamboa ärgerte sich fürchterlich und stampfte wuchtig auf den vom andalusischen Landregen durchtränkten Platz. Der 33 Jahre alte Costa Ricaner fluchte derart, dass Menschen, die der spanischen Sprache mächtig sind, in der Nähe stehenden Minderjährigen reflexartig die Ohren zuhalten müssten. „Das hieß so viel wie: Er war nicht ganz so zufrieden“, beschönigte Thomas Letsch später Gamboas kleinen Tobsuchtsanfall.

Der Trainer des Fußball-Bundesligisten VfL Bochum beherrscht mehrere Sprachen, wobei man kein Spanisch-Experte sein muss, um so einen Inhalt zu verstehen. Anschließend wechselte der 54-Jährige noch ein paar Worte mit dem rechten Außenverteidiger, erklärte ihm, was er in der Situation lieber von ihm gesehen hätte: den direkten Abschluss, statt den einen Extra-Pass. Dann gab es noch einen aufmunternden Klaps auf den Rücken.

„Er hat sich völlig zurecht über sich selbst geärgert“, erklärte Letsch später. „Genau das brauchen wir, den Willen, auch die kleinen Spiele zu gewinnen. Da ist Cristian ein gutes Beispiel.“

Letschs Herangehensweise ist ähnlich wie am ersten Tag

Erst mal machen lassen, dann korrigieren. Im Dialog auf Augenhöhe. Es ist seine Herangehensweise von der ersten Einheit an gewesen, die Thomas Letsch an einem ähnlich usseligen September-Tag auf dem Bochumer Leichtathletik-Platz leitete. Damals stand der Klub fast punkt- und hoffnungslos auf dem letzten Tabellenplatz. Der Schwung der vergangenen Saison, die mit dem Klassenerhalt endete? Dahin. Letschs Vorgänger Thomas Reis irritierte zudem mit Aussagen zu seiner Zukunft, die er offenließ. Relativ zügig wurde auch sein (später erfolgreicher) Flirt mit Rivale Schalke 04 publik.

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Der noch immer recht neue Sport-Geschäftsführer Patrick Fabian wurde schnell zum Handeln gezwungen, entließ Reis und engagierte den bislang in Deutschland ziemlich unbekannten Thomas Letsch, der durch Ralf Rangnicks Red-Bull-Schule ging und zuletzt den niederländischen Erstligisten Vitesse Arnheim in den Europapokal führte. Dem gebürtigen Baden-Württemberger gelang, was viele gehofft, aber nur wenige erwartet haben: Er päppelte die frustrierte Mannschaft auf, stabilisierte die dauerpatzende Defensive und hauchte dem Team Stück für Stück die abhandengekommene Kreativität ein. Vor der WM-Pause gelangen Siege gegen Eintracht Frankfurt, den damaligen Tabellenführer Union Berlin, Borussia Mönchengladbach und beim FC Augsburg. Plötzlich lebte wieder der Glaube an den Klassenerhalt.

Antwi-Adjei ist einer der Gewinner des Trainerwechsels

Christopher Antwi-Adjei ist jemand, der besonders vom Trainerwechsel profitiert hat. Der pfeilschnelle Flügelstürmer spürt wieder Vertrauen, war an den jüngsten Punktgewinnen entscheidend beteiligt. Letsch sei ein „sehr kommunikativer Trainer, der eine gewisse Gelassenheit an den Tag legt, aber auch einen klaren Plan hat“, lobt der 28-Jährige den studierten Mathematik- und Sport-Lehrer, der betont, wie wichtig die dort gesammelte Lebenserfahrung auch im neuen Job für ihn sei.

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Die ursprüngliche Profession seines Vorgesetzten war Antwi-Adjei im Übrigen gar nicht bekannt, aber: „Er strahlt auf jeden Fall diese Souveränität aus.“ Ein Begriff, viel Interpretationsspielraum. Letsch ist klar in seinen Worten, spricht wohlüberlegt. Souveränität bedeutet zugleich jedoch, auch mit eigenen Fehlern umgehen zu können. Im ersten Spiel unter seiner Regie, beim 0:4 in Leipzig, vergriff sich der 54-Jährige in der Taktikkiste, ließ den bis dahin besten Bochumer Kevin Stöger draußen und stellte auf eine Dreierkette um - seine bevorzugte Verteidigungsformation. Es wurde zum Leipziger Fehler-Allerlei. Letsch hat offensichtlich seine Lehren daraus gezogen.

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Letsch hat endlich Zeit, mit dem VfL Bochum an Details zu arbeiten

Dieser Tage hat er in Jerez de la Frontera Zeit, mit seiner Mannschaft an Details zu arbeiten – zum ersten Mal so wirklich, seitdem er im September ins kalte Wasser gestoßen wurde. Sein Vertrag beim VfL besitzt eine Laufzeit bis 2024 und ist für beide Ligen gültig. Schafft er mit den Bochumern den erneuten Klassenerhalt, würde das seiner Karriere unverhofft spät noch einmal Schwung verleihen. Als er Trainer des FC Liefering war, der ebenfalls vom Getränkehersteller kontrollierte Ausbildungsverein für Red Bull Salzburg und den deutschen Ableger in Leipzig, war er schon einmal nah dran an einem Posten bei einem Top-Klub. Red Bull allerdings gab Salzburgs U19-Coach Marco Rose den Vorzug, statt Letsch zu befördern.

Letsch ging einen anderen, ungewöhnlichen Weg über die Niederlande. Dort, wo er nun ist, scheint er erstmal zufrieden zu sein. „Es war sehr leicht in Bochum anzukommen, egal ob im Verein oder anderswo“, sagt er. „Die Leute sind sehr offen.“ Vor allem Menschen gegenüber, die ihrem VfL helfen.