Bochum. Hans-Peter Villis will als Chef des VfL Bochum wiedergewählt werden. Er spricht über Fehler, Verdienste, Ziele, Reis, Schindzielorz, Dr. Bauer.
Unternehmensberater Hans-Peter Villis (64) ist seit 2010 Mitglied im Aufsichtsrat/Präsidium des VfL Bochum und seit 2012 Aufsichtsratschef/Vorstandsvorsitzender. Am Dienstag stellt er sich mit seinem Team zur Wiederwahl. Ebenfalls zur Wahl stellt sich das „Team Bauer“ mit Klinikchef und Vereinsarzt Dr. Karl-Heinz Bauer an der Spitze (Interview mit Dr. Bauer lesen Sie hier). Im Interview spricht Villis über Vorwürfe und Verdienste, Fehler und Erfolge, Spaltungs-Befürchtungen, die Stärken seines Teams, Transfers und Ziele.
Waren Sie überrascht, dass es eine Gegenkandidatur gibt mit dem langjährigen Vereinsarzt an der Spitze
Hans-Peter Villis: Ich war überrascht und bin auch erst nach der offiziellen Bewerbung bei der Findungskommission von Dr. Bauer informiert worden. Es hat mich schon irritiert, dass unser Vereinsarzt, mit dem ich immer ein gutes Verhältnis gepflegt habe, mit einem Team antritt.
Im Sinne einer demokratischen Wahl kann das doch gut sein.
Natürlich. Das höchste Organ ist die Mitgliederversammlung. Wir haben auch kein Problem damit, uns der Wahl zu stellen. Es ist allerdings eine gewisse Unruhe innerhalb des Vereins und rund um den VfL zu spüren, was erfahrungsgemäß wenig förderlich ist. Denn für den Erfolg brauchen wir Ruhe und Kontinuität.
Zur Person
Hans-Peter Villis (64) wurde in Castrop Rauxel geboren. Der Vater von zwei Söhnen (34 und 30 Jahre) ist seit seiner Jugend VfL-Bochum-Fan. 2010 wurde er in den Aufsichtsrat gewählt, seit 2012 ist er Vereinschef als Aufsichtsrats-/Vorstandsvorsitzender. Villis machte als Manager im Energiebereich Karriere, war von 2007 bis 2012 Vorstandsvorsitzender der EnBW. Er ist selbstständiger Unternehmensberater und sitzt in zahlreichen Aufsichtsräten großer Unternehmen wie etwa der Getec-Gruppe (rund 1 Milliarde Euro Umsatz).
Könnte es im Klub zu einer Spaltung kommen?
Letztlich wird man das erst beurteilen können, wenn die Mitgliederversammlung gelaufen ist. Aber mehrere Stake-Holder, ob Fans oder Sponsoren, und unsere Gremien wie der Ehrenrat und Wirtschaftsrat, fragen schon, was denn los ist. Dr. Bauer glaubt nicht an eine Spaltung, hoffentlich behält er recht.
Wird das Ergebnis des VfL-Spiels in Augsburg die Wahl beeinflussen?
Man kann nicht die Führung eines Vereins über die aktuelle Amtsperiode, also die vergangenen vier Jahre, von Einzelergebnissen abhängig machen. Natürlich spielt aber die Leistung der Mannschaft insgesamt eine Rolle. Man sieht, dass die Mannschaft intakt ist, zusammenhält, sich unter Trainer Thomas Letsch und seinem Team weiterentwickelt. Das macht uns optimistisch.
Der ehemalige Sport-Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz hat seinen zum Jahresende auslaufenden Vertrag im Mai selbst gekündigt. Teils offen, teils indirekt wird Ihnen vorgeworfen, sich nicht wertschätzend genug und rechtzeitig um eine Vertragsverlängerung mit Schindzielorz gekümmert zu haben.
Das ist schlichtweg falsch. Ich hatte schon Ende letzten Jahres Gespräche mit Sebastian Schindzielorz, denen weitere folgten. Ich war selbst überrascht, dass er letztlich seinen Vertrag gekündigt hat. Er hatte einen sehr wettbewerbsfähigen Vertrag. Unsere größte Wertschätzung war aber, dass wir ihm nach dem Ende seiner Profikarriere die Möglichkeit gegeben haben, sich beim VfL Bochum bis zum Vorstand bzw. Geschäftsführer Sport zu entwickeln. Die Aufgabe haben wir ihm zugetraut, und er hat sie gut gemacht. Deshalb wollten wir ihn auch halten. Mehr Wertschätzung kann es nicht geben. Es ist immer ein Geben und Nehmen.
Hätte sich der Verein von ihm vor der Transferphase für diese Saison trennen müssen?
Nein. Es war kein Fehler, ihm bei der Kaderplanung zu vertrauen. Wir haben ihn bei der Saisonplanung im Aufstiegsjahr vertraut, wie auch in den Spielzeiten zuvor, das gilt für das gesamte Präsidium. Der VfL ist keine One-Man-Show. Der Kader ist beim VfL Bochum immer das Ergebnis intensiver Diskussionen zwischen der Geschäftsführung, den Scouts, der Sportlichen Leitung und dem Präsidium. Wir sind fest davon überzeugt, dass der Kader wettbewerbsfähig ist und die Klasse halten wird.
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Nach Talentwerk-Chef Alexander Richter, Schindzielorz und Trainer Thomas Reis, die man alle für sich bewerten muss, verlässt auch Marketing-Direktor Christoph Wortmann den Klub zum Jahresende. Er wechselt zu Arminia Bielefeld. Warum?
Christoph Wortmann hat bei uns einen super Job gemacht. Er hat uns informiert, dass ihm in Bielefeld eine höhere Position in Aussicht gestellt wird. Diese hätten wir ihm beim VfL nicht anbieten können. In der Geschäftsführung haben wir mit Patrick Fabian und – in Wortmanns Bereich – Ilja Kaenzig zwei Führungskräfte, die einen tollen Job machen, Ilja Kaenzig bereits seit viereinhalb Jahren. Ich kann Christoph Wortmanns Schritt, den wir bedauern, nachvollziehen.
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Bei Thomas Reis ist nach seinen bekannt gewordenen Schalker Wechselwünschen, seinem Umgang damit und dem tatsächlichen Wechsel die Stimmungslage anders. Hier heißt es nun vielfach: Die Trennung hätte nach seiner Bitte um Freigabe im Juni erfolgen müssen.
Er hatte noch ein Jahr Vertrag. Diese Saison haben wir ihm den erneuten Klassenerhalt ganz klar zugetraut. Es war klar, dass Sebastian Schindzielorz den Verein verlässt. Uns war es wichtig, Thomas Reis als einen der Erfolgsgaranten der zwei Jahre zuvor an Bord zu halten und auch über eine Vertragsverlängerung zu verhandeln. Was wir auch gemacht haben. Wir können nicht jedes Mal, wenn jemand ein Angebot hat, ihn gleich ziehen lassen. Letztlich haben die sportlichen Misserfolge in den ersten Saisonspielen zu einer Trennung geführt, weil wir das Gesamtprojekt gefährdet sahen.
Vills räumt Fehler ein: Bei der PK zur Reis-Trennung fehlte ein Präsidiums-Mitglied
Haben Sie in der Kommunikation rund um das Thema Reis Fehler gemacht?
Wenn wir als Organ einer Aktiengesellschaft Interna ausplaudern, die das Personal betreffen, könnte das strafrechtliche Konsequenzen haben. Ich kann gewisse Dinge nicht kommunizieren, das ist Fakt. Was man uns vorwerfen kann, ist, dass unser Sportgeschäftsführer Patrick Fabian in der Pressekonferenz zur Trennung von Reis allein war. Ich konnte nicht vor Ort sein, weil ich berufliche Verpflichtungen hatte. Nach der Entscheidung war aber eine PK kurzfristig nötig. Es wäre besser gewesen, wenn ein Mitglied des Präsidiums die gemeinsame Entscheidung mit Patrick Fabian verkündet hätte. Das hätten wir besser managen müssen.
Bei der Präsentation vom neuen Trainer Thomas Letsch waren Sie dabei...
Wenn ein neuer Trainer als einer unserer wichtigsten Mitarbeiter beim VfL Bochum anfängt, möchte ich ihn als Vereinsvorsitzender begrüßen. Auch das hat viel mit Wertschätzung zu tun.
Villis: Diese finanzielle Flexibilität gab es vor drei, vier Jahren noch nicht
Wirtschaftlich hat sich der VfL Bochum konsolidiert, trotz Coronakrise. Als Sie anfingen vor zehn Jahren, fürchtete der Klub um seine Existenz. Nach dem abgelaufenen Geschäftsjahr ist das Eigenkapital wieder positiv. Werden Ihnen diese finanziellen Erfolge zu wenig gewürdigt?
Ich bin nicht angetreten, um immer nur Lob zu bekommen. Ein solide, nachhaltig geführter Verein ist die Basis dafür, sportlichen Erfolg zu haben, Sponsoren zu gewinnen, Partner zu haben. Dies wird dadurch gewürdigt, dass wir viele Partner langfristig an Bord haben, die das genauso sehen. Auch die Banken achten darauf. Die finanzielle Flexibilität, die wir bis vor drei, vier Jahren nicht hatten, ist gegeben.
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Brechen langjährige Partner bei einem Präsidiums-Wechsel weg?
Ich hoffe das nicht, falls wir nicht gewählt werden sollten. Der Verein steht im Vordergrund. Aber wie gesagt: Es gibt Sponsoren, die sich fragen, was da los ist beim VfL.
Manche klagen, der VfL hätte im Sommer zu wenig in die Mannschaft investiert.
Das ist falsch. Wir haben das Budget des Kaders gegenüber der Vorsaison signifikant erhöht, von 24 auf 31,5 Millionen Euro. Rund 40 Prozent unseres Umsatzes werden für den Lizenzspielerkader aufgewendet, das ist ein gesunder Wert. Und wir haben nach wie vor die Flexibilität, um in der WM-Pause über Verstärkungen nachzudenken. Diese werden wir auch nutzen.
Wintertransfers: Risiko ja, aber nicht „All in“
Gehen Sie bei Wintertransfers mehr ins Risiko?
Wir sind risikobereit, im Sinne des verlässlichen Kaufmanns. Wir werden nicht All-in gehen und ein Strohfeuer entfachen. Wir werden alles dafür tun, in der Bundesliga zu bleiben, auch finanziell. Aber wir haben immer im Blick, was passiert, wenn es nicht hinhaut. Das ist die Verantwortung des Präsidiums und der Geschäftsführung.
Für das Präsidium treten in Vereinsfragen nur Sie in der Öffentlichkeit auf. Warum?
Wir wollen mit einer Stimme sprechen und sicherstellen, dass es ein Sprachrohr nach außen gibt. Das ist der Vorsitzende. Es zeigt auch ein Vertrauen in mich, dass ich die Meinung des gesamten Präsidiums wiedergebe. Wenn aber zum Beispiel ein Jupp Tenhagen von den Medien angefragt wird, geht er natürlich auch dort hin.
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Das sagt Bochums Vereinschef zu den Stärken seiner Team-Mitglieder
Was zeichnet denn Ihre Team-Mitglieder aus?
Wir haben die gesamte Breite. Dr. Andreas Eickhoff ist Partner der renommierten Sozietät Aulinger Rechtsanwälte Notare, er bringt die juristische Perspektive mit. Uwe Tigges hat mit Innogy ein großes Unternehmen geführt. Er kam ursprünglich aus der Betriebsrats-Ebene und ist dafür bekannt, dass er mit Personal hervorragend umgeht. Er ist sehr gut vernetzt. Jupp Tenhagen ist eine Legende, er hat selbst beim VfL gespielt und ihn trainiert, er ist als Unternehmer breit aufgestellt. Dr. Christina Reinhart führt als Kanzlerin der Ruhr-Universität Bochum ein breites Konstrukt als Chefin, sie bringt auch als Wissenschaftlerin eine neue Sichtweise mit in unser Kernteam. Wir denken auch über den einen oder die andere nach, ihn oder sie zu kooptieren.
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Ex-Profi Martin Kree verlässt aus persönlichen Gründen das Präsidium. Fehlt es an sportlicher Kompetenz?
Nein, wir sind gut aufgestellt. Martin Kree hat viel eingebracht, ohne Frage. Aber wir als gesamtes Präsidium verfügen über breit gefächerte Netzwerke, zum Beispiel mit Beratern und ehemaligen Spielern, und können so die eigene Expertise einbringen. Mit Jupp Tenhagen haben wir eine VfL-Legende an Bord, der das Profifußballgeschäft perfekt kennt. Wichtig ist auch, dass wir einen guten Sport-Geschäftsführer haben.
Das sind die Kernthemen des Teams Villis
Welche Projekte und Strategien wollen Sie in Ihrer nächsten Amtszeit verstärkt angehen und (weiter-) verfolgen?
Wachstum und Kontinuität sind essenziell, diesen Weg der erfolgreichen vergangenen Jahre gehen wir weiter. Wir werden nach wie vor das Investor-Thema verfolgen. Aber immer unter der Maßgabe, dass ein Investor zum VfL Bochum passen muss. Wir sind in laufenden Gesprächen mit der Stadt zum Thema Optimierung des Stadions. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Wir werden verstärkt in die Infrastruktur des Nachwuchsleistungszentrums investieren, neue Finanzierungsmodelle für unsere Jugend finden. Patrick Fabian arbeitet an einem Konzept, eng zusammen mit der Talentwerk-Führung. Wir benötigen neue Umkleiden, einen weiteren Trainingsplatz, einen Kraftraum zum Beispiel. Das wird kommen. Digitalisierung ist ein Mega-Thema. Wir machen gute Fortschritte, die es noch zu verstärken gilt, etwa über soziale Medien Vertriebswege und Geschäftsmodelle aufzustellen. All dies ist aber immer das Ergebnis einer gemeinsamen Erarbeitung mit der Geschäftsführung, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das Präsidium hat eine Aufsichts- und eine beratende Funktion. Wir stehen ganz hinter den Strategien, die verantwortlich unsere Geschäftsführung in den vergangenen Jahren vorgelegt hat und vorlegt und unterstützen sie dabei, sie weiterzuentwickeln und umzusetzen.
Wenn Sie gewählt werden: Wo sehen Sie den VfL in vier Jahren?
Wir sind etabliertes Mitglied der Fußball-Bundesliga. Dafür werden wir alles tun. Wenn es sportlich nicht reichen sollte, dann sind wir definitiv ein grundsolide geführter Verein, der sich innerhalb der Top-25-Clubs des deutschen Fußballs bewegt.