Bochum. Karl-Heinz Bauer will Präsident des VfL Bochum werden. Er spricht im Interview über seine persönlichen Beweggründe und seine Ziele beim VfL.

Prof. Dr. Karl-Heinz Bauer (64) ist seit 23 Jahren Vereinsarzt des VfL Bochum. Er will neuer VfL-Präsident werden und würde bei einem Wahlsieg seinen Job als Teamarzt beenden. Bei der Mitgliederversammlung am 15. November im Ruhrcongress stellt er sich „en bloc“ zur Wahl fürs Präsidium, und zwar mit den Bochumer Ex-Profis Marcel Maltritz (44) und Ralf Zumdick (64), mit AWo-Ruhr-Mitte-Geschäftsführer Marc Schaaf (39) und dem Waltroper Unternehmer Andreas Bobon (56).

Er tritt gegen das „Team Villis“ mit dem amtierenden Präsidenten Hans-Peter Villis an der Spitze an. (Ein ebenso ausführliches Interview mit Hans-Peter Villis lesen Sie an dieser Stelle am frühen Donnerstagabend).

Die Findungskommission entscheidet am Donnerstagabend über die Zulassung vom „Team Bauer“, von der auszugehen ist. Im Interview erklärt Dr. Karl-Heinz Bauer seine Beweggründe und Ziele.

Herr Dr. Bauer, wann und warum ist bei Ihnen der Entschluss gereift, genau jetzt mit Ihrem Team das Präsidium übernehmen zu wollen?

Dr. Karl-Heinz Bauer: Ich kenne den Verein seit 23 Jahren wie kaum ein anderer in allen Bereichen und Schattierungen. Ich kann bei der Geschäftsführung Ideen einbringen, aber nicht mitentscheiden. Im September haben sich Marcel Maltritz und ich getroffen und dann ein Team zusammengestellt. Ich habe in meinem Berufsleben viele weitreichende Entscheidungen getroffen. Ich habe noch nie so lange mit mir gerungen. Aber ich war mir dann sicher, dass wir etwas unternehmen müssen.

Zur Person

Prof. Dr. Karl-Heinz Bauer (64) wurde im bayerischen Neuötting geboren, seit 42 Jahren lebt er in Bochum, seit 23 Jahren ist der Vater von drei erwachsenen Kindern (Tochter 32J, Söhne 35 und 38J) Vereinsarzt des VfL Bochum. Im Fall eines Wahlsieges würde er seine Tätigkeit als Teamarzt beenden. Als Mediziner machte er in Bochum Karriere. Von 2003 bis 2021 war er dann Chefarzt der Klinik für Chirurgie am Knappschaftskrankenhaus Dortmund im Klinikum Westfalen. Seit 2006 und bis heute ist er Ärztlicher Direktor der Klinik und damit für rund 2800 Mitarbeiter verantwortlich.

Warum also jetzt?

Nach den jüngsten personellen Entscheidungen habe ich Angst bekommen, dass es mit dem Verein bergab geht. Damit meine ich nicht die Trennung von Trainer Thomas Reis. Ich meine vor allem den Abschied von Sebastian Schindzielorz (bis September Sport-Geschäftsführer, die Red.) und Christoph Wortmann (Direktor Marketing, wechselt im Winter zu Arminia Bielefeld, die Red.). Wir haben dann das Präsidium, die Geschäftsführung und den Wirtschaftsrat persönlich frühzeitig informiert.

Sebastian Schindzielorz hat im Mai seinen Vertrag zum Jahresende gekündigt, bis September für Bochum gearbeitet, im Oktober einen Vertrag beim VfL Wolfsburg unterschrieben, wo er im Februar als Sportdirektor anfängt. Wäre er unter Ihrer Führung noch beim VfL Bochum?

Wenn es irgendwo nicht weitergeht, muss man ja irgendwann woanders neu anfangen. Aber es geht jetzt nicht mehr um Vergangenes, es geht uns schon gar nicht um persönliche Eitelkeiten, um Vorwürfe gegen Einzelne. Jetzt es geht um die Zukunft. Der Verein steht über allem. Wir treten dafür an, den Verein besser zu machen.

Dr. Bauer: Eine Spaltung wird es mit uns nicht geben

Ruhe und Kontinuität im Klub gelten als Basis für Erfolge. Bewirkt Ihre Kandidatur nicht genau das Gegenteil – könnte es sogar zu einer Spaltung kommen?

Nein. Es ist eine demokratische Wahl, keine Revolution. Wir sind keine Opposition, sondern eine Wahlalternative, wie sie seit vielen Jahren von vielen Seiten gewünscht wurde. Die Mitglieder können wählen, nachdem sie sich von allen ein Bild gemacht haben. Das ist ein ganz normaler demokratischer Vorgang. Eine Spaltung wird es mit uns definitiv nicht geben.

Dr. Karl-Heinz Bauer beim Heimspiel des VfL Bochum am Dienstag gegen Borussia Mönchengladbach.
Dr. Karl-Heinz Bauer beim Heimspiel des VfL Bochum am Dienstag gegen Borussia Mönchengladbach. © firo Sportphoto | Sebastian El-Saqqa

Was wollen Sie besser machen als das amtierende Präsidium?

Ein erfolgreiches Management liegt begründet in einem wertschätzenden, ehrlichen Personalmanagement. Ich habe als Klinikchef meine Stärken in der Mitarbeitergewinnung und -entwicklung ebenso bewiesen wie in einer verantwortungsbewussten Unternehmensstrategie. Wenn man Personal halten kann, das Herzblut für seinen Arbeitgeber hat, kann man erfolgreich sein. Das ist bei einem Profiverein nicht anders als in einem Klinikum. Die meisten VfL-Fans kennen mich als Vereinsarzt. Es ist jetzt Zeit, dass man meine andere Seite auch kennenlernt als Anführer. Als Klinikchef bin ich verantwortlich für 2800 Mitarbeiter. Ich habe drei Fusionen maßgeblich begleitet. Ich habe einen Etat zu verwalten, der acht Mal höher liegt als der Lizenzspieleretat des VfL (Klinik-Etat rund 250 Millionen Euro/die Red.). Mein Weg der wertschätzenden Führung ist erfolgreich. Wir müssen beim VfL Bochum mit allen Mitteln versuchen, den Verein in der 1. Liga zu halten. Alle müssen zusammenhalten, und dafür brauchen wir Leute, die für den Verein brennen.

Das sagt Dr. Bauer zur Kritik, dass seine Teamkollegen erst jetzt Mitglied wurden

Kritiker werfen Ihrem Team vor, dass außer Ihnen die vier Präsidiums-Kandidaten erst im Oktober und November Mitglied des VfL Bochum geworden sind. Was sagen Sie denen?

Der VfL Bochum ist noch viel mehr als seine gut 21.000 Mitglieder. Es ist doch keine Frage, dass etwa Ralf Zumdick und Marcel Maltritz VfLer durch und durch sind. Sie sind nach Ihrer Karriere beide in Bochum heimisch geworden. Jetzt gab es die Veranlassung, Mitglied zu werden, weil wir sie im Gremium brauchen. Das ist ein normaler Vorgang, der auch bei einigen aktuellen Amtsträgern nicht anders verlief. Auch wenn meine vier Kollegen vor kurzem noch kein Mitglied waren, brennen sie seit Jahrzehnten für den Verein.

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Warum sind Ihre vier Teammitglieder die Richtigen für den VfL?

Ralf Zumdick ist national und international sehr gut vernetzt und kann die Geschäftsführung mit seiner sportlichen Expertise unterstützen, wenn es notwendig ist. Er ist überall geschätzt wegen seiner kommunikativen Art und seines Verstands nicht nur für den Fußball. Marcel Maltritz hat die VfL-DNA im Blut. Er hat nach seiner Karriere drei Jahre auf der Geschäftsstelle gearbeitet, ist in Bochum auch als Jungunternehmer heimisch geworden. Er kennt den Verein in- und auswendig.

Dann zu den im VfL-Umfeld bisher eher unbekannten Kandidaten.

Marc Schaaf ist als AWo-Geschäftsführer mit der Leitung eines Unternehmens vertraut. Er ist darüber hinaus auch unser Mann für einen engeren Fankontakt. Wir haben beispielsweise vor, mehr Fan-Aktionstage anzubieten. Wir müssen die Mitglieder so einbinden, dass sie sich mitgenommen fühlen. Das Wertschätzende müssen auch die Mitglieder und Fans erleben. Zudem ist Marc Schaaf politisch sehr gut verzahnt. Anderas Bobon ist ein unternehmerischer Kopf, der viele Unternehmen gegründet hat. Er Ist erfolgreich. Er hat insbesondere im Sport-Marketing sehr gute Kontakte. Dies hat er mehrmals bewiesen zum Beispiel im Eishockey. Er ist ein hoch integrer Mann.

Eine Frau zählt nicht zu Ihrem Team…

Das hatten und haben wir im Blick. Eine Kandidatin wollte sich noch nicht wählen lassen aus persönlichen Gründen. Es ist gut möglich, dass wir sie nach einer Wahl noch ins Präsidium kooptieren.

Beim amtierenden Präsidium gibt es die Vereinbarung, dass nach außen in Vereinsbelangen nur der Vorstandsvorsitzende Hans-Peter Villis für das Gremium spricht. Wollen Sie auch so verfahren?

Wichtig ist, dass wir immer mit einer Stimme sprechen. Wir werden Aufgabenschwerpunkte verteilen. Die jeweils Zuständigen äußern sich dann auch zu Ihrem Bereich. Grundsätzlich gilt: Je seriöser und unauffälliger man als Präsidium arbeitet, desto erfolgreicher ist man. Aber wenn wir gefordert sind, und das gilt in erster Linie in Krisenzeiten, werden wir da sein. Dann werde ich als Vorstandsvorsitzender auftauchen und meinen Kopf hinhalten.

Sie sprachen die Mitarbeiter an, geführt von der hauptamtlichen Geschäftsführung, die das Präsidium bestellt. Haben Sie Vertrauen in die Arbeit von Patrick Fabian (Sport) und Ilja Kaenzig (Sprecher/Finanzen)

Zu 100 Prozent. Ich kenne beide sehr gut. Wir sind froh, dass wir Ilja Kaenzig und Patrick Fabian haben und werden mit ihnen mit Sicherheit vertrauensvoll zusammenarbeiten. Wir werden die Geschäftsführung und das Trainerteam maximal unterstützen. Nur gemeinsam haben wir eine Chance, die Liga zu halten.

In der Amtszeit von Hans-Peter Villis hat sich der VfL wirtschaftlich konsolidiert, ist vergleichsweise gut durch die Coronakrise gekommen. Das Eigenkapital ist nach dem vergangenen Geschäftsjahr wieder positiv. Wollen Sie speziell in der bevorstehenden Transferperiode mehr ins Risiko gehen?

Das müssen wir genau mit der Geschäftsführung absprechen, wir hatten noch keinen Einblick in die Geschäftsbücher. Ein gewisses Risiko sollten wir in dieser Wintertransferperiode in Kauf nehmen, ohne dass die Gefahr besteht, den Verein in Schieflage zu bringen.

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Letzteres zu verhindern, ist eine Kernaufgabe des Präsidiums.

Natürlich. Wir haben das geringste Budget der Bundesligisten. Das gilt es aufzubauen mit langjährigen und neuen Sponsoren, mit Erfolgen. Das geht nur sukzessive, so, wie es Ilja Kaenzig immer wieder betont. Viel hängt davon ab, ob wir die Klasse halten oder nach einem Neuanfang erst wieder aufsteigen. Unser Ziel ist der Klassenerhalt. Sollten wir ihn nicht erreichen, müssen wir dafür Sorge tragen, dass wir in der 2. Liga nicht durchgereicht werden und dauerhaft zu den Top 25 in Deutschland gehören.

So steht das Team Bauer zur Investorenfrage

Mehr Geld könnte durch einen Investor gewonnen werden. Die Profiabteilung wurde nach Mitglieder-Beschluss im Jahr 2017 ausgegliedert. Waren Sie dafür oder dagegen?

Ich konnte damals berufsbedingt an der Versammlung nicht teilnehmen. Aber ich hätte auch für die Ausgliederung gestimmt, weil es dem Klub eine Möglichkeit gibt, Geld zu generieren. Die 50:1-Regel muss aber zwingend bestehen bleiben. Ein Investor, der kommen kann und soll, muss absolut passen. In dieser Frage werden wir uns von der Position von Ilja Kaenzig und des jetzigen Präsidiums nicht unterscheiden.

Die Themenfelder Personalmanagement, Wirtschaftlichkeit und Fan-Einbindung haben Sie bereits erläutert. Welche weiteren inhaltlichen Schwerpunkte wollen Sie setzen?

Unser Nachwuchsleistungszentrum war mal führend, es ist überholt worden. Es war ein Fehler, die U23 vor sieben Jahren abzuschaffen. Das eingesparte Geld ist damals verpufft, aber die Jugend wurde geschwächt, weil nicht jeder ein Leon Goretzka ist, der gleich mit 17, 18 Jahren Profi werden kann. Ob das schnell umzudrehen ist, kann ich nicht versprechen. Das müssen wir mit der Geschäftsführung, mit der Führung des Talentwerks intensiv erörtern. In jedem Fall müssen wir mehr Geld in die Nachwuchsarbeit investieren, auch in die Infrastruktur.

Team Bauer will den Frauenfußball möglichst in die 1. Liga führen

Wie stehen Sie zum Frauenfußball?

Auch da gab es mit dem Rückzug der ersten Mannschaft 2015 aus der 2. Liga eine Fehlentscheidung. Wir sind nicht nur ein Männerverein. Unsere erste Frauen-Mannschaft sollte mittelfristig in der 2. Liga, besser in der 1. Liga spielen. Zudem wollen wir das Thema Stadion verstärkt angehen in Zusammenarbeit mit der Stadt. Wir brauchen Ideen für eine Stadionentwicklung, von der alle Seiten profitieren, und müssen sie dann umsetzen. Das geht aber sicherlich nicht von heute auf morgen.

Wenn Sie gewählt werden: Wo sehen Sie den VfL Bochum in vier Jahren?

Weiter in der 1. Liga. Stabil. Mit der Tendenz nach oben hoffentlich. Letzteres hängt aber sehr vom Ausgang dieser Saison ab.

Prof. Dr. Karl-Heinz Bauer (64) wurde im bayerischen Neuötting geboren, seit 42 Jahren lebt er in Bochum, seit 23 Jahren ist der Vater von drei erwachsenen Kindern (Tochter 32J, Söhne 35 und 38J) Vereinsarzt des VfL Bochum. Als Mediziner machte er in Bochum Karriere. Von 2003 bis 2021 war er dann Chefarzt der Klinik für Chirurgie am Knappschaftskrankenhaus Dortmund im Klinikum Westfalen. Seit 2006 und bis heute ist er Ärztlicher Direktor der Klinik und damit für rund 2800 Mitarbeiter verantwortlich.