Bochum. Zusammenhalt, Kampfgeist, Spielidee – der VfL Bochum lässt seine Grundtugenden vermissen. Von einer Krise will man in Bochum noch nicht sprechen.

Thomas Reis erzürnte an den ersten drei Wochenenden dieser Bundesligasaison vor allem ein Thema. Ein ziemliches Durcheinander führten die Fußballprofis des VfL Bochum ja regelmäßig auf, wenn ein gegnerischer Schütze zum Eckball antrat. Die Zuteilung stimmte dann nicht – mit verheerenden Folgen. Zum Auftakt bedankte sich der Mainzer Karim Oniwiso dafür, eine Woche darauf schlugen die Hoffenheimer Ozan Kabak und Munas Dabbur die Offerte nicht aus. Ergänzt wurde die Liste von Spielern, die in der noch jungen Saison nach ruhendem Ball fast unbedrängt ins Bochumer Tor einköpfen durften, am Sonntagabend um einen prominenten Namen.

VfL Bochum erlebt gegen den FC Bayern ein Debakel

Matthijs de Ligt, niederländischer Nationalspieler und 70 Millionen Euro teurer Innenverteidiger-Zugang von Bayern München, entledigte sich zunächst ziemlich mühelos seines Bewachers Kevin Stöger. Dann segelte Torwart Manuel Riemann noch am Ball vorbei. Und Rechtsverteidiger Cristian Gamboa konnte mit seinen 1,75 Metern Körperlänge auch nicht mehr verhindern, dass der 14 Zentimeter größere de Ligt über ihn hinwegsprang. Trainer Reis regte sich diesmal nicht sonderlich darüber auf. Der 48-Jährige resignierte: „Die Standardsituation waren heute nicht der ausschlaggebende Punkt.“ Tatsächlich war das Fehlverhalten in der 25. Minute des 0:7-Debakels gegen die Bayern nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, der vor 26.000 Zuschauern im Ruhrstadion durch die Münchener Wirbelwinde Leroy Sané, Sadio Mané und Kingsley Coman pausenlos befeuert worden war.

Die Probleme des VfL Bochum in dieser Saison lassen sich eindeutig identifizieren. Noch immer fehlt die Abstimmung, nachdem der halbe Kader umgebaut worden ist. Das Umschaltspiel hakt. Dieses 0:7 aber – für das Sané (4.), de Ligt (25.), Coman (33.), Mané (43./59., Foulelfmeter), Cristian Gamboa (69., Eigentor) und Serge Gnabry (76.) mit ihren Toren sorgten – hatte eine andere Qualität als das, was noch bei den Spielen gegen den FSV Mainz 05 (1:2) und bei der TSG Hoffenheim (2:3) schiefgelaufen war. „Ich war enttäuscht darüber, wie wir die Zweikämpfe bestritten haben“, beklagte Reis. Stürmer Simon Zoller wurde noch viel deutlicher, als er forderte, dass „wir schleunigst dahin kommen, dass wir für irgendetwas stehen“.

Der VfL Bochum sucht nach Zusammenhalt, Kampfgeist und Spielidee – der Identität, die ihn in der vergangenen Saison ausgezeichnet hatte. Als sich einer für den anderen in die Zweikämpfe warf, als eine klare Spielphilosophie mit schnellem Umschalten erkennbar war. Als die Mannschaft auch nach Rückschlägen die Köpfe oben behielt. In der Schlussphase des München-Spiels hingegen stellte der VfL das Verteidigen ein, die Spieler winkten ab, meckerten. Am Ende war man mit den sieben Treffern noch gut bedient. Trainer Reis hätte sich schon viel früher, nachdem die Bayern sein Team regelrecht überrannten, „mehr Feuer von den Jungs, aber auch von mir von außen gewünscht.“ Der 48-Jährige fasst zusammen: „Wir hätten mehr Gegenwehr zeigen müssen.“

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VfL Bochum: Heintz sieht gefährliche Situation

Allerdings: Auch in der vergangenen Saison erlebten die Bochumer in der Hinrunde in München ein heftiges 0:7 – es diente als Weckruf. Gegen Mainz und in Hoffenheim zeigte der VfL zumindest gute Ansätze, die zu Punkten hätten führen können. „Wir sind weit weg von einer Krise, dafür sind wir zu gefestigt“, meinte daher Zoller. Innenverteidiger Dominique Heintz sah das ähnlich, mahnte jedoch: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in ein gewisses Fahrwasser kommen.“

Bereits am kommenden Freitag (20.30 Uhr/Sky) wartet auf das Bundesliga-Schlusslicht beim SC Freiburg die nächste Hürde. Dann muss der VfL Bochum nicht nur die individuellen Fehler abstellen, sondern vor allem wieder das Gesicht zeigen, das man eigentlich von ihm kennt. „Mir ist wichtig,“ sagt Trainer Thomas Reis, „dass wir einmal mehr aufstehen als hinfallen.“ Einstellungssache.