Bochum. Mit Herz und Verstand hat der VfL Bochum die Hinrunde bewältigt, sagt Kolumnist Michael Eckardt. Er erzählt von Wetten und Säulen der Zukunft.
Hätte ich im Sommer meiner Frau freudestrahlend mitgeteilt, dass ich sofort und unverzüglich einen Hunderter setzen müsse auf den Klassenerhalt des – man kann es immer noch nicht so richtig glauben – Erstligisten VfL Bochum, dann wäre ihre Antwort wohl so knapp wie nonverbal ausgefallen. Sie wissen schon, was das bedeutet, wenn der Zeigefinger wie von selbst an die Stirn tippt und dort einen Moment verharrt. Aber vielleicht hätte sie später doch noch eine Bemerkung fallen gelassen und dabei den Kopf geschüttelt: „Du und dein übersteigerter Fanatismus.“
Der aufmerksame Leser wird den Konjunktiv sicher bemerkt haben. Heißt: Ich habe es dann doch nicht getan, habe den Hunderter stattdessen mit Freunden an einem schönen Freitagabend im Bermuda-Dreieck versenkt und denke nun angestrengt darüber nach, ob ich das Versäumte vor dem Beginn der Rückrunde nachholen soll. Dafür sprechen eindeutig die Mentalität der Mannschaft, die taktische Disziplin und das Zweikampfverhalten der Spieler, die in diesem Punkt bei den Siegen gegen Augsburg, Hoffenheim, Frankfurt, Fürth und Mainz und beim Remis gegen Dortmund die Nase vorne hatten. Sagt die Statistik.
Konsequente Zweikampfführung führt zu Punkten
16 der bisher eingesackten 20 Punkte resultierten demnach nicht nur aber vor allem aus einer konsequenten Zweikampfführung. Dass die Laufleistung jeweils nicht ganz so imposant war, gehört sozusagen dazu und ist die andere Seite der Medaille: Der Fokus der Mannen um Thomas Reis liegt auf defensiver Stabilität und auf einstudiertem Umschaltspiel, nicht auf Ballbesitz um jeden Preis. Und wenn der Klassenerhalt gelingen sollte, dann vermutlich nur so.
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Geholt hat diese 20 Punkte eine Mannschaft, die von Sebastian Schindzielorz und Thomas Reis sehr gezielt zusammengesetzt worden ist. Für keinen der Neuzugänge mit Ausnahme von Patrick Osterhage bedeutete die Bundesliga Neuland. Sebastian Polter, Konstantinos Stafylidis, Elvis Rexhbecaj, Eduard Löwen, Takuma Asano, Christopher Antwi-Adjei und Michael Esser bringen es inzwischen auf rund 450 Erstliga-Spiele, dazu kommen die „alten VfL-Hasen“ Robert Tesche, Simon Zoller, Gerrit Holtmann und Danilo Soares, der immerhin in Ingolstadt und Hoffenheim unter Vertrag stand und gefühlt seit Jahren ein Erstliga-tauglicher Akteur ist.
Fürth kann die Zukunft gehören - Bochum ist jetzt schon reif(er)
Nicht zu vergessen: Für Manuel Riemann und „Toto“ Losilla, zwei alt gediente Säulen des Teams, ist mit dem Aufstieg ein Traum in Erfüllung gegangen. Sie tun alles für den Erfolg und steuern ihren nicht unerheblichen Schatz an Erfahrungen und Ehrgeiz bei.
Damit unterscheidet sich der VfL fundamental vom Mitaufsteiger aus Fürth, der mit einer jungen und hoch veranlagten Mannschaft ins Rennen gegangen ist. Von einigen Fürther Spielern wird man sicher in der Zukunft noch viel hören, der Mannschaft insgesamt mangelt es derzeit aber erkennbar an Erfahrung, Wettkampfhärte und Cleverness, man darf ruhig sagen: Abgebrühtheit. Das sieht in Bochum ganz anders aus, dafür hat Sebastian Schindzielorz mit seiner Transferpolitik gesorgt. Und das hat er bemerkenswert gut gemacht.
Später Erfolg für Schindzielorz: Masovic beeindruckt
Einen etwas unerwarteten, weil späten Erfolg hat der Sportvorstand mit Erhan Masovic gelandet. Als so aufmerksamer wie cooler Innenverteidiger verblüfft Masovic inzwischen Woche um Woche die VfL-Fans. Wie er und Maxim Leitsch zuletzt die beiden sehr beweglichen Union-Angreifer Taiwo Awoniyi und Sheraldo Becker gerade gegen Ende der Partie, als der VfL die Abwehr öffnen musste, neutralisieren konnten, war aller Ehren wert. Gibt es im Mai ein erneutes Happy End für die Mannschaft von Thomas Reis, dann werden Leitsch (23), Masovic (23) und hoffentlich auch Armel Bella Kotchap (20), wenn er denn beherzigt, dass im Stehen gewonnen und im Liegen leider zu oft verloren wird, sowie Patrick Osterhage (21) die Zukunft des VfL verkörpern.
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Mit heißem Herzen und kühlem Verstand
Zuvor jedoch muss so weiter gearbeitet werden wie in der ersten Saisonhälfte – engagiert und diszipliniert, mit heißem Herzen und kühlem Verstand gleichermaßen. Dass die Fans demnächst erneut nicht mehr im Stadion für Rückenwind sorgen dürfen, darf die Mannschaft nicht irritieren und nicht bremsen. Sobald nämlich die Konzentration für einen Moment nachlässt, wird es schwierig für jeden Aufsteiger.
Und das möchte ich nach den vielen Jahren der Bundesliga-Abstinenz auf keinen Fall. Vielleicht bekomme ich ja zu Weihnachten ein Geldgeschenk. Dann werde ich sicher einen Hunderter setzen auf den Klassenerhalt des VfL, selbstredend stillschweigend und klammheimlich.
Zum Autor
Jahrzehntelang hat Michael Eckardt für die WAZ über den VfL Bochum berichtet. Nun hat er etwas Abstand, ist aber im Stadion dabei und schreibt einmal pro Monate eine Kolumne zum VfL Bochum: Eckis Einwurf.