Bochum. Die Fans gaben Rückenwind, nun muss sich der VfL Bochum wohl ohne diesen behaupten. Eine von drei Herausforderungen, so Kolumnist Michael Eckardt.

Wäre man als VfL-Sympathisant momentan nicht richtig guter Dinge, müsste man sich die Haare raufen: Gerade erst hat der VfL Bochum sein Ruhrstadion mit viel Herzblut und Einsatz aller Beteiligten zu einem republikweit beachteten Fußball-Festspielhaus der Bundesliga gemacht und eilt, angetrieben von seinen bis in die Haarspitzen euphorisierten Fans, von Sieg zu Sieg, da droht erneut der Verlust des für die Mannschaft so wichtigen 12. Mannes auf den Tribünen. Man benötigt keine Glaskugel, um auch in NRW zumindest eine weitere Corona-bedingte Zuschauerbeschränkung vorherzusagen.

Es wäre für Thomas Reis und seine Spieler eine der drei großen Herausforderungen in dieser bislang so erfolgreich verlaufenden Erstliga-Spielzeit. Denn das Bochumer Publikum verleiht dem eigenen Team einen außergewöhnlich starken Rückenwind, der die an der Castroper Straße bislang stets favorisierten Gästeteams reihenweise in Staunen versetzt und in Verwirrung stürzt.

Zusammenhalt ist ein unschätzbarer Trumpf

Wenn selbst ein Trainer wie Christian Streich seinen verständlichen Ärger über eine aus Freiburger Sicht äußerst unglückliche Niederlage mit einer veritablen „Liebeserklärung“ an die spezielle Bochumer Atmosphäre garniert („Der VfL ist einfach ein toller Verein. Das ist für mich Fußball.“), dann dürfen sich Mannschaft und Fans in ihrer Arbeit und in ihrer Haltung mehr als bestätigt fühlen.

Jahrzehntelang hat Michael Eckardt für die WAZ über den VfL Bochum berichtet. Nun hat er etwas Abstand, ist aber im Stadion dabei. Seine Kolumne zur Lage des VfL erscheint einmal pro Monat.
Jahrzehntelang hat Michael Eckardt für die WAZ über den VfL Bochum berichtet. Nun hat er etwas Abstand, ist aber im Stadion dabei. Seine Kolumne zur Lage des VfL erscheint einmal pro Monat. © FUNKE Foto Services | Ingo Otto

Herausforderung eins: drohende Geisterspiele

Dieser Zusammenhalt ist ein unschätzbarer Trumpf im Kampf um den Klassenerhalt. Die Frage bleibt: Wie agiert das Team, wenn es zwangsläufig mal leiser sein wird im Stadion? Ein Vergleich mit der Zuschauer-freien Aufstiegssaison verbietet sich, denn die damalige Mannschaft war der Zweitliga-Konkurrenz auch aufgrund ihrer herausragenden Automatismen sowie den individuellen Fähigkeiten in aller Regel spielerisch deutlich überlegen und musste nicht fortwährend sämtliche kämpferischen Tugenden auf den Rasen bringen, um erfolgreich zu sein.

Herausforderung zwei: Rückstände drehen

Die zweite Herausforderung haben die Bochumer am vergangenen Samstag mit dem Sieg gegen Freiburg erstmals bewältigt. Sie haben tatsächlich nach dem Rückstand die Partie gedreht und noch gepunktet. Alle 13 Zähler zuvor resultierten aus Spielen, in denen dem jeweiligen Gegner kein Tor gelang. Erzielte der Gegner jedoch das erste Tor, waren stets sämtliche Punkte weg. Das ist nun Vergangenheit. Dieses Mal bestätigte die Mannschaft die Einschätzung von Sport-Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz: „Wir haben immer die Fähigkeiten zurückzukommen, das ist für das Selbstvertrauen sehr wichtig.“

Konzept ist gut und schlecht für Milos Pantovic

Dennoch wird Thomas Reis von seinem erfolgreichen Konzept künftig wohl kaum abweichen. Die defensive Stabilität mit zwei offensiv zurückhaltenden Außenverteidigern und zwei intensiv nach hinten arbeitenden Achtern vor und neben Anthony Losilla bleibt das A und O des VfL, der gegen allmählich ungeduldig werdende Gegner oft immer größere Räume für sein Umschaltspiel bekommt, je länger hinten die Null steht.

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Schlecht für Milos Pantovic, der weiterhin eher selten in der Startaufstellung zu finden sein wird. Gut für Pantovic, denn seine Kunst wird besonders dann gefragt sein, wenn der Gegner weit hinten raus rückt und es mit der Verteidigung nicht mehr ganz so genau nimmt.

Herausforderung drei: Punkten auf fremdem Platz

Dieses Konzept auch auf den gegnerischen Plätzen häufiger hinzubekommen, ist Herausforderung Nummer drei. Bislang ist der Ertrag auf fremden Plätzen zu gering. Drei, allerdings extrem wichtige, Punkte in Fürth, ansonsten nur ein paar warme Worte – da sollte noch mehr kommen. Die letzten beiden Partien konnten allerdings Mut machen. Jeweils knappe Niederlagen in Mönchengladbach und Leverkusen, wo man nicht unbedingt hätte verlieren müssen, nähren die Hoffnung auf zählbare Ergebnisse.

Zumal Thomas Reis, sieht man einmal von Simon Zoller ab, ein paar Wochen vor Hinrunden-Schluss fast volle Kapelle melden kann. Maxim Leitsch hat schon wieder Wettkampfluft geschnuppert, was schon deshalb nicht unwichtig ist, weil Erhan Masovic bereits mit vier Gelben Karten notiert ist. Danny Blum, der die leider notorische Abschlussschwäche der rasenden Flügelstürmer sicher etwas zu kaschieren vermag, dürfte auch wieder zur Verfügung stehen.

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Silvere Ganvoula setzt ein klares Zeichen

Und schließlich hat sich Silvere Ganvoula offenbar dazu entschlossen, nun doch mit aller Kraft das Unternehmen Klassenerhalt zu unterstützen. So einsatzfreudig und kampfesmutig wie gegen Freiburg nach seiner Einwechselung hat man ihn lange nicht gesehen. Wer nach dem Abpfiff am Samstag genau hingeschaut hat, wird auch bemerkt haben, auf wie viel Gegenliebe Ganvoulas Engagement bei seinen Mitspielern gestoßen ist. Erfolg vereint, und die Mannschaft freut sich über jeden, der für das gemeinsame Ziel sein letztes Hemd gibt. So muss es weiter gehen – ob mit oder ohne Zuschauer.

Zum Autor: Jahrzehntelang hat Michael Eckardt für die WAZ über den VfL Bochum berichtet. Nun hat er etwas Abstand, ist aber im Stadion dabei und schreibt einmal pro Monate eine Kolumne zum VfL Bochum: Eckis Einwurf.