Bochum. Ata Lameck weiß, wie man Bayern schlägt. Oder 5:6 verliert. Frank Benatelli erinnert sich an sein 2:0. Große Duelle des VfL Bochum gegen München.

An diesem Mittwoch, 15. September, feiert er Geburtstag, auch wenn er das selbst gar nicht hören, geschweige denn lesen will. Michael Ata Lameck wird 72, drei Tage vor dem Spiel seines VfL Bochum beim FC Bayern München. Der Rekordspieler des VfL, der 518 Mal für die Bochumer auflief in der Bundesliga, weiß, wie man gegen Bayern gewinnt.

Im heimischen Ruhrstadion feierte Lameck fünf Siege mit dem VfL gegen die Münchener, zuletzt 1985, als Stefan Kuntz alle drei Treffer erzielte beim 3:0. Auswärts allerdings gab es meist (klare) Niederlagen, konnte Bochum mit Lameck in der Startelf „nur“ – oder immerhin – drei Mal ein Remis erkämpfen.

So erinnert sich Ata Lameck an das legendäre 5:6 gegen die Bayern

Doch die Denkwürdigste aller Partien fand in Bochum statt. Mit einem am Ende „sprachlosen“ Lameck auf dem Rasen, wie sich die VfL-Legende bestens erinnert.

18. September 1976: VfL Bochum - FC Bayern 5:6 (3:0). Noch heute spricht Lameck von einem „nachträglichen Geburtstagsgeschenk“. Trotz des bitteren Endes. „In der Kabine waren wir nur k. o., wir haben das alles gar nicht kapiert“, sagt Lameck heute.

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Um das Unglaubliche einzuordnen, hilft diese Geschichte: Ein Freund von Ata Lameck säuberte sein Auto, hörte Radio, der VfL führte mit 4:0. Der Freund von Ata Lameck schaltete das Radio aus, rund eine Stunde nach dem Abpfiff gratulierte er Lameck zum Sieg gegen den FCB. „Du willst mich veräppeln“, sagte er fassungslos zu „Ata“, als er vom 5:6 erfuhr.

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Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Paul Breitner, Uli Hoeneß standen bei Bayern in der Startelf, unter anderem. „Eine Weltklasse-Mannschaft“, sagt Lameck.

Bochum führt mit 4:0: „Wir wussten nicht, wie uns geschah“

Und dann fegt der damals erfolgreich an seinem Mythos der Unabsteigbaren arbeitende VfL Bochum diese Bayern mit 4:0 vom Platz. Bis zur 55. Minute. „Wir wussten doch selbst gar nicht, wie uns geschah“, sagt Lameck. Harry Ellbracht, Jupp Kaczor, erneut Ellbracht vor der Pause und Hans-Joachim Pochstein nach dem Wechsel trafen für das Team von Heinz Höher.

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Doch die Bayern von Cheftrainer Dettmar Cramer kamen zurück. Und wie. Karl-Heinz Rummenigge, Georg Katsche Schwarzenbeck, Gerd Müller mit einem Doppelpack und Uli Hoeneß drehten die Partie. Mit fünf Treffern in rund 20 Minuten! Und Bochum? Gab nicht auf.

Lameck: Motivationsschub gegen Bayern oder Schalke nicht nötig

„Da haben wir wieder gezeigt, welche Moral in unserer Truppe steckt“, sagt Lameck mit Blick auf seine langjährigen Teamkollegen wie Jupp Tenhagen, dem heutigen Aufsichtsrats-Mitglied des VfL, oder natürlich Hermann Gerland. „Wir hatten immer ein Team, das zusammenhielt, das sich so gegen die Großen behaupten wollte“, sagt Lameck. „Gegen Teams wie die Bayern oder Schalke oder Dortmund brauchte man keinen Trainer zur Motivation.“ Das gelte doch bis heute. „Wer das nicht kapiert, ist fehl am Platz.“

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Jupp Kaczor also erzielte das 5:5 in Minute 80. Wahnsinn. „Wir wollten mehr“, weiß Lameck noch. Uli Hoeneß bestrafte das mit dem 6:5, eine Minute vor dem Abpfiff. „Es war“, so Lameck, „einfach ein Traumfußballspiel.“

So spielte der VfL beim 5:6

Scholz - Eggert, Franke, Gerland, Herget, Lameck, Miß, Tenhagen, Trimhold, Kaczor, Pochstein. Trainer: Heinz Höher

Tore: 1:0 Ellbracht (24.), 2:0 Kaczor (38.), 3:0 Ellbracht (43.), 4:0 Pochstein (53.), 4:1 Rummenigge (55.), 4:2 Schwarzenbeck (57.), 4:3 Gerd Müller (63.), 4:4 Müller (74.), 4:5 Uli Hoeneß (75.), 5:5 Kaczor (80.), 5:6 Hoeneß (89.).

Die Bilanz: Nur einmal gewann der VfL in München

Aber auch in der jüngeren Vergangenheit gab es packende Duelle mit den Bayern, wenngleich die Münchener meist gewannen, oft: hoch. Das legendäre Pokal-Halbfinale 1968 ging noch an Bochum, mit 2:1 setzte sich der im Finale mit 1:4 gegen Köln unterlegene VfL damals im eigenen Stadion durch.

Danach dominierten meistens die Münchener. In der Gesamtbilanz stehen den neun Bochumer Pflichtspielsiegen 50 Niederlagen gegenüber, hinzu kommen 16 Remis. In München ist die Bilanz noch deutlicher: 26 Mal gewann der FCB, es gab acht Remis – und einen VfL-Sieg.

Tipps vom Kaiser Beckenbauer vor dem historischen Sieg in München

28. August 1991: Bayern - Bochum 0:2 (0:0). Der VfL setzte sich beim Team von Trainer Jupp Heynckes dank der Treffer von Heiko Bonan und Frank Benatelli (59./81.) mit 2:0 durch. Franz Beckenbauer, der drei Monate später zum Vizepräsidenten des FC Bayern gewählt wurde, war zuvor noch in der Bochumer Kabine und gab, wie man hört, ein paar Tipps. Denn Coach des VfL Bochum war Holger Osieck, Beckenbauers Co-Trainer beim WM-Triumph mit der Nationalmannschaft in Italien 1990.

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Zur Startelf des VfL zählte gegen die Münchner um Stefan Effenberg unter anderem Frank Heinemann, der heutige Co-Trainer des VfL. Und Benatelli eben, der dem VfL bis heute unter anderem als Trainer der Fußball-Schule eng verbunden ist.

Frank Benatelli erzählt von seinem 2:0 in München

Benatelli spielte im defensiven Mittelfeld, Bochum war nach der Roten Karte für Oliver Kreuzer in Überzahl ab Minute 17. Und nutzte sie im Olympiastadion. „Ich haben einen Doppelpass mit Michael Rzehaczek gespielt und den Ball dann aus 18 Metern in den rechten Winkel geschossen“, erinnert sich Benatelli bestens an sein 2:0.

Frank Benatelli (rechts) erzielte 1991 das 2:0-Siegtor für den VfL Bochum in München, dem einzigen VfL-Sieg auswärts. Das Bild zeigt ihn im Oktober 1986 gegen Bayerns Michael Rummenigge.
Frank Benatelli (rechts) erzielte 1991 das 2:0-Siegtor für den VfL Bochum in München, dem einzigen VfL-Sieg auswärts. Das Bild zeigt ihn im Oktober 1986 gegen Bayerns Michael Rummenigge. © imago sportfotodienst | imago sport

Es war eine legendäre Mittwochnacht, die Benatelli nach der Rückkehrer mit Torwartlegende Ralf Katze Zumdick bei seinem Stamm-Italiener ausklingen ließ. „Da waren Katze und ich noch ein bisschen unterwegs.“

So spielte der VfL beim 2:0-Sieg

Zumdick - Hermann, Reekers, Eitzert, Benatelli, Bonan (88. Türr), Heinemann, Helmig, Rzehaczek, Wegmann, Epp. Trainer: Osieck.

Den letzten Punkt in München holten die Bochumer vor 13 Jahren.

4. Oktober 2008: Bayern - Bochum 3:3 (2:1). Lucio, Lahm, Ze Roberto, Ribery, Schweinsteiger, Klose zählten zum Bayern-Team. Weltstars, wie ja fast immer. Doch die Bochumer drehten nach einem 1:3-Rückstand am siebten Spieltag der Saison 2008/09 noch auf. Christoph Dabrowski, der unermüdliche Mittelfeldrenner, und das damalige Talent Dennis Grote per Kopf trafen zum Punktgewinn. Grote, nun 35, ist heute noch aktiv: Als Kapitän des Regionalligisten RW Essen.

Marcel Maltritz (l.) im Duell mit Lukas Podolski beim letzten Punktgewinn des VfL Bochum in München im Oktober 2008 (3:3).
Marcel Maltritz (l.) im Duell mit Lukas Podolski beim letzten Punktgewinn des VfL Bochum in München im Oktober 2008 (3:3). © Bongarts / Getty Images | Johannes Simon

So spielte der VfL beim 3:3

Daniel Fernandes - Pfertzel, Mavraj, Maltritz, Fuchs - Schröder, Dabrowski, Azaouagh, Freier (73. Grote) - Kaloglu, Sestak. Trainer: Koller. Tore: 1:0 van Buyten (15.), 1:1 Kaloglu (29.), 2:1 Ze Roberto (45.), 3:1 Ze Roberto (68.), 3:2 Dabrowski (83.), 3:3 Grote (85.).

Danach gab es nur noch eine Partie in München. Bayern feierte nach einem 3:1-Sieg am vorletzten Spieltag die Deutsche Meisterschaft am 1. Mai 2010. Thomas Müller erzielte alle drei Bayern-Tore, Christian Fuchs verkürzte kurz vor Schluss. Damals hatte der VfL unter Interimstrainer Dariusz Wosz keine Chance, stieg in der Woche danach mit einem krachenden 0:3 gegen Hannover ab und bekanntlich erst in diesem Sommer wieder auf, nach elf Jahren 2. Liga.

Drei Pokalheimspiele als Zweitligist verlor der VfL in dieser Zeit, mit 1:2, 0:3 und zuletzt 1:2 im Oktober 2019. Am Samstag gibt es ein Wiedersehen in München, in der Bundesliga.